Klimapolitik der USA:Der US-Präsident erklärt der Kohle den Krieg

Steam rises from the stacks of the coal fired Jim Bridger Power Plant outside Point of the Rocks, Wyoming

Das Jim-Bridger-Kohlekraftwerk im US-Bundesstaat Wyoming

(Foto: REUTERS)

Dass Obama die Emissionen der Kraftwerke senken will, ist eine gute Nachricht: So könnte das klimapolitische Wachkoma enden, in dem sich die Welt befindet. Dabei riskiert er kurz vor den Kongresswahlen eine Menge. Denn er nimmt es mit Strukturen auf, die sein Land geprägt haben.

Ein Kommentar von Michael Bauchmüller

Vorige Woche hat die amerikanische Umweltbehörde EPA einen neuen Bericht zum Klimawandel vorgelegt, er war voller vertrauter Befunde: Gletscher schmelzen, auch in den USA. Meeresspiegel steigen, auch im Golf von Mexiko. Mehr Waldbrände, mehr extremes Wetter - der Bericht war schonungslos. Angesichts der Erderwärmung liege nahe, "dass die Amerikaner weniger Energie zum Heizen und mehr für Klimaanlagen brauchen". Fragt sich nur, woher die Energie kommen soll - liegt in ihrem Verbrauch doch der Kern des Problems. Egal, ob für Wärme oder Kälte.

Eine erste Antwort hat die EPA an diesem Montag gegeben. Die Behörde, die direkt Präsident Barack Obama untersteht, will die Treibhausgas-Emissionen der amerikanischen Kraftwerke drosseln. Bis 2030 sollen sie 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen als 2005. Für viele der 600 Kohlekraftwerke wird es das Ende bedeuten, mancherorts auch für die Kohleförderung. Obamas Behörde erklärt der Kohle den Krieg, nicht weniger als das.

Die Gelegenheit dafür ist günstig. Seit einiger Zeit schwelgen die USA im Gasboom. Unmengen an Schiefergas, gewonnen mit der umstrittenen Fracking-Technologie, lassen Kohle verzichtbar erscheinen; obendrein hat Gas die bessere Klimabilanz. Tatsächlich sind die klimaschädlichen Emissionen seit 2005 um zehn Prozent zurückgegangen, in den Kraftwerken sogar noch stärker. Und das nicht wegen, sondern trotz Obama: trotz seines bisherigen Scheiterns in der Klimapolitik, trotz all der großen, letztlich folgenlosen Ankündigungen.

Dieser Vorstoß könnte Folgen für die Klimapolitik weltweit haben

Die jüngste Ankündigung aber könnte Folgen haben, sowohl national wie auch international - national, weil sie einen längst überfälligen Kurswechsel in der Energiepolitik einleiten könnte. Denn die US-Bundesstaaten werden sich nun überlegen müssen, wie und womit sie auf mittlere Sicht Energie erzeugen wollen: ob sie sich effizienter verwenden lässt und wie sie grüner werden kann. Es wäre die Hinwendung zu langfristigen Energiestrategien nach Jahrzehnten der Zukunftsvergessenheit.

International ist der Vorstoß nicht minder wichtig, denn die Welt liegt in einer Art klimapolitischem Wachkoma. Zwar haben die Staaten ausgemacht, bis Ende kommenden Jahres ein neues Klimaabkommen zu schnüren. Über die bloße Bekundung der Absicht aber sind sie bisher nicht hinausgekommen. Namentlich die Europäer, sonst gerne treibende Kraft im Klimaschutz, halten sich mit konkreteren Zusagen zurück. Wenn nun Washington vorprescht, erhöht das auch den Druck auf andere, etwa auf China. Die Europäer haben in dieser Rolle zuletzt kläglich versagt.

Obama riskiert eine Menge, nicht zuletzt mit Blick auf die Kongresswahlen im Herbst. In den nächsten Monaten werden die Staaten einen erbitterten Kampf um die Kohle erleben - wie immer, wenn es um Strukturen geht, die ein Land jahrzehntelang geprägt haben. Ohne einen Strukturwandel in der Energieversorgung aber wird sich der Kampf gegen die Erderwärmung nicht gewinnen lassen. Steht übrigens auch im jüngsten Bericht der EPA.

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