Deutscher Mittelstand:Was macht eigentlich ... Jürgen Kannewischer?

Deutscher Mittelstand: Das Friedrichsbad in Baden-Baden.

Das Friedrichsbad in Baden-Baden.

Der Mittelstand gilt als Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Aber womit verdienen die Familienunternehmer eigentlich ihr Geld? Wir stellen einige von ihnen vor. Diesmal spricht Jürgen Kannewischer über Thermen, Badegewohnheiten und knauserige Banken.

Von Elisabeth Dostert

Was machen Sie eigentlich?

Wir planen, bauen und betreiben Schwimmbäder. Wir sind häufig der Generalunternehmer, selbst kümmern wir uns um die technischen Anlagen, Architektur- und Bauleistungen vergeben wir weiter.

Wie viele haben Sie denn bis heute gebaut?

300 bis 400, ach schreiben Sie 300.

Das ist ein ziemlicher Unterschied!

Wir machen auch manchmal nur eine Studie oder den Entwurf. Wenn wir alles zählen, sind es vielleicht 2000. Vom Entwurf über die Planung bis einschließlich Bau sind es 300.

Wo stehen denn die meisten?

In Deutschland, ein paar auch in der Schweiz. Wir haben auch vor zwei Jahren ein Thermalbad in Moskau gebaut, aber das sind eher Exoten.

Wie kam es dazu?

Wir haben ein paar Beziehungen zu Moskau.

Die Firma

Kannewischer Holding AG

  • Sitz: Zug
  • Gegründet: 1972 von Bernd Kannewischer
  • Umsatz: circa 29 Millionen Euro
  • Mitarbeiter: circa 400
  • Gesellschafter: Jürgen und Stefan Kannewischer

Sie meinen, in Baden-Baden gibt es jede Menge Russen?

Nicht so viele, wie immer in den Zeitungen steht. Aber einer hat den Bürgermeister gefragt, wer so ein Bad bauen kann und der Bürgermeister hat uns genannt. Dem Russen gehört eine Baufirma, er hat ein 28-stöckiges Wohnhaus gebaut. In Moskau sind die beiden unteren Etagen unverkäuflich wegen der Einbruchsgefahr. Deshalb hat er da ein Bad eingebaut, um seine Wohnungen leichter loszuwerden. Das Haus liegt etwas außerhalb. Aber das Bad ist toll. Wir haben da so ein Goldei gebaut.

So eine Fabergé-Ei-Kopie?

Nein. Einen Ruheraum mit Blattgold verkleidet. Wir durften da alles machen, was wir in Deutschland nicht machen dürfen.

Wieso nicht machen dürfen?

Das zahlt hier keiner. Für den Russen spielte Geld keine Rolle.

Warum bauen Sie dann nicht mehr Schwimmbäder und Thermen in Russland, wenn dort Geld keine Rolle spielt?

In Russland muss man furchtbar aufpassen, dass man zu seinem Geld kommt. Wir haben genug in Zentraleuropa zu tun. Wir machen etwas in Russland, wenn jemand uns bittet...

...gegen Vorkasse..

...ja klar. Sonst habe ich doch keine Chance. In Russland zu versuchen, sein Honorar einzuklagen, ist aussichtslos. Ich habe mal versucht, eine Hermes-Bürgschaft für das Honorar zu bekommen. Die Versicherungssumme war fast so hoch, wie das Honorar selbst. Dann kann ich das auch lassen.

Was ist mit Dubai oder China?

Ich habe mal vor der orangenen Revolution ein Projekt in der Ukraine gemacht, das war damals schon schwierig. Ich war vor zwei Jahren in China, die wollten den Plan der Therme kaufen, die wir in Bad Ems gebaut haben, und eins zu eins in Lijang kopieren, bloß billiger. Lijang ist so ein chinesisches Mallorca. Wir haben dann ein wenig rumverhandelt. Am Ende ist nichts draus geworden.

Weshalb?

Der Denkmalschutz hat es abgelehnt, die wollten ein Pagodendach. Damit war es dann gegessen. Die haben sich dann einen japanischen Architekten geholt.

Wie ging die Reise um die Welt weiter?

Letztes Jahr war ich in den USA, in Montana. Ach ja die Amis.

Wie?

