US-Abzug aus dem Irak:Selber schuld

Was derzeit im Irak passiert, ist für die US-Regierung ein Albtraum. Zweieinhalb Jahre nach dem Ende des amerikanischen Einsatzes im Irak marschieren islamistische Kämpfer auf Bagdad zu. Nicht nur konservative Politiker sagen jetzt, dass der US-Abzug überhastet war.

Von Hubert Wetzel

Es ist erst einige Tage her, da sprach Barack Obama vor jungen Offizieren und lobte seine Außenpolitik. Den Krieg im Irak habe er beendet, die amerikanischen Truppen von dem fernen Wüstenschlachtfeld heimgeholt, sagte der US-Präsident. Auch der Kampfeinsatz in Afghanistan gehe dem Ende zu, die Führungsspitze der Terrororganisation al-Qaida sei vernichtet. Tatsächlich gibt es kaum einen politischen Erfolg, den Obama so oft und so ausdrücklich betont, wie die Beendigung jener blutigen Kriege, die sein Vorgänger George W. Bush begonnen hatte.

Für die US-Regierung ist das, was derzeit im Irak passiert, daher ein Albtraum. Dass nun - zweieinhalb Jahre nach dem Ende des US-Einsatzes im Irak - islamistische Kämpfer auf Bagdad marschieren, die derart fanatisch und brutal sind, dass sogar die übrig gebliebenen Al-Qaida-Führer sich von ihnen distanzieren, lässt den amerikanischen Abzug weniger erfolgreich aussehen. Und es könnte ein böses Beispiel dafür sei, was Afghanistan bevorsteht, wenn die US-Soldaten in den nächsten Monaten und Jahren abrücken.

Aus Obamas Sicht war die Invasion von Anfang an ein monumentaler Fehler

Die Debatte darüber, wer Schuld an dem Desaster im Irak trägt, hat in den USA spätestens nach dem Fall von Mossul mit voller Wucht eingesetzt. Konservative Politiker und Militärfachleute werfen Obama vor, die US-Truppen überstürzt aus dem Irak abgezogen und das Land sich selbst überlassen zu haben. Man kann das durchaus so sehen: Bush hatte den Bürgerkrieg im Irak zwischen Schiiten und Sunniten zunächst durch eine massive Aufstockung der amerikanischen Truppen im Jahr 2007 einigermaßen unter Kontrolle gebracht und dann die Abzugsmodalitäten mit Bagdad verhandelt. Danach mussten die US-Soldaten die irakischen Städte bis Mitte 2009 verlassen und bis Ende 2011 vollständig abziehen. Anfang 2009 kam Obama ins Amt, doch unter seiner Ägide scheiterten Gespräche mit Bagdad über eine mögliche Verlängerung der Stationierung von US-Soldaten. Konservative Kritiker behaupten nun, dass der jetzige Vormarsch der Islamisten hätte verhindert werden können, wenn noch US-Truppen im Irak wären.

Aber das ist Spekulation. Ebenso unklar ist, ob Obama die Gespräche mit Bagdad über eine längere US-Militärpräsenz wirklich willentlich scheitern ließ, oder ob nicht doch die Iraker - unter dem Druck Irans - die Schuld daran tragen. Sicher ist wohl nur, dass der Irakkriegsgegner Obama kein großes Interesse hatte, noch lange Soldaten - schon gar nicht Kampftruppen - in dem Land zu belassen. Das hätte wohl auch die amerikanische Öffentlichkeit nicht mitgetragen: Obama wurde 2008 auch wegen seines Versprechens gewählt, den Krieg im Irak zu beenden. Aus Obamas Sicht war die Invasion schlicht ein monumentaler Fehler. Aus diesem Grund stießen auch die Bitten der irakischen Regierung, Amerika möge Luftangriffe auf die Lager und Stellungen der Isis-Kämpfer fliegen, in Washington zunächst auf Ablehnung.

Obamas Unterstützer geben die Schuld an der Lage ohnehin vor allem dem irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki. Der Schiit habe alle Mahnungen, er müsse auch die Sunniten politisch im neuen Staat Irak einbinden, ignoriert und so dem Vormarsch der sunnitischen Terroristen den Boden bereitet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: