Britischer Premier Cameron:"Juncker wurde von niemandem gewählt"

Informal summit of four European centre-right leaders

David Cameron verschärft noch einmal deutlich den Ton.

(Foto: dpa)

David Cameron macht Stimmung gegen Jean-Claude Juncker - und verschärft noch einmal deutlich den Ton: In der "Süddeutschen Zeitung" lehnt der britische Premier den Spitzenkandidaten der Konservativen sogar namentlich als Chef der Europäischen Kommission ab.

Von Cerstin Gammelin und Daniel Brössler, Brüssel

Im Streit um den Präsidenten der nächsten Europäischen Kommission hat der britische Premierminister David Cameron den Kandidaten Jean-Claude Juncker erstmals direkt abgelehnt. "Die Bürger, die zur Wahl gingen, wollten ihren Europaabgeordneten wählen, nicht den Kommissionspräsidenten. Juncker kandidierte nirgendwo und wurde von niemandem gewählt", schreibt Cameron in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung.

Damit verschärft der Brite noch einmal deutlich den Ton - und das pünktlich zu den am Donnerstag begonnenen Sondierungsgesprächen zwischen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und den politischen Parteien im Europaparlament und in den nationalen Hauptstädten. Van Rompuy ist von den 28 Staats- und Regierungschefs beauftragt, sowohl geeignete Personen für die zu besetzenden Spitzenjobs als auch die wichtigsten Inhalte für die Europapolitik der kommenden fünf Jahre zu sondieren. Auf dem EU-Gipfel am 26./27. Juni will Van Rompuy einen europaweit abgestimmten Vorschlag vorlegen. Auf Grundlage dieses Kompromisses will der Europäische Rat dann zunächst einen Kandidaten als Kommissionspräsidenten vorschlagen, der anschließend vom Europaparlament gewählt werden muss.

Der frühere Luxemburger Premierminister hat als Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten und Christsozialen (EVP) die Parteienfamilie zum Sieg bei den Europawahlen geführt und soll deshalb nach dem Willen des Parlaments Präsident der Europäischen Kommission werden. Cameron lehnt das rigoros ab.

Am Donnerstag traf Van Rompuy die Verhandlungsführer der Fraktionen im Europäischen Parlament. EVP-Chef Manfred Weber sagte anschließend, er habe Van Rompuy in der "partnerschaftlich" geführten Unterredung mitgeteilt, dass das Parlament erwarte, "dass der Rat Jean-Claude Juncker vorschlägt". Die EVP, größte Fraktion im Europaparlament, stehe "geschlossen hinter Juncker". Martin Schulz erklärte für die Sozialisten und Sozialdemokraten, es sei "demokratische Tradition", dass der Wahlgewinner das Mandat bekomme. "Deshalb unterstützen wir als Sozialdemokraten den Auftrag an Juncker."

Die große Koalition aus Sozialisten und Christdemokraten hat eine Mehrheit von knapp 40 Stimmen. Weber kündigte an, mit den Sozialisten in den nächsten Tagen einen "balancierten Vorschlag" zu verhandeln, auf dessen Grundlage im Parlament zusammengearbeitet und Juncker als Kommissionspräsident gewählt werden könne. Der Vorschlag soll einen Spitzenjob für den bei den Wahlen unterlegenen Schulz beinhalten. Weber und Schulz forderten die Briten auf, den Widerstand gegen Juncker aufzugeben und inhaltlich zu kooperieren. Man wolle gemeinsam Reformen vorantreiben und sei "offen für alle Ideen, die aus London kommen", sagte Weber. Schulz sagte, er wünsche sich, "dass Großbritannien in der EU bleibt".

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