Ich glaube heute an die Geschichte, dass die in Wirklichkeit nie auf dem Mond waren. Wenn ich sehe, was für Technik die in ihre Bäder einbauen, sehr abstrus. Bei uns ist von der Technik nicht zu sehen, die verschwindet hinter den Wänden und im Keller. Im Yellowstone-Park habe ich ein Becken gesehen, da konnte man über einen alten Wasserhahn selbst die Temperatur des Wassers regeln.

Wie viele Thermen betreiben Sie in Deutschland?

Sechs an fünf Standorten. Die Caracalla-Therme und das Friedrichsbad hier in Baden-Baden, die Kiss-Salis-Therme in Bad Kissingen, die Emser Therme in Bad Ems, die Vitasol-Therme in Bad Salzuflen und die Spreewald-Therme in Burg, die gehört uns auch.

Wie ist denn das Durchschnittsalter der Besucher?

Das ist unterschiedlich. In Bad Kissingen liegt es so bei 52 und in Baden-Baden bei 46.

Sinkt das Alter eher oder steigt es?

Es gibt schon viele junge Leute, die gönnen sich am Freitagabend statt des Kinobesuchs die Therme.

Was heißt gönnen, was kostet der Eintritt?

Zwei Stunden in der Caracalla kosten 15 Euro.

Wo kommen denn Ihre Gäste her?

Hier in Baden-Baden kommt etwa die Hälfte der insgesamt 640 000 Gäste jährlich aus Frankreich, die Grenze ist ja nicht weit. Die bleiben schon mal drei, vier Stunden. Wir wollen natürlich, dass die den ganzen Tag bleiben, eine Massage buchen, das Solarium nutzen und was essen.

Wie viel Umsatz machen Sie hier in Baden-Baden?

Ungefähr 13 Millionen Euro.

Machen Sie noch Gewinn?

Mehr oder weniger.

Ist das an allen Standorten so?

Die ersten Jahre sind schwierig, es dauert zwei bis drei Jahre bis eine Therme läuft.

Jedem Bürgermeister sein Schwimmbad, das ist teuer

Gehen Sie auch öfters ins Bad?

Die Badehose ist für mich Berufsbekleidung.

Können Sie je nach Nationalität unterschiedliche Verhaltensweisen im Bad ausmachen?

Neulich hat sich wohl eine Italienerin ins Friedrichsbad verirrt. Die wusste wohl nicht, dass das ein FKK-Bad ist. Sie kommen rein, ziehen sich aus, kriegen ein Tuch und wandern dann von Station zu Station - ins Dampfbad, in die Sauna, zur Bürstenmassage, am Schluss kommen sie ins Vollbad und danach schlafen sie ein wenig. Die Zentral- und Nordeuropäer haben in der Regel kein Problem, im Friedrichsbad nackig rumzulaufen.

Ist das so?

Ja. Die Amerikaner, zum Beispiel, baden nie nackt, die gehen angezogen in die Sauna. Das geht gar nicht. Die Russen sind, was das anbelangt, auch eher prüde, die wollen lieber ein Separee.

Wie ging die Geschichte mit der Italienerin aus?

Nach der Massage hat sie furchtbar geheult, dass man ihr das Badetuch weggenommen hat. Sie hat dann wieder eins bekommen.

Haben Sie keine Hinweise in italienischer Sprache?

Nein - in Deutsch, Französisch, Englisch und Russisch, aber nicht auf Italienisch.

Haben Sie so viele Gäste aus Russland?

Etwa zehn Prozent sind Russen. Nicht so viele, wie es immer heißt. Die kaufen in Baden-Baden nur die Immobilien, die gehen aber nicht in die Therme. Ab und zu versucht auch eine Russe, mal eine Wodka-Flasche ins Bad zu schmuggeln. Im Bad schenken wie keinen Alkohol aus. Das passt nach unserem Empfinden nicht zu Wellness.

Viele Kommunen schreiben über Jahre hohe Verluste mit ihren Schwimmbädern und Thermen. Was können Sie besser als die?

Wir können nichts besser. Es gibt rund 8000 Bäder in Deutschland, davon sind rund 350 privat betrieben. Mit 2,50 Euro Eintritt für ein kommunales Schwimmbad können sie nie Gewinn machen.

Heißt: Bei diesen Bädern handelt es sich gar nicht um Wirtschaftsunternehmen mit Gewinnabsicht?

