Haftung bei Hilfsleistungen:Vorsicht, netter Nachbar!

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Schön, dass es hilfsbereite Mitmenschen gibt. Aber wenn beim Möbelaufbauen oder anderen Arbeiten etwas kaputt geht, kommt es oft zum Streit. Wer haftet dann für was?

Von Catrin Gesellensetter, München

Möbel mit schwedischen Namen sind mitunter tückisch. Aufbau und Transport haben schon so manchen zur Verzweiflung gebracht. Wenn dann schließlich ein Freund Regale oder Schränke an die Wand gedübelt hat, ist nicht unbedingt gesagt, dass sie dort auch hängen bleiben. Doch wer kommt für den Schaden auf, wenn sich kurz nach der Montage die Dübel lockern und das Möbelstück auf den teuren Parkettboden kracht?

Die Antwort darauf ist fast so kompliziert wie manche Montageanleitung von Selbstbau-Möbeln. Zwar schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich vor, dass derjenige, der eine fremde Sache beschädigt oder eine Person verletzt, dafür gerade stehen muss. Wie so oft in der Juristerei gilt diese Regel aber nicht ausnahmslos. "Bei Freundschaftsdiensten und Gefälligkeiten erscheint es oft als nicht angemessen, hilfsbereite Mitmenschen denselben strengen Haftungsregeln zu unterwerfen wie gewaltbereite Randalierer", sagt Hans-Jürgen Müggenborg, Rechtsanwalt in Aachen. "Zumindest bei privaten Helfern unterstellen die Gerichte daher oft, dass die Parteien stillschweigend einen Haftungsausschluss vereinbart haben." Folge: Schadensersatz und Schmerzensgeld gibt es nur, wenn ein Helfer vorsätzlich oder grob fahrlässig etwas kaputt gemacht hat. Fehlte dem Nachbarn einfach das letzte Quäntchen Können bei seinen Hilfsleistungen, kann er sich auf das Haftungsprivileg berufen - und der Geschädigte hat erst einmal Pech gehabt.

Unbewusster Vertrag

Jedoch fällt nicht alles, was gemeinhin als Gefälligkeit verstanden wird, auch nach juristischen Kriterien in diese Kategorie. "Oft kommt zwischen den Parteien ein Vertrag zustande, ohne dass ihnen das bewusst ist", warnt Müggenborg. Dann muss der Verursacher des Schadens dafür auch finanziell gerade stehen. Um einen solchen Vertrag (und damit einen Teil der Haftung) auszuschließen, reicht es nicht, dass jemand unentgeltlich gearbeitet hat - vor allem, wenn der Helfer über spezielles Fachwissen verfügt und deshalb zu Rate gezogen wurde. Ein Anwalt, der pro bono einen Freund vertritt, kann sich daher ebenso wenig auf Haftungsprivilegien berufen wie der Architekt, der auf der Baustelle eines Bekannten unentgeltlich die Bauplanung übernimmt (OLG Köln, Az. 11 U 16/05). Selbst Laien sind unter bestimmten Umständen für die Folgen fehlerhafter, unentgeltlicher Hilfsleistungen verantwortlich.

"Wenn ein Helfer, etwa bei einem Umzug, an einem ganz bestimmten Tag ganz bestimmte Arbeiten übernehmen soll und klar ist, dass es dabei um wertvolle Wirtschaftsgüter geht, wird man wohl nicht mehr von einer schieren Gefälligkeit sprechen können", erläutert Anwalt Müggenborg. "Die Gerichte nehmen auch hier an, dass die Parteien stillschweigend einen Vertrag geschlossen haben. Helfer schulden damit eine fehlerfreie Leistung - auch wenn sie nicht bezahlt werden."

Umgekehrt kann es passieren, dass Geschädigte selbst dann auf Schäden sitzen bleiben, wenn sie für eine Dienstleistung bezahlt haben. Wer also dem Studenten aus dem Nachbarhaus ein paar Scheine zusteckt, weil dieser während des Kita-Streiks spontan als Babysitter einspringt, muss etwaige Ketchup-Flecken auf dem Teppich auf eigene Kosten entfernen lassen. "Je spontaner die Hilfe zugesagt und erbracht wird, desto eher gelten sie als Gefälligkeiten - auch wenn dafür Geld geflossen ist" , so Müggenborg.

Glücklich ist, wer in solchen Fällen auf seine private Haftpflichtversicherung verweisen und den Schaden über sie regulieren kann. Das aber klappt nicht immer. Eine Studie der GfK im Auftrag der Gothaer Versicherung belegt zwar, dass etwa 80 Prozent der Deutschen eine solche Police besitzen. Welche Leistungen das Produkt umfasst, wissen aber nur die wenigsten. "Die meisten Standardprodukte kommen für Schäden in diesem Bereich nicht auf ", warnt Jörg Deppner, Versicherunsgberater aus Hilpoltstein. Das Gros der Gesellschaften habe zwar mittlerweile höherwertige Tarife im Angebot, die auch bei Gefälligkeiten zahlten, vergleichen sei dennoch Pflicht.

"Die Deckungssumme liegt oft bei gerade einmal 5000 Euro für Gefälligkeitsschäden, einige Anbieter zahlen bis zu 100 000 Euro", so der Experte. "Wer einen Vertrag schließt oder sich nicht mehr sicher ist, wie weit der eigene Versicherungsschutz reicht, sollte sich daher kundig machen und das Schutzniveau so hoch wie möglich ansetzen." Die Kosten für das Upgrade seien in der Regel sehr überschaubar. Wer statt der niedrigsten die höchste Deckungssumme wähle, zahle pro Jahr oft nur ein paar Euro mehr.

Allerdings warnt der Experte davor, die Leistungen der Versicherung leichtfertig in Anspruch zu nehmen. Denn nach jedem gemeldeten Schaden können Versicherer den Vertrag kündigen - unabhängig davon, ob sie 50 oder 50 000 Euro bezahlen mussten. "Wer erst einmal rausgeflogen ist, tut sich oft schwer, eine neue Police mit vernünftigen Konditionen zu bekommen", so Deppner. Er rät daher, einen Selbstbehalt von 150 Euro zu vereinbaren - hierfür gibt es auch einen Rabatt auf den Beitrag. "Gute Anbieter lassen bis zu 50 Euro pro Jahr nach, wenn der Kunde kleinere Schäden selbst begleicht."

© SZ vom 16.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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