Fahrbericht VW Gol:VW Gol gegen VW Golf

Die Brasilianer lieben ihn: Im Namen fehlt dem Gol nur ein Buchstabe, aber in Technik und Größe bleibt das brasilianische VW-Modell weit hinter seinem europäischen Bruder Golf zurück. Ein interkontinentaler Vergleich.

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VW Gol Seleçaõ

Quelle: STG

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Im Namen fehlt ihm nur ein Buchstabe, aber bei Technik und Größe liegt der VW Gol weit hinter seinem europäischen Bruder Golf zurück. Dennoch steht er schon ewig an der Spitze der brasilianischen Zulassungsstatistik. Zeit für eine Kontaktaufnahme.

Als der VW Golf 1974 auf den Markt kam, parkte er direkt an der Spitze der deutschen Neuwagen-Verkaufscharts - und hat diese bis auf kurzfristige Ausnahmen seitdem nicht mehr verlassen. In Brasilien war Volkswagen, das bereits seit 1953 im größten südamerikanischen Land aktiv ist, einige Jahre später ähnlich erfolgreich. Der 1980 vorgestellte Gol entwickelte sich zum Bestseller und ist seit 1987 ununterbrochen auf Platz eins der Verkaufs-Hitliste. Inzwischen hat es der Kompaktwagen auf drei Modellgenerationen gebracht, von denen die letzte bereits mehrfach überarbeitet worden ist.

VW Gol Seleçaõ

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Ins Deutsche übersetzt bedeutet der Name des kleinen Gol-Volkswagens "Tor". Wie passend in dem fußballbegeisterten Land, dessen Bevölkerung auf den sechsten WM-Titel ihrer Nationalmannschafft hofft. VW nutzt die in den letzten Jahren immer intensiveren Beziehungen zum brasilianischen Fußballverband CBF, um sich ein wenig im Glanz der Fußball-WM zu sonnen, auch ohne dafür - wie die koreanischen Konkurrenten Hyundai und Kia - als offizielle Fifa-Sponsoren auftreten zu müssen. Das Sondermodell "Seleçaõ" trägt wie das gleichnamige Nationalteam einen gelben Dress und an den Flanken die legendäre "10" - die Rückennummer des aktuellen Fußballhelden Neymar und des ewigen Idols Pelé.

VW Gol Rallye

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Technisch ist die aktuelle Gol-Generation eine Mischung aus mehreren in die Jahre gekommenen Volkswagen-Plattformen. Der ausgelaufene Polo spendiert große Teile seines Unterbaus, hinzu kommen Komponenten von verschiedenen Golf-, Fox- und Polo-Generationen. Doch der anspruchslose Charakter des Gol kommt an beim brasilianischen Publikum, der Kompaktwagen gilt als treuer Begleiter und ist vergleichsweise günstig. Mittlerweile gibt es neben der Standardversion die Modelle "Track" und "Rallye" (Foto), die ein wenig Geländewagen-Charme versprühen, sowie Sparversionen und Sportvarianten des Bestsellers.

Der Innenraum des VW Gol

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Legt man europäische Maßstäbe an, geht es im Innenraum des VW Gol trostlos zu. Es gibt wenig Komfort und eine karge Serienausstattung. Die grauen Kunststoff-Oberflächen sind rustikal und lieblos gestaltet. Schalter sind rar und die Sicherheitsausstattung ist mehr als dünn. Doch selbst das tut dem Erfolg keinen Abbruch. Die Konkurrenz bietet in dieser Hinsicht nicht mehr und für Sicherheits- und Assistenzsysteme interessiert sich in Brasilien kaum jemand. Auch mit dem hohen Geräuschpegel im Interieur, einem Resultat aus mangelhafter Dämmung und fehlendem sechsten Gang, der auf der Autobahn die Drehzahlen senken würde, haben sich die VW-Gol-Fahrer arrangiert.

