Frankreich bei der Fußball-WM:Der nächste Frechdachs hält noch still

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Überall Harmonie: Frankreichs Nationalspieler verstehen sich blendend - derzeit. (Foto: dpa)

Nichts stört bei der Fußball-WM die Harmonie des neuen französischen Teams. Nur zu Hause wird vor dem Achtelfinale gegen Nigeria leidenschaftlich diskutiert: Passt Franck Ribéry nach seiner Genesung noch in diese Mannschaft? Und wer könnte ihn beerben?

Von Claudio Catuogno, Rio de Janeiro

Es ist noch nicht lange her, da war die Équipe tricolore zu Hause so unbeliebt, dass es Alain Griezmann wohl nicht ins Radio geschafft hätte. Alain Griezmann ist der Vater von Antoine Griezmann, der wiederum ist ein offensiver Mittelfeldspieler von Real Sociedad San Sebastián, der gerade sein siebtes Länderspiel gemacht hat.

Aber manchmal dreht sich die Stimmung schnell, Frankreichs Elf gilt jetzt wieder als junges, frisches Team, das man aus diversen Perspektiven ausleuchten kann. Auch aus abwegigen. Deshalb musste Papa Griezmann jetzt die Frage beantworten: Ist Ihr Sohn der neue Ribéry?

Man darf wohl sagen: Alain Griezmann hat sich anständig aus der Affäre gezogen im Sender Europe 1. Der Vergleich sei abwegig, sagte er: "Antoine ist einfach nur ein 23-jähriger Frechdachs, der gerade den Beruf des Nationalspielers erlernt." Bisher ist Griezmann noch nicht einmal fester Bestandteil der Mannschaft. Wenn der Trainer Didier Deschamps mit zwei Stürmern angreifen lässt, also mit Karim Benzema und Olivier Giroud, sitzt Griezmann auf der Bank. Aber sollte er "wirklich irgendwann das Niveau von Ribéry erreichen", sagt sein Vater, "wäre ich sehr stolz".

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Franck Ribéry, 31, der statt mit den Kollegen nach Brasilien mit der Familie nach Ibiza geflogen ist, um sein Rückenleiden auszukurieren, wird es beruhigt vernommen haben. Noch stellt niemand aus dem direkten Umfeld der Bleus seinen Status infrage. Alle sagen nette Sachen über Europas Fußballer des Jahres 2013. Dass er erst mal beim FC Bayern wieder gesund werden soll und dann zurückkommen. Sorgen bereiten müsste Ribéry aber die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit schon nach einem neuen Ribéry gefahndet wird.

Die Ribéry-Debatte wird in Frankreich auf zwei Ebenen geführt, die erste ist relativ unstrittig. Sie besagt, dass ein rückensteifer Ribéry in der Form der letzten Monate in Brasilien nicht weitergeholfen hätte, und dass es daher ein Vorteil ist, dass er fehlt - weil es dem Team tägliche Debatten erspart. "Er hat seit sechs Monaten nicht mehr brilliert, er wurde durchgeschleppt", schrieb die Zeitung Ouest France. Verbandspräsident Noël Le Garët sagte: "Er war ja seit Monaten gehandicapt."

Hat Ribéry die Mannschaft gehemmt?

Die zweite Ebene der Debatte birgt mehr Brisanz. Hier lautet die Frage: Hat auch ein Ribéry in Topform diese Elf in ihrer Entfaltung gehemmt? Gerade weil er so eine dominante Figur ist? 76 Prozent teilten in einer L'Équipe-Umfrage die Einschätzung, dass nur wegen Ribérys WM-Aus der Stürmer Benzema so aufblühe.

Der bekannte Moderator Daniel Riolo spitzte die Debatte mit dem Satz zu, Ribérys Fehlen sei "das Beste, was diesem Team seit 2006 passiert ist". Und in Le Monde durfte der Schriftseller François Bégaudeau in einen Essay darlegen, warum es ohne Ribéry besser ist. Kernthese: Ein guter Chef lasse seinen Mitarbeitern Raum zur Entfaltung. Ribéry erdrücke sie mit seiner Präsenz.

Gelegentlich wird aber auch daran erinnert, dass Frankreich bei der WM gar nicht dabei wäre, wenn die Elf nicht im Relegations-Rückspiel gegen die Ukraine im November ein 0:2 aufgeholt hätte. Angetrieben von einem überragenden Franck Ribéry.

© SZ vom 30.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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