Karlsfeld:Verloren, vergessen, verboten

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Zum zweiten Mal versteigert der Flughafen München Skurriles und Nützliches auf dem Karlsfelder Siedlerfest. 30 Gürtel können durchaus hilfreich sein, doch was tut man mit 20 Halterungen für Navigationsgeräte?

Von Johannes Vogel

Wer eine Holzmarionette, historische Feuerzeuge aus Indochina oder eine Hirschskulptur erstehen möchte, sucht am einfachsten in den Weiten des Internets, wenn er nicht langwierig in Antiquariaten stöbern möchte. Oder er kommt aufs Karlsfelder Siedler- und Seefest. Zum zweiten Mal hat der Flughafen München dort Skurriles und Nützliches versteigert. Dinge, die Passagiere verloren, vergessen oder abgegeben haben, weil man sie nicht zum Flug zuließ.

Mehrere Hundert Besucher füllen das Festzelt, als Josef Rankl vom Fundbüro des Flughafens auf die Bühne tritt. Zahlreiche Uhren und Schmuck gibt es zu ersteigern, dazu kommen Handys, Kameras und Computer, deren Funktionstüchtigkeit allerdings nicht gewährleistet ist. Das Risiko nehmen viele Besucher gern auf sich. Auktionator Josef Mittermeier kommt mit dem Zählen der Gebote kaum nach. Ein junges Paar ersteigert für 130 Euro eine ältere Videokamera. Da der Akku leer ist, werden die neuen Besitzer erst zu Hause überprüfen können, ob das Gerät funktioniert. Wenn ja, "hat sich das Ersteigern auf jeden Fall gelohnt", sagt der junge Mann.

Immer wieder kommen Objekte auf den Tisch, für die man ansonsten den Fachhandel aufsuchen müsste. Angelrute und Motorhaubenschnellverschluss, Drumsticks und ein Taekwondo-Anzug finden neue Besitzer. Sind die Interessen der Besucher noch so breit gestreut - mancher Trödel fände kaum einen Abnehmer. Daher hat der Flughafen "Pakete" mit mehr und weniger begehrten Objekten zusammengestellt. So werden eine Bettbezugsgarnitur, ein Porzellanteller, ein Paar Lederhandschuhe, ein Damenparfüm und ein Regenschirm gemeinsam versteigert. Neben anderen verrückten Kombinationen kommen auch größere Sätze gleichartiger Dinge auf den Tisch. 30 Gürtel können durchaus nützlich sein, doch was tut man mit 20 Halterungen für Navigationsgeräte?

Immerhin wissen die Bieter, auf was sie sich einlassen. Bis der Flughafenmitarbeiter verkündet: "Ein Überraschungsrucksack, aus Nylon, mittelschwer, es kann alles drin sein - oder auch nichts." Viele Gäste lassen sich von der Verheißung locken, einen großen Wurf zu landen. Schließlich behaupten sich zwei junge Burschen mit einem Gebot von etwas mehr als 250 Euro.

Im Laufe der Aktion sitzen die Geldbörsen lockerer. Als ein zweiter Überraschungskoffer für mehr als 300 Euro den Besitzer wechselt, scheint eine weitere Steigerung kaum möglich. Doch dann wird eine Armkette präsentiert. Ob sie tatsächlich aus echtem 750er Gold ist? Die Gebote schießen nach oben, erreichen bereits die 500 Euro, da kommt der Ruf "800". Er bleibt nicht lange unbeantwortet. Zwei Interessenten überbieten sich weiter, bis bei 1000 Euro Schluss ist - absoluter Rekord an diesem Nachmittag.

Moderater sind die Preise der vier versteigerten Motorsägen. Sie wurden vom Flughafen aufgrund ihrer brandfördernden Eigenschaft aus aufgegebenem Gepäck gezogen. Der Besitzer einer Reitanlage kann für 70 Euro eine Säge erstehen. "Ich werde sie zum Bauen von hölzernen Hindernissen brauchen", erklärt er.

Nicht alle Besucher sind für einen bestimmten Gegenstand zur Versteigerung erschienen. Viele schauen spontan nach Schnäppchen. Andere sind nur der Unterhaltung wegen gekommen. Tatsächlich erstaunt es, wie sehr sich manche Bieter gegenseitig in die Höhe treiben. Manches könnte man im Laden mit Garantie und neuwertig deutlich günstiger bekommen.

Der Veranstalter zieht am Ende eine gute Bilanz. Josef Rankl ist bereits 30 Jahre bei der Flughafen München GmbH und leitet seit der Eröffnung des neuen Airports im Jahr 1992 das Servicecenter mit dem Fundbüro. "Wer etwas am Flughafen verloren hat, kann sich bei uns melden oder auch im Online-Fundbüro suchen", sagt Rankl. Öffentliche Einrichtungen wie der Flughafen müssen Fundgegenstände ein halbes Jahr lang aufbewahren und dann versteigern. Vor zwei Jahren machte der Flughafen seine erste Versteigerung auf dem Siedler- und Seefest. Heuer sind nicht so viele Besucher wie voriges Mal erschienen, doch das erklärt sich Rankl mit dem Badewetter und der Fußball-WM am Vorabend.

Auch Josef Mittermeier ist mit dem Interesse der Besucher und den Geboten zufrieden. Er wirkt schon seit zehn Jahren als Auktionator für den Flughafen. Inzwischen sind die Versteigerungen für den Airport neben Benefizauktionen seine einzigen. Spaß macht ihm die Zusammenarbeit mit der "netten Crew vom Flughafen".

Um einen Tisch am Rande des Festzelts bildet sich eine große Menschentraube. Die beiden jungen Männer öffnen ihren Überraschungskoffer. Zum Vorschein kommen: ein Holzkästchen mit Zigarren, ein Diktiergerät, eine dreibändige Buchreihe über den Flughafen, eine Sonnenbrille, ein olivgrünes Shirt - und ein Navigationsgerät. Dafür, so meinen die zwei Kufsteiner, hat sich der weite Weg nach Karlsfeld und das Mitbieten gelohnt: "Der Inhalt hätte schlechter sein können".

© SZ vom 07.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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