Es war einmal WM - 1978:Vom Hotelpersonal aufs Zimmer getragen

Es war einmal WM - 1978: Kenny Dalglish (links) bei der WM 1978 gegen die Niederlande

Kenny Dalglish (links) bei der WM 1978 gegen die Niederlande

(Foto: imago sportfotodienst)

Whiskey, Frauen, kein Wasser im Pool: Die Schotten machen bei der WM 1978 vor allem außerhalb des Platzes Schlagzeilen - dabei ist das Ziel ausdrücklich eine Medaille. Der schottische Verband setzt eine Untersuchungskommission an.

Es war einmal WM: In einer Serie blicken wir auf komische, merkwürdige, besondere Momente in der Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften zurück. Teil elf beschäftigt sich mit der schottischen Nationalmannschaft, die unter Kult-Trainer Ally McLeod vor allem neben dem Platz von sich reden machte.

Schottland trauerte, als Anfang Februar 2004 Ally McLeod im Alter von 72 Jahren starb. McLeod trainierte sein Leben lang schottische Klubs, die meiste Zeit Ayr United, doch den größten Ruhm erntete er mit seiner WM-Expedition 1978. McLeod brach nach Argentinien mit dem Versprechen auf, "mindestens eine Medaille" zurück zu bringen, also einen Platz unter den ersten Drei - mindestens.

Tatsächlich brillierte sein Team mit einem 3:2-Sieg im letzten Spiel gegen die Niederlande. Dummerweise hatte es zuvor einen Punkt gegen den Außenseiter Iran abgegeben und musste wegen der schlechteren Tordifferenz im Vergleich zu den Niederlanden heimreisen. Dennoch steht sein Name für eines der größten Abenteuer des schottischen Fußballs.

"Mein Name ist Ally McLeod, und ich bin ein Sieger." So hatte er sich dem Team vorgestellt und in der Qualifikation prompt den Europameister CSSR aus dem Weg geräumt - indes der große Bruder England zum zweiten Mal nacheinander beim Welt-Turnier fehlte. Dann setzte es allerdings im ersten Gruppenspiel eine Niederlage gegen Peru und das Unglück nahm seinen Lauf.

Es entbrannte im Team ein Prämienstreit, McLeod beklagte, im Hotelpool sei kein Wasser und sein Team langweile sich deshalb - was in der heimischen Presse schlecht ankam. Es folgte der Dopingfall von Stürmer Willie Johnston, dem die Einnahme des Aufputschmittels Fencamfamin nachgewiesen wurde - angeblich enthalten in einem Medikament gegen Heuschnupfen. Das glaubte ihm nicht einmal der eigene Verband; Johnston wurde lebenslang gesperrt.

Als McLeod auf einer Pressekonferenz zu dem Fall Stellung bezog, nahm ein argentinischer Hund neben seinem Stuhl Platz. "Das ist wohl der einzige Freund, den ich jetzt noch habe", sagte der Schotte und strich dem Hund über den Kopf. Das Ende vom Lied: Der Hund biss ihn in die Hand.

Doch es sollte noch unangenehmer werden, denn es folgte das katastrophales 1:1 gegen den Iran. "Was für einen Müll habt ihr nur gespielt", hörten die Spieler von mitgereisten Fans, die mit Fäusten drohten. Und die Geschichte von Ally, dem Sieger, ging zu Ende. Die Kritik setzte ein: Seine Spieler würden sich nicht vorbereiten, stattdessen bis kurz vor Anpfiff noch mit Fans und Journalisten plaudern.

Noch schlimmer: Jeden Abend würden die Schotten in der Hotel-Lobby Whiskey trinken - und manche von ihnen habe das Personal auf die Zimmer tragen müssen. Der schlimmste Vorwurf: Einige von ihnen hätten sich mit Argentinierinnen vergnügt.

Der schottische Fußballverband setzte deshalb nach dem Turnier eine Untersuchungskommission ein, die McLeod nicht direkt entlastete, aber seine Verdienste in den Vordergrund stellte. In seiner Autobiografie schrieb McLeod: "Ich war ein sehr guter Trainer, der nur ein paar schlechte Tage hatte - damals in Argentinien."

So ist er in Erinnerung geblieben. Kenny Dalglish, damals Stürmer in "Ally's Army", sagte in einem Nachruf: "Ally war ein großer Charakter, er hatte Humor in allen Lebenslagen".

Aus der SZ-Bibliothek

Teil eins der Serie: Schwarzes Wunder - die Geschichte von José Leandro Andrade, dem ersten Glamour-Star des Fußballs und Weltmeister von 1930.

Teil zwei: Deutschland ehrenvoll ausgeschieden - die erste WM-Teilnahme der Deutschen 1934 zwischen Nazipropaganda und Szepans tollem Spiel.

Teil drei: Torhüter mit gebrochenen Knochen - wie schwer es die besten Torhüter ihrer Zeit in den dreißiger Jahren hatten.

Teil vier: No World Cups, please! - die erste WM-Teilnahme Englands im Jahr 1950gerät zur Blamage.

Teil fünf: 4:1 für Deutschland - ich bin sprachlos. Wie Gefängnis-Insassen der DDR den WM-Titel 1954 im Radio erleben.

Teil sechs: Trainer, bitte stellen Sie mich nicht mehr auf! - die Geschichte des statistisch wohl schlechtesten Torwarts der WM-Historie.

Teil sieben: Der gekaufte Freispruch - wie Garrincha 1962 trotz Roter Karte im Halbfinale am Endspiel teilnahm.

Teil acht: Pickles, ein englischer Held - wie ein Hund den Engländern 1966 den WM-Pokal zurückgab.

Teil neun: Vier Tage Arrest für Bobby Moore - wie die englische Fußballlegende unschuldig in eine Diebesgeschichte verwickelt wurde.

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