Nach Eroberung von Mossul:Islamisten nehmen weitere Gebiete im Nordirak ein

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Irakische Kinder untersuchen ein Autowrack - im Hintergrund stehen Rauchwolken über der eingenommenen Stadt Mossul (Foto: REUTERS)

Radikale Milizionäre erobern nach der Stadt Mossul und der umliegenden Provinz weitere Gebiete im Nordirak - und kommen damit Bagdad näher. Hunderttausende sind auf der Flucht, die Bundesregierung sieht den Vormarsch der Islamisten mit "allergrößter Sorge".

Kämpfer der radikalen Miliz Islamischer Staat im Irak und Syrien (ISIS) rücken vom Nordirak aus weiter vor: Nach der Provinz Ninive (Ninawa) und Teilen der Provinz Kirkuk haben die Dschihadisten am Dienstag im Irak auch Gebiete in der zentralen Provinz Salaheddin (Salah ad-Din), die an Bagdad grenzt, unter ihre Kontrolle gebracht.

Die Islamisten versuchen nun, auch die Industriestadt Baidschi zu erobern. "ISIS-Kämfper sind über Nacht aufmarschiert und haben das Gerichtsgebäude sowie eine Polizeiwache im Stadtzentrum in Brand gesteckt", berichtete ein Sicherheitsvertreter dem unabhängigen Fernsehsender Al-Sumaria News. Zudem hätten die Extremisten Waffen der Streitkräfte beschlagnahmt. Ob ISIS die Stadt bereits erobert hat, ist noch unklar. Widersprüchlichen Meldungen zufolge konnten Sicherheitskräfte einen Angriff zurückschlagen. Baidschi liegt auf dem Weg vom Norden in Richtung Bagdad und ist wegen seiner Ölraffinerie und seines Kraftwerks von Bedeutung.

Waffen für Syrien?

Bei ihrem Vormarsch sollen die Dschihadisten auch mehrere Sicherheitskräfte exekutiert haben. Das gaben ein Polizeioffizier und Mitarbeiter der örtlichen Behörden bekannt. Demnach wurden in Rijad sechs, in Raschad vier und am Kontrollposten Talkijah fünf Sicherheitskräfte getötet. Der für Notstandsmaßnahmen zuständige Direktor bei Human Rights Watch, Peter Bouckaert, sagte, ISIS habe auf ihrem Feldzug zudem große Waffenarsenale der irakischen Armee erbeutet. Die Waffen könnten die Islamisten Isis nun in das Bürgerkriegsland Syrien einschleusen.

Bereits seit Januar halten ISIS-Kämpfer die Stadt Falludscha sowie weitere Teile der Provinz Anbar westlich von Bagdad. Am Dienstag hatten die ISIS-Kämpfer bereits Mossul, die zweitgrößte Stadt des Landes erobert. Dort besetzten sie Regierungsgebäude und den Flughafen. Medienberichten zufolge befreiten sie auch Häftlinge aus Gefängnissen. Etwa eine halbe Million der insgesamt drei Millionen Einwohner Mossuls sind auf der Flucht.

Es ist das erste Mal, dass Rebellen im Irak eine ganze Provinz unter ihre Kontrolle bringen. Nach Informationen der New York Times arbeiten die Aufständischen bereits an der Eroberung weiterer Gebiete. Offenbar haben sie eine Hauptzufahrtsstraße abgeschnitten, die Bagdad mit gesicherten Ortschaften nahe Kirkuk verbindet.

USA sprechen von "extrem ernster Lage"

Die irakische Führung will zusammen mit der kurdischen Regionalregierung die islamistischen Rebellen aus der nordirakischen Metropole Mossul wieder vertreiben. "Es wird eine engere Kooperation zwischen Bagdad und der Regionalregierung in Kurdistan geben, um gemeinsam die ausländischen Kämpfer zu verjagen", sagte der irakische Außenminister Hoschjar Sebari. Sie seien eine "ernste und tödliche" Bedrohung für sein Land, sagte der Minister am Rande eines Treffens zwischen der Arabischen Liga und der EU in Athen. Alle Anführer im Irak müssten sich gemeinsam gegen die Aufständischen stellen, forderte Sebari. "Die Antwort auf das, was geschehen ist, muss rasch kommen." Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigte zudem an, Freiwillige für den Kampf gegen die Extremisten zu bewaffnen und die Ausrufung des Notstands zu beantragen.

International wächst die Sorge angesichts der Entwicklungen im Irak. Die Bundesregierung sieht die Entwicklung mit "allergrößter Sorge". Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, appellierte an die verschiedenen politischen Lager, ihren Machtkampf zu beenden und sich schnell auf eine handlungsfähige Regierung zu einigen. Ministeriumssprecher Schäfer verurteilte die Terroranschläge sowie die Besetzung von Städten und Provinzen "auf das Schärfste".

Das US-Außenministerium spricht von einer "extrem ernsten Lage". Die USA stünden angesichts der aktuellen Bedrohung an der Seite der irakischen Bevölkerung. Man werde weiterhin eng mit Regierung und Sicherheitskräften zusammenarbeiten, um die Handlungsfähigkeit von ISIS innerhalb des Iraks einzudämmen. "ISIS ist nicht nur eine Bedrohung für die Stabilität im Irak, sondern für die ganze Region."

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte die Einnahme der Millionenstadt. Ban rief die führenden Politiker des Landes dazu auf, sich geeint gegen diese Bedrohungen zu zeigen. Den betroffenen Zivilisten müsse humanitäre Hilfe zukommen. Die Vereinten Nationen und ihre Unterstützungsmission im Irak (Unami) stünden bereit, um dabei zu helfen.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/Reuters/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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