Ja, ganz genau. Potsdam ist ein schönes Beispiel. Da hat man Oskar Niemeyer noch kurz vor seinem Tod bemüht, ein Freizeitbad zu planen. Eine Riesenkiste. Wenn sie für fast 40 Millionen Euro ein kommunales Bad bauen und sozialverträgliche Eintrittspreise nehmen, macht das nie Gewinn.

Und Sie?

Wie brauchen auch Zuschüsse. Die Spreewald-Therme hat 20 Millionen Euro gekostet, davon haben wir die Hälfte als verlorenen Zuschuss vom Land Brandenburg bekommen. Sonst rechnet sich das nicht. Wenn ich alle Kosten einschließlich des Kapitaldienstes über die Eintrittsgelder decken würde wollen, müsste ich 30 Euro Eintritt am Tag nehmen. Da kommt kein Mensch mehr. Wir sind eigentlich keine Gewinnmaximierer, sondern Defizitreduzierer, weil wir es ein bisschen besser können als die öffentliche Hand. Baden-Baden hat vor der Privatisierung in der 90er Jahren mit seinen Bädern jedes Jahr einen sechsstelligen Verlust gemacht, heute kommt sie wenigstens etwa bei Null raus.

Gibt es in Deutschland zu viele Bäder? Ja, das ist politisch so gewollt. Jeder Bürgermeister wollte in den 70er Jahre ein Freibad, ob es sich rechnet oder nicht. Aber versuchen sie mal, irgendwo eines zu schließen. Wenn sie als Bürgermeister sagen, ich schließe ein Bad, ist das politischer Selbstmord. Berlin hat mehr als fünf Dutzend Bäder. Als Bäder-Chef Ole Bested Hensing ankündigte, er macht gut ein Dutzend zu und baut fünf neue, hätten sie den fast gelyncht. Ja, es gibt zu viele Bäder. Die Hälfte könnte man zumachen.

Haben Sie deshalb nur sechs Bäder, weil sich andere Standorte nicht lohnen?

Doch. Uns wird jede Woche ein Bad angeboten. Aber wir können es uns momentan nicht leisten. Wir stecken gerade in einer Konsolidierungsphase. Uns fehlt im Moment das Eigenkapital für weitere Thermen. Wir haben alles investiert, allein eine Million Euro in Bad Ems.

Gibt es kein Geld von der Bank?

Nein. Die kann man alle in einen Sack stecken. Ich kriege einen Lachanfall, wenn ich lese, dass der Leitzins auch deshalb so niedrig ist, damit die Banken Kredite an den Mittelstand vergeben, das ist ein Witz. Das passiert doch nicht. Banken sind doch nur noch Geldverwalter. Wenn ich da hingehe und einen Kredit von einer halben Million Euro haben will, um eine Therme zu übernehmen, dann wollen die alles einschließlich meines Küchentischs als Sicherheit. Die wollen mein gesamtes privates Vermögen als Sicherheit. Es ist leichter, 100 Millionen Euro zu bekommen als eine halbe Million.

Wenn Sie sich so drangsaliert fühlen, warum lassen Sie es nicht einfach!

Ich habe Spaß an meinem Geschäft. Ich will vorwärts kommen.

Verdienen Sie denn wenigsten beim Bau von Bädern und mit Ingenieurdienstleistungen so viel Geld, dass die Gruppe als Ganzes Gewinn macht?

Ja, aber nicht so viel wie Sie denken. Wir befinden uns immer noch in der Aufbauphase.

Ihre Firma ist 42 Jahre alt, das ist schon ziemlich erwachsen!

Aber Bäder betreiben wir erst seit Mitte der 90er Jahre. Den Betrieb der beiden Thermen in Baden-Baden haben wir 1994 übernommen, bis zur nächsten hat es dann zehn Jahre gedauert. 1996 hat uns die Gesundheitsreform schwer belastet, weil Kuren nicht mehr so bezahlt wurden wie früher. Heute haben wir fast nur noch Selbstzahler.

Wenn Sie mal kein Bad mehr sehen können, wo machen Sie dann Urlaub?

Am Meer. Ich bin gerne im Wasser.

Jürgen Kannewischer liebt das Wasser. Die Badehose gehört für ihn zur Berufsbekleidung.

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