Buch des Ex-Bundespräsidenten:Wulff prangert "Bild" und andere Medien an

"Aufgeputscht durch Gerüchte, Halbwahrheiten und Unwahrheiten": Ex-Bundespräsident Christian Wulff macht in seinem neuen Buch "Ganz oben Ganz unten" den Jagdtrieb von Journalisten für seinen Rücktritt verantwortlich. Vor Reportern sagt er in Berlin, er "wäre auch heute der Richtige in dem Amt".

Von Hannah Beitzer

"Ich bin ein freier Mann, frei in jeder Hinsicht." Christian Wulff sagt diesen trotzigen Satz, als er in Berlin sein Buch "Ganz oben Ganz unten" (der Buchtitel wählt nur Großbuchstaben) vorstellt, begleitet von zahlreichen Fernsehkameras. Doch so ganz frei, das wird auf der Pressekonferenz klar, fühlt er sich nicht.

Er habe das Buch geschrieben, um "aus dem langen Schatten der Vorverurteilung zu entkommen", sagt er, während ihm gegenüber jene sitzen, die er an diesem Tag so deutlich wie noch nie für seinen Rücktritt verantwortlich macht: Journalisten verschiedenster Medien, die - so stellt er es dar - so viel Druck auf die Justiz ausgeübt hätten, dass diese schließlich Ermittlungen begonnen habe, obwohl sie eigentlich nichts in der Hand gehabt habe. Das Buch solle keine Abrechnung sein, beteuert Wulff. "Ich schildere, wie sich die Affäre, die zu meinem Rücktritt geführt hat, aus meiner Sicht darstellt. Ich nehme in Anspruch, den vielen Versionen, die darüber in Umlauf sind, meine eigene hinzuzufügen."

Er habe sich stets rechtlich korrekt verhalten, und sein Freispruch sei auch ohne Wenn und Aber erfolgt. Sicher habe er Fehler gemacht, sagt Wulff. So hätte er niemals Bild-Chefredakteur Kai Diekmann wutenbrannt auf dem Anrufbeantworter den Satz hinterlassen dürfen, in der Berichterstattung über ihn, den Präsidenten, sei der Rubikon überschritten. Auch hätte er früher alle Informationen offenlegen müssen. "Dank der aufwändigen Ermittlungen bin ich vielleicht der am besten durchleuchtete deutsche Politiker der Gegenwart", sagt er. Es soll wohl ein Scherz sein, doch sein Lächeln verrutscht.

Das Buch enthält viele Vorwürfe gegen die Bild-Zeitung

Im Buch selbst wird Wulff noch konkreter als auf der Pressekonferenz und nennt Namen von Journalisten, die er kritisiert. Er beschreibt in einem Kapitel (Auszug lesen...*), wie er die Vorwürfe um einen Sylt-Aufenthalt und die finanzielle Involviertheit seines Bekannten David Groenewold wahrnahm. Der Ex-Präsident interpretiert darin vor allem seinen Konflikt mit der Bild-Zeitung als "eine so nie dagewesene Machtprobe zwischen Medien und Politik. Ich wollte nicht zulassen, dass die Bild-Zeitung am Staatsoberhaupt ein Exempel statuierte. Dies wäre auf eine gefährliche Verschiebung der Machtverhältnisse in unserem Land hinausgelaufen, deshalb musste das Amt des Bundespräsidenten gegenüber konstruierten Vorwürfen eine von den Medien uneinnehmbare Bastion bleiben".

Wulff zitiert einen Kommentar des damaligen Bild-Vizechefs und heutigen Spiegel-Chefredaktionsmitglieds Nikolaus Blome: "Wenn nicht alles täuscht, wird die Affäre des Bundespräsidenten (...) die politischen Bedingungen für Rücktritte in Deutschland neu definieren." Der Ex-Präsident in seinem Buch dazu: "Blome ging davon aus, dass ich durchhielt, und das kam für ihn einem Verfall der politischen Kultur gleich (...). Wie recht er hatte mit seiner düsteren Prophezeiung, erwies sich eine Woche später, als ich aufgab und damit indirekt einräumte, dass 'die politischen Bedingungen für Rücktritte in Deutschland' von der Bild-Zeitung diktiert werden."

"Aufgeputscht durch Gerüchte, Halbwahrheiten und Unwahrheiten"

In Berlin sagt Wulff an diesem Dienstag zwar, dass es "die Medien nicht gibt", dass es Journalisten gebe, die gute Arbeit leisteten: "Ich habe mich bemüht, nicht alle über einen Kamm zu scheren." In seinem Buch* macht er aber auch Journalisten anderer Medien Vorwürfe. "Aufgeputscht durch Gerüchte, Halbwahrheiten und Unwahrheiten der Bild-Zeitung, hatten sich viele in einen kollektiven Wutrausch geschrieben, aus dem sie nicht mehr heraus fanden", schreibt er an einer Stelle über eine Italien-Reise, auf der er mit Reportern an Bord des Flugzeugs sprach.

Am Ende eines Kapitels schreibt er bitter über den Tag seines Rücktritts: "Am Nachmittag dieses 17. Februar fuhren meine Frau und ich mit unseren Kindern Linus und Leander nach Großburgwedel, in jene 'hundeelendigliche Gegend' (Voltaire), in die meine Kritiker aus FAZ und Welt und Spiegel mich seit meiner Nominierung im Juni 2010 zurückwünschten. Als die Bild-Zeitung anderthalb Jahre später auf diese Linie einschwenkte - aus Gründen, die offenbar in meiner Haltung zum Islam und im persönlichen Ehrgeiz ihres Chefredakteurs zu suchen waren -, geriet ich mehr als in Bedrängnis".

Wulff sieht sich als Opfer einer Medienkampagne - und sagt vor den Journalisten in Berlin den Satz: "Der Rücktritt war falsch. Und ich wäre auch heute der Richtige in dem Amt." Später korrigiert er sich, auf Nachfrage: "Hätte die Staatsanwaltschaft korrekt gehandelt in Hannover und die Aufhebung der Immunität nicht beantragt, wäre ich noch im Amt. Der Rücktritt war richtig."

Wulffs These: Für manche Medien sei er immer "der Mann aus dem anderen Lager" geblieben. Er hätte schlicht nicht genug Zeit gehabt, sie zu überzeugen, und so hätten sie nicht "ausgleichend, plural" berichtet, als es nötig gewesen sei.

Journalistenverbandschef weist Kritik zurück

Der Deutsche Journalisten-Verband weist Wulffs Kritik dagegen als überzogen zurück. "In einigen Punkten sind einige Kollegen über das Ziel hinaus geschossen", sagt der Bundesvorsitzende Michael Konken, aber "von Ausnahmen abgesehen", hätten die Journalisten ihre Wächterfunktion ernstgenommen. Trotz des Freispruchs für den Ex-Präsidenten, man habe Ungereimtheiten seiner Amtsführung nachgehen müssen, und "auch aus heutiger Sicht ist Wulffs Anruf auf der Mailbox des Bild-Chefredakteurs als versuchte Einflussnahme auf die Berichterstattung zu bewerten".

*Textauszug aus "Christian Wulff: Ganz oben Ganz unten", 259 Seiten mit 15 farbigen Abbildungen, gebunden 19,95 Euro, E-Book 15,99 Euro, Copyright Verlag C.H.Beck 2014

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