Kämpfe in der Ostukraine:Prorussische Separatisten besetzen Zentralbankfiliale

-

Prorussische Kämpfer vor der Filiale der Zentralbank in Donezk. Um den Geldfluss nach Kiew zu stoppen, haben sie das Gebäude besetzt

(Foto: AFP)

"Wir brauchen das Kapital hier": Mit dieser Argumentation haben prorussische Separatisten die Filiale der Zentralbank in der Ostukraine besetzt. Ihr Ziel ist es, den Geldfluss nach Kiew zu stoppen.

  • Prorussische Separatisten besetzen Zentralbankfiliale in Ostukraine, um Geldfluss an Kiew zu unterbinden
  • Russland stoppt Gaslieferungen an Ukraine
  • Hunderte ukrainische Demonstranten randalieren vor russischer Botschaft in Kiew, Moskau reagiert scharf
  • Nato dokumentiert mutmaßliche russische Intervention im Osten der Ukraine
  • Präsident Poroschenko will die Grenzregion wieder unter Kontrolle bringen

Zentralbanfiliale in Donezk von Separatisten besetzt

Mit Waffengewalt haben prorussische Separatisten in der Ostukraine die Filiale der Zentralbank in Donezk unter ihre Kontrolle gebracht. Die Aufständischen wollten damit jeglichen Geldfluss aus der krisengeschüttelten Region an die Zentralmacht in Kiew unterbinden, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. "Wir brauchen das Kapital hier", sagte er örtlichen Medien zufolge. Derzeit werde mit Behördenvertretern die Übernahme der regionalen Finanzbehörden durch die selbsterklärte Volksrepublik Donezk vorbereitet, sagte ein Kämpfer der Nachrichtenagentur AFP.

Russland liefert kein Gas mehr an die Ukraine

Nach dem Scheitern der Verhandlungen im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine hat Gazprom seine Gaslieferungen an das Nachbarland eingestellt. Der russische Staatskonzern Gazprom erklärte, er habe die Lieferungen für die Ukraine auf ein Vorauszahlungssystem umgestellt - was einem Lieferstopp entspricht, da Kiew bislang kein Geld für künftige Gaslieferungen gezahlt hat. Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sprach von einer "weiteren Stufe der russischen Aggression gegen den ukrainischen Staat". Die Ukraine schuldet Russland für bereits geliefertes Gas insgesamt 4,5 Milliarden Dollar (3,3 Milliarden Euro). Neben der Begleichung der Schulden geht es in dem Streit auch um den Preis für künftige Lieferungen. Russland will in Zukunft die Ukraine nur noch gegen Vorkasse beliefern und hat die Europäische Union vor Lieferproblemen gewarnt, wenn die Ukraine für den Transit bestimmtes Gas für den Eigengebrauch abzweige. Bei einem Gaskrieg zwischen Moskau und Kiew 2009 kam es auch zu Engpässen in der Europäischen Union. Die Regierung in Kiew hatte Vorwürfe des Gasdiebstahls stets zurückgewiesen. EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der zwischen beiden Seiten vermittelt, strebt weitere Gespräche noch in diesem Monat an. Sowohl die Ukraine als auch Russland wollen den Konflikt nun gerichtlich klären lassen. Der ukrainische Energieversorger Naftogaz reichte bei der internationalen Schiedsstelle für Handelsstreitigkeiten in Stockholm Klage gegen Gazprom wegen zu hoher Preise von aktuell 485,5 US-Dollar je 1000 Kubikmeter Gas ein. Gazprom wiederum klagt vor dem Gericht wegen der Milliarden-Rückstände von Naftogaz.

Ausschreitungen vor russischer Botschaft in Kiew

Das russische Außenministerium hat Ausschreitungen vor der Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew scharf verurteilt. Man sei empört über den "Angriff" auf die Vertretung und die Tatenlosigkeit der ukrainischen Sicherheitskräfte, sagt ein Behördensprecher in Moskau. Nach dem Abschuss des Militärflugzeugs in der Ostukraine hatten Hunderte Demonstranten vor der russischen Botschaft in Kiew gegen Moskaus Unterstützung der Aufständischen protestiert und dabei mit Eiern und Feuerwerkskörpern geworfen und Autos von Botschaftsangehörigen demoliert. Die Polizei griff zunächst nicht ein. Moskau hat mehrfach betont, keinen Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine zu haben. Die US-Regierung hat den Angriff ukrainischer Demonstranten auf die russische Botschaft ebenfalls verurteilt und die Ukraine aufgefordert, die Sicherheit der diplomatischen Vertretung zu gewährleisten.

