Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden:Teherans Mann im Irak

Er ist einer der wichtigsten Strippenzieher im Nahen Osten, amerikanische Experten empfahlen seine Ermordung. Jetzt bestimmt Kassem Suleimani die Politik in Bagdad mit. Und doch kennen selbst in Teheran nur wenige den iranischen Kommandeur.

Von Rudolph Chimelli, Paris

Die Iraner lassen im Irak ihre Muskeln spielen. Seit die Bedrohung durch die Isis-Terroristen zunimmt, in täglich stärkerem Maß, aber noch wenig sichtbar. Vom Raschid-Flugplatz in Bagdad starten ihre Drohnen zu Überwachungsflügen; auf dem Flugplatz haben sie ein Abhörzentrum eingerichtet, von dem aus ihre Spezialisten die Kommunikation des Isis-Kommandos mit seinen Kampfgruppen kontrollieren.

Zwei Lufttransporter liefern jeden Tag 70 Tonnen Waffen und Ausrüstung für die Regierungstruppen. Jenseits der iranischen Grenze stehen etwa zehn Divisionen bereit, für den Fall, dass sich die Lage im Hinblick auf eine Bedrohung der Hauptstadt oder der heiligen Städte der Schiiten dramatisch verschlechtern sollte.

Irans Strategie trägt die Handschrift von Kassem Suleimani, dem Befehlshaber der Quds-Brigaden der Revolutionsgarde. Jene Elitetruppe von 10 000 bis 20 000 Mann ist zuständig für Kommando-Unternehmen im Ausland und hat wesentlich zur Stabilisierung des Regimes von Baschar al-Assad in Syrien beigetragen. Sie soll jetzt auch im Irak Militärberater stellen, in dringenden Fällen durch ihre erfahrenen Kämpfer die Angriffe der sunnitischen Extremisten zurückschlagen. "Die syrische Armee ist wertlos", sagte Suleimani vor Jahren. Dies dürfte auch seine Einschätzung der irakischen Streitkräfte sein.

Wichtiger Strippenzieher im Nahen Osten

Selbst in Iran kennen nur wenige den kleinen, 53-jährigen Mann mit grau meliertem Haar, obwohl er einer der wichtigsten Strippenzieher im Nahen Osten ist. Vor sieben Jahren, als schiitische Milizen im Irak in heftigem Kleinkrieg gegen die Amerikaner standen, ließ er dem US-Oberbefehlshaber, General David Petraeus, eine SMS-Botschaft zukommen: "Sie sollen wissen, dass ich für Irans Politik im Irak, im Libanon, Gaza und Afghanistan zuständig bin. Der iranische Botschafter in Bagdad ist ein Mann von Quds. Sein Nachfolger wird es wieder sein."

In den vergangenen Wochen war Suleimani mehrmals in Bagdad. Zwei bis drei Bataillone der Quds-Brigaden brachte er mit. Schon vor der aktuellen Krise dürfte es kaum eine Partei oder eine Zeitung im Irak gegeben haben, die nicht Geld von Suleimani erhielt.

"Alter Freund" Suleimani

Ein wichtiges Instrument ist für ihn das "Bündnis der Gerechten" (Asaib Ahl al-Haq), eine schiitische Miliz; er stellte sie als Gegengewicht zum radikalen Schiitenführer Muktada al-Sadr auf, den er für unberechenbar hält. Das Netz von Suleimanis Agenten im Nahen Osten spioniert, arbeitet mit Erpressung, Einschüchterung und gezielten Tötungen.

Amerikanische Experten empfahlen einem Kongress-Ausschuss, Suleimani umzubringen. Doch er fuhr zu Verhandlungen in Bagdads Grüne Zone, die Festung der US-Botschaft, und die Amerikaner griffen nicht zu. Ein ehemaliger Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad nannte Suleimani ironisch "einen alten Freund". Er und der Anführer der libanesischen Hisbollah-Bewegung, die mit Geburtshilfe der iranischen Revolutionsgarden entstand, sind tatsächlich alte Freunde.

Walid Dschumblat, einer der Drusenführer Libanons, beschwerte sich über das Gewicht der Hisbollah: "Wir müssen mit ihnen reden, aber sie entscheiden nichts. Suleimani und Chamenei (der Geistliche Führer Irans) entscheiden." Kurdische Politiker im Irak offenbaren unter der Hand: "Es ist für uns schwer, zu Suleimani Nein zu sagen. Die Iraner sind unsere Nachbarn. Sie waren immer da und werden immer da sein. Wir müssen mit ihnen auskommen."

Seine Tochter macht ihm Sorgen

Suleimani kam als Sohn eines armen Bauern in Ostiran zur Welt. Unter dem Landreformprogramm des Schahs nahm sein Vater eine Anleihe von 900 Toman, damals etwa hundert Dollar, auf. Er konnte das Geld nicht zurückzahlen, war von Pfändung bedroht.

Zusammen mit dem Sohn eines Nachbarn, der in gleicher Lage war, ging der 13-jährige Kassem nach Kerman, um dort Geld zu verdienen. Nach acht Monaten hatte er als Tagelöhner genug gespart, um die Schulden zu bezahlen. Über die Volksschule kam er nie hinaus. Doch er befehligte, noch nicht 30 Jahre alt, im Krieg gegen den Irak eine Division. Er hat das absolute Vertrauen Chameneis.

Als die Amerikaner gegen die afghanischen Taliban ins Feld zogen, war Suleimani einer der Verbindungsleute, die den USA Informationen lieferten. Der amerikanische Unterhändler Ryan Crocker, später Botschafter in Bagdad, bekam eine Landkarte mit Gebrauchsanweisung: "Erst hier zuschlagen, dann dort." Es gibt Anzeichen dafür, dass Suleimani damals enttäuscht war, dass es nicht zur Aussöhnung mit Washington kam.

Wenn er in Teheran ist, führt Suleimani das unauffällige Leben eines Bürokraten von mittlerem Rang. Er steht um vier Uhr auf und legt sich um 9 Uhr 30 zur Ruhe. Seine Frau begleitet ihn manchmal auf Reisen. Von seinen Kindern, drei Söhnen und zwei Mädchen, macht ihm nur seine Tochter Nargis Sorgen. Sie lebt in Malaysia und weicht nach Darstellung von Vertrauten "vom Weg des Islam ab".

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