"Eine ganz ruhige Kugel" im Kino:Danebengeworfen

Kinostart - Eine ganz ruhige Kugel

Gérard Depardieu und Atmen Kelif beim Boule-Training.

(Foto: Roger Arpajou/dpa)

Gérard Depardieu spielt in der Komödie "Eine ganz ruhige Kugel" einen alten Hasen, der seinen arabischen Ziehsohn im französischen Nationalsport Boule trainiert. Das bietet Stoff für eine Auseinandersetzung mit Rassismus. Der Film stellt sich dieser Herausforderung zwar, trifft dabei aber daneben.

Von Philipp Stadelmaier

Die dickste Kugel liegt nicht auf dem Pétanque-Feld, sondern steht auf ihm. Ihr Bauchumfang ist gigantisch, der Kopf, von dem die Haare runterhängen, nicht weniger. Der Name dieser Kugel ist Gérard Depardieu, und da, wo sie hinrollt, stößt sie alle anderen zur Seite.

Depardieu spielt den Boule-Großmeister Jacky Cambouladze, was sich anhört wie ein Mix aus Jack Daniels, Boule und Karambolage. Typisch Depardieu: Hauptsache, es knallt. Auch typisch Depardieu: Jacky hat seine besten Zeiten hinter sich. Er ist pleite und hängt an der Côte d'Azur rum, wo er um Geld spielt und mithilfe seines begabten Ziehsohns Momo (Atmen Kelif) andere Spieler abzockt.

Alles, was man an Frédéric Berthes "Eine ganz ruhige Kugel" noch reizend finden könnte, steckt in der rollenden Riesenboulette Depardieu. Allerdings geht es weniger um seine Figur als um Momo, "den Araber".

Dieser aus Nordafrika Eingewanderte hat ein großes Talent für Boule, diesen typisch französischen Sport: "Die Kugel muss uns rufen, ihre Flagge hissen, uns ein Zeichen geben", raunt Depardieu. Die Flagge, das ist natürlich die Tricolore. Und wenn nun der talentierte "Araber" bei einem internationalen Pétanque-Wettkampf für die französische Nationalmannschaft antreten soll, dann stößt das natürlich auf allerhand Widerstände.

So viel zum Anspruch, den diese Komödie hat: Man muss nur zwischen einem "Franzosen" und einem "Araber" unterscheiden können, und wenn dabei diese beiden rassenbewussten Zuschreibungen zur Überbetonung in Anführungszeichen stehen müssen, dann sollte das für diese "Komödie" erst recht gelten.

Gute blonde Fee

Man kann dem Film jedenfalls nicht den Vorwurf machen, dass er den Rassismus, dem Momo ausgesetzt wird, irgendwie auch nur ansatzweise verschleiert. Der Chef des Nationalteams ist das Abziehbild eines Reaktionärs, der den "Quotenausländer" erst gar nicht nominieren will, sondern Franzosen sucht, die "fähig sind, die Marseillaise zu singen". Schließlich beugt er sich dem Druck des Ausrichters des großen Events, einem ruchlosen Kapitalisten.

Wieder so ein Abziehbild, der über zu viel Termine und Jetlag flucht, und der aus Momo den Star des Turniers machen will, während er ihn wie einen afrikanischen Affen behandelt: "Ein Name, der bumst, ein Name, der knallt. Mo-mo, mo-mo."

Es ist vor allem seine Assistentin, eine gute blonde Fee, die Schlimmeres verhindert und ihm sagt, er solle sich nicht "wie ein Trottel" verhalten. Der Rassist wird als Trottel dargestellt, dem man ab und an durchs verwirrte graue Haar fahren muss: ein gefährlich verharmlosendes Bild in einem Land, in dem gerade der Front National die Europawahlen gewonnen hat.

Klischees und Demütigungen

"Eine ganz ruhige Kugel" ist sicher kein rassistischer Film, aber er presst den Rassismus aus wie eine Zitrone, weidet sich geradezu an ihm, als wollte er ständig neue Gründe für die Ablehnung seiner Hauptfigur finden.

Momo, das ist erst der Araber, der den Urfranzosen aufstößt - dann eine exotische Kapitalanlage, die man schnell wieder fallenlässt; das naive Muttersöhnchen, das sich von seiner Couscous-kochenden Über-Mama herumschubsen lässt, und der von seinem Freund Depardieu nur benutzt wird, um dessen Schulden abzuzahlen. Zu guter Letzt wird er in einen Rauschgiftschmuggel verwickelt.

Diese Klischees und Demütigungen verwandeln Momo selbst in ein Abziehbild. "Der Araber" ist in diesem Film einfach eine der blassesten Figuren, die man sich nur vorstellen kann, der große Boule-Champion ist selbst nur eine Kugel, die von allen ständig durch die Gegend geschmissen wird - vor allem von den Filmemachern. Die versuchen uns zu erklären, dass Rassismus nicht in Ordnung ist, indem sie einen Araber zeigen, der sich seine Anerkennung als Franzose verdient, weil er Boule spielen kann. Wehe jenen, die daneben werfen.

Eine ganz ruhige Kugel, F 2013 - Regie: Frédéric Berthe. Buch: Laurent Abitbol, Martin Guyot, Atmen Kelif, Jean-Pierre Sinapi. Mit Gérard Dépardieu, Atmen Kelif. Universum, 98 Minuten.

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