Nato veröffentlicht Bilder von mutmaßlichen russischen Panzern

Die Nato erhebt schwere Vorwürfe gegen Russland. Drei russische Pnazer und mehrere gepanzerte Fahrzeuge seien auf ukrainisches Staatsgebiet vorgedrungen und in der Region Donezk gesichtet worden, teilt die Militärallianz in Brüssel mit. Die Nato hat am Samstag entsprechende Satellitenaufnahmen veröffentlicht. Die Panzer trügen keine Markierungen und hätten keinen Tarnanstrich wie jene des ukrainischen Militärs. Dass die Panzer keine Hoheitsabzeichen hätten, erinnere an die "Taktik" bei der Einnahme und Einverleibung der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland. Die Nato erklärte, die Bilder würfen "bedeutsame Fragen hinsichtlich der Rolle Russlands bei der Förderung der Instabilität im Osten der Ukraine" auf. Am Freitag hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen vor einer "ernsten Eskalation der Krise in der Ostukraine" gewarnt.

Nato veröffentlicht Fotos von mutmaßlichen russischen Panzern in der Ukraine

Militärlager in Rostow am Don: Im linken Bild vom 30. Mai ist laut Nato eine größere Anzahl von gepanzerten Fahrzeugen zu sehen. Im mittleren Foto, aufgenommen am 6. Juni, sind diese Fahrzeuge verschwunden, dafür aber acht Kampfpanzer hinzugekommen. Auf der rechten Aufnahme vom 11. Juni sollen zehn Kampfpanzer zu sehen sein.

(Foto: Nato)

Poroschenko will Grenze sichern und bereitet Friedensplan vor

Eine Waffenruhe in der Ostukraine kann es nach den Worten von Präsident Petro Poroschenko erst geben, wenn die Grenzregion zu Russland wieder voll unter Kontrolle der Regierungstruppen ist. Dies sollten die Streitkräfte noch in dieser Woche umsetzen, sagte Poroschenko am Montag vor Kommandeuren der Sicherheitskräfte. Wenn die Grenze gesichert sei, sollten die Waffen schweigen und alle Anstrengungen unternommen werden, sich auf einen Friedensplan zu einigen. Dieser werde auch Vorschläge für eine Verfassungsänderung beinhalten, um den Regionen mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen. Nach dem Abschuss einer ukrainischen Militärmaschine durch mutmaßliche Separatisten im Osten des Landes hatte er den Separatisten mit Vergeltung gedroht. Die Tat sei ein "zynischer Akt des Terrors, der bestraft werden wird", erklärte Poroschenko. Die Militärmaschine war nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew von prorussischen Rebellen beim Landeanflug auf die ostukrainische Stadt Lugansk abgeschossen worden. Die IL-76 ist ein schweres Transportflugzeug mit vier Düsentriebwerken, das laut dem Hersteller knapp 150 Soldaten, aber auch schwere Ausrüstung wie Panzer oder Geschütze transportieren kann.

Internationale Kritik an Russland

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande fordern nach dem Abschuss der ukrainischen Maschine Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu effektiveren Grenzkontrollen auf. Ein Waffenstillstand sei dringend nötig. Damit dieser aber von Dauer sein könne, müsse Russland den Zustrom von Waffen und Kämpfern in die Ukraine eindämmen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mahnt ebenfalls stärkere Grenzkontrollen an. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hingegen verlangt von seinem US-Kollegen John Kerry, die ukrainische Regierung zu einem Ende ihres Militäreinsatzes im Osten des Landes zu bewegen. Die USA müssten ihren "Einfluss" auf die ukrainische Regierung nutzen, um dieser "eine realistischere Einschätzung der Situation" zu vermitteln, sagte Lawrow nach russischen Angaben in einem Telefonat mit Kerry.

Lesen Sie hier die Entwicklungen vom Vortag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: