Mord an Neunjährigem:Staatsanwaltschaft prüft Spuren zu NSU-Mann Böhnhardt

1993 wurde die Leiche eines neun Jahre alten Jungen am Saale-Ufer in Jena gefunden. Jetzt untersucht die Staatsanwaltschaft den Fall erneut. Unter Verdacht: der spätere NSU-Terrorist Böhnhardt und einer seiner Jugendfreunde.

Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt: Vor fast 21 Jahren, am 6. Juli 1993, verschwand ein neun Jahre alter Schüler aus Jena. Zwölf Tage später wurde seine Leiche in einem Gebüsch am Ufer der Saale gefunden.

Bereits damals geriet der spätere NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt ins Visier der Ermittler, doch man konnte ihm nichts nachweisen. Dasselbe galt für den zweiten Verdächtigen.

Nun hat die Staatsanwaltschaft Gera die Ermittlungen wieder aufgenommen. Das bestätigte der Sprecher Jens Wörmann der Nachrichtenagentur dpa. Bei dem zweiten Verdächtigen handelt es sich um Enrico T., einen der mutmaßlichen Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), der später geholfen haben soll, die Mordwaffe vom Typ "Ceska" zu beschaffen. Mit ihr soll das NSU-Trio neun Kleinunternehmer mit türkischen und griechischen Wurzeln ermordet haben.

Bessere Auswertungsmethoden und belastende Aussagen

Anlass für die Wiederaufnahme der Ermittlungen in dem Mordfall des kleinen Jungen seien "verbesserte Möglichkeiten, Spuren auszuwerten", sagt Wörmann. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) sei eingeschaltet. Auch mehrere Vernehmungen zu den Verbrechen des NSU hätten die neuen Vermittlungen ausgelöst. Ein Aussteiger aus der Jenaer Neonazi-Szene hatte behauptet, Enrico T. stehe auf "kleine Kinder".

T. war bereits kurz nach dem Auffinden der Kinderleiche unter Verdacht geraten. Nur wenige Meter von dem Toten entfernt lag ein weißer Außenbordmotor. Wie sich herausstellte gehörte er Enrico T.

Mit dem Radlader in eine Bankfiliale

Die Polizei betrieb damals erheblichen Ermittlungsaufwand. T. bestritt in einer Polizeivernehmung im Jahr 2012 aber vehement, mit dem Mord etwas zu tun zu haben. Sein Boot mitsamt Außenbordmotor sei ihm gestohlen worden. Er habe es vor dem Verschwinden des Jungen eine Woche lang vergeblich gesucht. Der Einzige, der gewusst habe, wo es lag, sei Böhnhardt gewesen. Beide seien häufig zusammen auf der Saale herumgefahren. Dann sei die Freundschaft zu ihm aber zerbrochen. Als er von den Morden des NSU-Trios gelesen habe, habe er vermutet, Böhnhardt könne Bernd Beckmann ermordet und versucht haben, ihm die Tat "in die Schuhe zu schieben".

Böhnhardt und T. gehörten Anfang und Mitte der 90er Jahre derselben Jugendbande in Jena an. Beide galten als hoch kriminell. Böhnhardt wurde im Februar 1993 wegen mehrerer Diebstähle und Körperverletzung zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Im Juni 1993, wenige Wochen vor dem Verschwinden des Jungen, kam er frei. Im August darauf, nur wenige Tage, nachdem die Leiche am Saaleufer gefunden worden war, stand er erneut vor Gericht.

Enrico T. fiel 1993 ebenfalls mit seiner ersten schweren Straftat auf. Er soll versucht haben, mit einem gestohlenen Radlader die Front einer Bankfiliale einzufahren.

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