Pakistan nach Taliban-Angriff:Gefangen im blutigen Kreislauf

Pakistan nach Taliban-Angriff: Angehörige trauern um vermisste Familienmitglieder nach dem Taliban-Anschlag auf den pakistanischen Flughafen von Karatschi.

Angehörige trauern um vermisste Familienmitglieder nach dem Taliban-Anschlag auf den pakistanischen Flughafen von Karatschi.

(Foto: AFP)

Es dauert zwölf Stunden, bis Pakistans Armee den Flughafen von Karatschi nach einem Taliban-Angriff unter Kontrolle hat. Mindestens 28 Menschen sterben - und der Staat wirkt erneut ohnmächtig.

Von Arne Perras, Singapur

Die pakistanische Armee hatte die Schlacht um den internationalen Flughafen von Karatschi schon für beendet erklärt. Alle Terroristen seien tot, hieß es am frühen Montagmorgen, nach stundenlangen nächtlichen Feuergefechten im Terminal. Der Staat hat hier immer noch alles im Griff, sollte das bedeuten. Doch die Entwarnung kam zu früh, die Gewalt flammte nach einer Pause plötzlich wieder auf.

Pakistanische Medien berichteten von erneuten Schusswechseln und mindestens zwei großen Explosionen. Dicke Rauchschwaden stiegen über dem Gelände auf, aus einem Gebäude im Cargo-Bereich schlugen Flammen. Die Bilder erinnerten daran, wie verletzlich der Staat Pakistan im Kampf gegen die Extremisten ist.

Es dauerte schließlich zwölf Stunden, bis die Armee ein zweites Mal erklärte, alles sei unter Kontrolle. Etwa 700 Zivilisten konnten aus dem Chaos in Sicherheit gebracht werden. Pakistanische Behörden erklärten, sie wollten Jinnah International Airport innerhalb von acht Stunden wieder öffnen. Spekulationen, wonach die Angreifer auch darauf zielten, ein Flugzeug zu kapern, bestätigten sich zunächst nicht.

Allerdings beriefen sich lokale Presseberichte auf einen namentlich nicht genannten Polizeioffizier, der bestätigte, dass einige Terroristen mit Handgranaten bis auf das Rollfeld vorgedrungen waren. "Es scheint so, als hätten sie versucht, die Flugzeuge zu treffen", sagte er.

Zur Tat bekannte sich die Terrorgruppe Tehreek-i-Taliban (TTP), der Angriff hatte Sonntag kurz vor Mitternacht begonnen. Er forderte mindestens 30 Todesopfer, darunter sollen auch zehn der Angreifer sein. Das Militär stellte schwere Waffen wie Raketenwerfer sicher. Wie viele Terroristen an der Attacke beteiligt waren, blieb zunächst unklar.

Zumindest einige von ihnen hatten sich offenbar mit gefälschten Ausweisen der Flughafenwache Zugang zum Gelände verschafft. Der Sturm begann von mehreren Seiten, alles sah nach einer gut koordinierten und sorgfältig geplanten Tat aus, wie der Ministerpräsident der Provinz Sindh, Qaim Ali Shah, bestätigte.

Die Terroristen drohen: "Dies ist erst der Anfang"

"Wir haben diese Attacke ausgeführt, um zu zeigen, dass wir immer noch lebendig sind und reagieren können auf die Bombenattacken, die unschuldige Menschen in ihren Dörfern töten." Mit diesem Satz zitierten pakistanische Medien den TTP-Sprecher Shahidullah Shahid. Und die Terroristen drohten: "Dies ist erst der Anfang."

Die Botschaft passte also zum blutigen Kreislauf aus Angriff und Vergeltung, aus dem sich Pakistan so schwer befreien kann. Die TTP sprach von einem Racheakt in Karatschi, mit dem sie auf die anhaltenden Armee-Offensiven in den unzugänglichen Grenzgebieten zu Afghanistan reagiere.

Die kriegsähnlichen Zustände auf dem internationalen Flughafen setzen Premier Nawaz Sharif weiter unter Druck. Denn er war mit dem Wahlversprechen angetreten, einen Frieden mit den Terrorgruppen auszuhandeln. Zerwürfnisse innerhalb der militanten TTP schienen zuletzt auf eine Schwächung der Gruppe hinzudeuten. Vielleicht gerade deshalb setzten Hardliner jetzt auf eine Attacke von hohem Symbolwert. Ein Staat, der nicht einmal einen internationalen Flughafen absichern kann, wirkt hilflos.

Die pakistanischen Taliban, deren Kräfte teils mit der gleichnamigen afghanischen Gruppe verbündet sind, wollen einen strengen Gottesstaat in Pakistan errichten sowie westliche Einflüsse zurückdrängen. Es hat mehrere Versuche gegeben, einen Dialog mit der Regierung anzubahnen und eine Lösung auszuhandeln, doch alle Vorstöße scheiterten.

Oppositionspolitiker Imran Khan, der frühere pakistanische Cricket-Star, erklärte Sharifs Anti-Terror-Politik in einem Tweet für gescheitert und beklagte die massiven Sicherheitslücken in Karatschi. Doch eine überzeugende Strategie, die aus der Gewalt herausführt, hatte bislang niemand anzubieten. Viele militante Kräfte akzeptieren nicht einmal die pakistanische Verfassung als Grundlage für Gespräche.

Nahe der iranischen Grenze starben Dutzende Pilger bei einem Selbstmordattentat

Auch weiter westlich, bei Taftan nahe der iranischen Grenze, gab es mindestens zwei Dutzend Tote, als sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft sprengten. Die Opfer waren schiitische Pilger, militante Sunniten der Gruppe Jaish-ul-Islam bekannten sich zur Tat. Schiiten in der Provinz Balutschistan sind besonders stark durch den Terror gefährdet.

Auch in der Wirtschaftsmetropole Karatschi, wo die Taliban ihren Einfluss ausgeweitet haben, wirkt der Staat hilflos. Die Stadt bietet radikalen Kräften Unterschlupf vor Verfolgung und wird als Finanzierungsquelle für den bewaffneten Kampf genutzt. Denn die TTP kontrollieren einen Teil der Überlandtransporte, die das Hinterland bis nach Afghanistan an den Ozean anbinden. Wenn sie daran nicht direkt verdienen, so treiben sie von Geschäftsleuten Schutzgelder ein.

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