Gewalt im Irak:Warum Amerika nicht wegschauen darf

Gewalt im Irak: Flucht aus Mossul: Zivilisten in der überwiegend von Kurden bewohnten Stadt versuchen sich vor den anrückenden Isis-Kämpfern in Sicherheit zu bringen.

Flucht aus Mossul: Zivilisten in der überwiegend von Kurden bewohnten Stadt versuchen sich vor den anrückenden Isis-Kämpfern in Sicherheit zu bringen.

(Foto: AP)

Nicht George W. Bush und ein paar Spießgesellen sind 2003 im Irak einmarschiert, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Damit hat Washington Verantwortung für das Land übernommen. Präsident Obama muss sich endlich persönlich und ernsthaft um den Nahen Osten kümmern - sonst ertrinkt die Region in Blut.

Ein Kommentar von Hubert Wetzel

Am 11. Oktober 2002, kurz nach Mittag, gab der US-Senat dem damaligen Präsidenten George W. Bush freie Hand für einen Angriff auf den Irak. Mit 77 zu 23 Stimmen billigte die Parlamentskammer die entsprechende Kriegsresolution.

Unter den Senatoren, die mit "Yea" stimmten, waren: Joe Biden, Hillary Clinton, John Kerry und Chuck Hagel - mithin fast die ganze außen- und sicherheitspolitische Mannschaft des jetzigen Präsidenten Barack Obama. Biden ist heute Vizepräsident, Clinton war Obamas erste Außenministerin, Kerry hat dieses Amt derzeit inne, Hagel ist Verteidigungsminister.

Barack Obama sollte sich daran erinnern, wenn er nun überlegt, wie er auf den Vormarsch der sunnitischen Terroristen im Irak antworten soll. Der Präsident tut gern so, als sei der Krieg im Irak nur ein blutiger Restposten gewesen, den sein Vorgänger Bush ihm hinterlassen und den er habe wegräumen müssen.

"Bau keinen Scheiß!"

Aber das ist falsch. Nicht Bush und ein paar Spießgesellen sind 2003 im Irak einmarschiert, sondern die Vereinigten Staaten. Amerika hat damit eine Verantwortung für das Land übernommen, die nicht einfach mit dem Abzug der amerikanischen Soldaten aus dem Irak Ende 2011 erloschen ist. Man kann gut verstehen, warum Obama davor zurückscheut, sich wieder ins irakische Chaos verstricken zu lassen. Er war heilfroh, als der letzte GI das Land verlassen hatte, und wohl auch, als die Gespräche mit Bagdad über eine längere Truppenstationierung scheiterten.

Obamas ganze Außenpolitik fußt auf dem Versprechen an die Amerikaner, nicht in derartige Militärabenteuer zu stolpern. Er selbst fasst seine sicherheitspolitische Doktrin in diesem einen Satz zusammen: "Bau keinen Scheiß!" Und der Irak-Krieg war: Scheiß.

Eitler Außenminister auf der Jagd

Aber durch Abhauen, Wegschauen und Raushalten wird kein Problem gelöst. Das hat in Syrien nicht funktioniert, das inzwischen zu einem Höllenloch für die Zivilbevölkerung und zu einem Durchlauferhitzer für Dschihadisten geworden ist. Es wird auch im Irak nicht funktionieren, wohin sich der von Saudi-Arabien, Katar und Iran befeuerte syrische Bürgerkrieg nun ausgebreitet hat. Wenn man Obama reden hört, hat man den Eindruck, für ihn seien die Kämpfe nur lokale Zänkereien um staubige Wüstenflecken. Dass dort die Neuordnung einer ganzen Weltgegend ausgekämpft wird, dass sich dort Terroristenrefugien bilden wie einst in Afghanistan, scheint dem Präsidenten nicht bewusst oder egal zu sein. Obama muss endlich anfangen, sich um den Nahen Osten zu kümmern - und zwar ernsthaft, persönlich, mit einem strategischen Plan, anstatt nur seinen eitlen Außenminister das Phantom eines Friedensschlusses zwischen Israel und den Palästinensern jagen zu lassen. Einige Luftangriffe auf Terroristen reichen nicht. Die USA werden militärisch und diplomatisch enormen Druck machen müssen, wenn sie verhindern wollen, dass die Region im Blut ertrinkt. Die Alternative zu dem, was Obama "Scheiß" nennt, ist ein Albtraum, der zuerst Europa, irgendwann aber auch Amerika quälen wird.

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