VW Gol Seleçaõ

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Als Antriebsquelle nutzt der VW Gol "Seleçaõ" einen 101 PS starken 1,6-Liter-Motor, der mit einem beliebigen Mischungsverhältnis von Ethanol und Benzin betrieben werden kann. Mit mehr als acht Litern Durchschnittsverbrauch ist das Triebwerk zwar nicht besonders sparsam, aber die Fahrleistungen sind für die in dieser Hinsicht eher genügsamen Brasilianer fast schon sportlich. Von null auf 100 km/h beschleunigt der Fronttriebler in rund zehn Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 188 km/h. Das maximale Drehmoment von 154 Nm bei 2500 Umdrehungen reicht aus, um den eine Tonne schweren Brasilianer flott zu bewegen.

Zur weiteren Serienausstattung des Sondermodells zählen eine manuelle Klimaanlage, Alufelgen, Bordcomputer, elektrische Fensterheber und eine Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung. Wirklich günstig ist es mit einem Preis von umgerechnet fast 16 000 Euro jedoch nicht.

VW Gol

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Das 72 PS starke Basismodell mit 1,0-Liter-Motor kostet bereits 11 000 Euro. Ein Großteil davon geht auf das Konto üppiger Steuern. Für sein Geld bekommt ein VW-Gol-Käufer ein Auto, das mit 3,90 Metern Außenlänge kleiner ist als ein hiesiger VW Polo der aktuellen Generation, wahlweise drei oder fünf Türen und eine solide Technik. Das Design zeigt sich unspektakulär, auf Schnörkel oder glänzenden Zierrat verzichtet der brasilianische Volkswagen komplett. Kein Problem, offenbar stehen die lateinamerikanischen Kunden nicht auf allzu extravagantes Design.

Allein wegen seines Aussehens wird der VW Golf aber auch in Europa nicht gekauft. Das meistverkaufte Auto Deutschlands tritt ähnlich dezent auf wie sein brasilianisches Pendant, strahlt aber einen Tick mehr Selbstbewusstsein aus. Zudem ist der Variantenreichtum ungleich größer. Neben dem Drei- und dem Fünftürer gibt es den Kombi "Variant", das Cabrio und neuerdings den Sportsvan. Hinzu kommt eine riesige Motorenpalette mit Benzin-, Diesel- und Erdgastriebwerken, die eine Leistungsspanne von 85 bis 300 PS im Golf R abdecken. Der E-Golf mit Elektroantrieb kommt in diesen Tagen auf den Markt und der Golf GTE, der über einen Hybridantrieb mit extern aufladbaren Batterien verfügt (Plug-In-Hybrid), rundet das Angebot ab.

Wenig überraschend ist der Golf preislich deutlich über dem Gol angesiedelt. Die günstigste Modellvariante, der 85 PS starke Dreitürer in der Basisausstattung "Trendline", kostet mindestens 17 325 Euro. Am teuersten ist das Golf R Cabrio mit einem Grundpreis von 43 850 Euro.

VW Gol Track

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Seit 1980 hat Volkswagen do Brasil mehr als sieben Millionen Exemplare des Gol produziert. Das bedeutet Platz fünf in der fast 70 Jahre währenden Geschichte des VW-Konzerns. Ein Ende des Erfolges ist nicht abzusehen, denn die Brasilianer kaufen weiterhin mit Vorliebe in der Klein- und Kompaktwagen-Klasse, der neben dem Gol noch die Renault-Modelle Clio und Sandero oder der Chevrolet Corsa gehören. Auch das ebenfalls in Brasilien produzierte kompakte SUV Ford Ecosport, die Fiat-Modelle Siena und Palio oder der Toyota Etios erreichen im größten Land Südamerikas beachtliche Absatzzahlen. Gleiches gilt für die kleinen Pick Ups Fiat Strada oder VW Saveiro Cross.

Die große Konkurrenz zeigt: Trotz des bisherigen Erfolges muss sich der VW Gol strecken, um seine Marktführerschaft beizubehalten. Das "Seleçaõ"-Sondermodell kann bei diesem Vorhaben helfen. Erst recht dann, falls die brasilianischen Fußballer am 13. Juli die WM-Trophäe in den Himmel von Rio de Janeiro strecken sollten.

© SZ.de/Press-inform/Stefan Grundhoff/hart/kabe
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