"Ich wollte ein bisschen löschen":Wasserattacke gegen Raucherin

Eine 56-jährige Grafingerin ärgert sich über den Qualm vom Balkon ihrer Nachbarin - der Streit eskaliert. Vor dem Amtsgericht Ebersberg wird die Frau zu einer Geldstrafe verurteilt.

Von Korbinian Eisenberger

Wenn es klingelt, und die Nachbarin steht mit einer Tasse vor der Tür, dann befindet sich in dem Gefäß in der Regel eine Handvoll Zucker oder Mehl - ausgeliehen, zurückgegeben, wie es sich gehört. Dass die Absichten der klingelnden Nachbarn jedoch nicht immer nur freundlicher Natur sein können, das bewies eine Grafingerin im Oktober 2013. In der Tasse befand sich Leitungswasser, das die 56-Jährige über die Türschwelle schüttete. Der Empfänger der flüssigen Attacke war die Nachbarin, ihres Zeichens starke Raucherin. "Ich wollte ein bisschen löschen", sagte die Angeklagte am Donnerstag im Amtsgericht Ebersberg. Dort wurde ihr weniger ihre Löschaktion zu Lasten gelegt, sondern das, was danach entstand: Kratzen, Fuß stellen, Haare ziehen - zu guter Letzt durfte sich ein Ebersberger Polizist bei seinem Schlichtungsversuch mehrere deftige Beleidigungen anhören.

In einem Strafprozess musste sich die 56-Jährige jetzt wegen Körperverletzung und mehrfacher Beleidigung verantworten. Die Frau, die mittlerweile in Kirchseeon lebt, ist im Landkreis weithin bekannt, spätestens seit sie 40 Tage lang vor dem Amtsgericht gegen Staat und Bürokratie demonstriert hatte. Das Urteil am Donnerstagnachmittag war aber vor allem wegen eines aktuellen Raucherurteils mit Spannung erwartet worden. Belästigt ein Mieter durch Zigarettenrauch seine Nachbarn, darf ihm die Wohnung gekündigt werden - das hat das Amtsgericht Düsseldorf 2013 entschieden und das dortige Landgericht erst kürzlich bestätigt.

Der Nikotinqualm sei vier Jahre lang in ihre Wohnung gezogen, sagte die Angeklagte. Zweimal habe sie sich deshalb sogar erbrechen müssen. Nachdem sie sich mehrmals beschwert hatte, eskalierte am 9. Oktober 2013 der Streit. Die Nachbarinnen schubsten, traten, kratzten und zwickten sich - wer letztendlich was machte und wer damit anfing, konnte vor Gericht nicht geklärt werden. Die rauchende Nachbarin sprach vor Gericht von mehreren Verletzungen. Sie seien der Grund dafür, dass sie bis heute nicht arbeiten könne. Ihre Gegnerin, die nach dem Vorfall Kratzer in ihrem Gesicht entdeckt haben will, rief anschließend bei der Polizei an. Als die beiden Beamten eintrafen, habe sie das zu diesem Moment zwei Monate alte Gerichtsurteil aus Düsseldorf erwähnt, behauptete die Angeklagte. Ein Beamter habe ihr entgegnet, in Bayern sei das mit dem Rauchen auf dem Balkon eben anders. Dieser stritt besagte Aussage im Zeugenstand ab. Die Angeklagte hingegen bestritt nicht, dass sie anschließend dem Beamten empfahl: "Hirn einschalten." Danach - auch dies räumte die Frau ein - habe sie den Beamten, der eine Entschuldigung forderte, als "beleidigtes Würstchen" bezeichnet, und Fäkalausdrücke ins Spiel gebracht. Es folgte eine Anzeige wegen Beleidigung.

Neben dieser wurden noch vier weitere Beleidigungsvorwürfe verhandelt. Die Frau, die seit sieben Jahren im Streit mit sämtlichen Behörden steht, hatte in vier Briefen an die Ebersberger Polizeidienststelle mit Schimpfwörtern um sich geworfen . "Wenn Sie es nicht schaffen, sich anders auszudrücken, dann wird es immer wieder hart auf hart kommen", erklärte Richterin Susanne Strubl. Die Angeklagte tat sich schwer, die Hinweise anzunehmen. "Ich nehme mir das Recht, mich zu wehren", erklärte sie: "Wer meine Rechte missachtet, dem begegne ich auch mit Missachtung."

Der Streit um den Rauch war nur einer von vielen Konflikten zwischen den beiden Nachbarinnen. Wegen jeder Kleinigkeit habe die 56-Jährige an die Wand geklopft oder geklingelt und sich beschwert, erklärte die als Zeugin geladene Nachbarin. Eskaliert sei der Streit aber erst, nachdem die Frau und ihr Ehemann mehrmals täglich auf dem Balkon geraucht hätten, sagte die Angeklagte. Die beiden hätten sogar gesagt, dass sie mit dem Rauch ihre Nachbarin ärgern wollten.

Tatsächlich spielte das Düsseldorfer Raucher-Urteil am Ende jedoch nur eine Nebenrolle. Richterin Strubl ließ die Anklage wegen Körperverletzung fallen - hier habe Aussage gegen Aussage gestanden. Für die Beleidigungen erhielt die Angeklagte eine Geldstrafe. Ihr Geständnis und ihre negative Erfahrungen hätten sich zwar positiv auf das Urteil ausgewirkt, sagte die Richterin. 90 Tagessätze des Mindestsatzes von fünf Euro muss die arbeitsuchende Heilpraktikerin aber dennoch zahlen. "Sie müssen bei der Wahrnehmung Ihrer Rechte auch die Rechte anderer akzeptieren", begründete die Richterin ihre Entschei

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