Goethe-Universität Frankfurt:Neue Präsidentin will Geist und Geld

Birgitta Wolff

Birgitta Wolff: "Wirtschaft und Wissenschaft dürfen sich nicht bekämpfen. Es geht darum, den Wohlstand zu erhöhen."

(Foto: dpa)

Die "Unbeugsame": Birgitta Wolff leitet künftig die Frankfurter Goethe-Universität. Die einstige Wissenschaftsministerin von Sachsen-Anhalt hat eine bewegte Geschichte. Ihre neue Mission ist heikel - die Uni soll "Harvard am Main" werden.

Von Johann Osel

Geld und Geist miteinander in Einklang zu bringen, das ist kein einfacher Job. Und so ging 2011 ein Aufschrei durch Sachsen-Anhalt, zu hören vor allem an den Hochschulen. Damals beschloss das Land, die Ministerien für Wirtschaft und Wissenschaft zu fusionieren, als Ressortchefin wurde die vorherige Schulministerin Birgitta Wolff benannt. Die CDU-Politikerin machte sich gleich an die Umsetzung dessen, was Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit der Zusammenlegung bezweckte: den Transfer von Wissen in die Unternehmen zu verbessern.

Mehr noch: in einem Land, das unter Abwanderung und schlechten Standortdaten leidet, Fachkräfte zu halten oder gar neue zu locken. Vor der Politik war Wolff, die in Münster geboren ist und unter anderem in München studierte, Professorin für Wirtschaftswissenschaft in Magdeburg - also qualifiziert für beide Ressorts. Dann aber sollte sie an den Hochschulen sparen, 50 Millionen Euro in zehn Jahren. Das wollte Wolff so nicht umsetzen. In seltener Ruppigkeit wurde sie 2013 entlassen. Nun hat sie eine neue Aufgabe: Der erweiterte Senat der Frankfurter Goethe-Universität wählte die 49-Jährige zur Präsidentin der drittgrößten Hochschule Deutschlands, die Amtszeit beginnt Anfang 2015.

Fördergeld für Arbeiten von Studenten, die in Kooperation mit Firmen entstehen, duale Studiengänge, Existenzgründer-Programme, Werben um westdeutsche Abiturienten - das gehörte zu Wolffs Konzept in Sachsen-Anhalt. "Wirtschaft und Wissenschaft dürfen sich nicht bekämpfen. Es geht darum, den Wohlstand zu erhöhen", so hat sie ihre Mission mal beschrieben. Eine geglückte halbe Legislaturperiode folgte. Die Industrie hatte zwar teils Angst, nur noch durch die Kooperationsbrille gesehen zu werden, aber der Ärger der Professoren verflog schnell.

"Profilbildung" darf akademische Breite nicht vergessen

Bei Abstimmungen des Professorenverbands DHV gaben Wolff Hochschullehrer aus Magdeburg, Halle und Merseburg Bestnoten, sie wurde bundesweit zur "Wissenschaftsministerin des Jahres" gekürt. Und im entscheidenden Moment plädierte sie eben dafür, dass Rasenmäher nicht zu Hochschulen passen. "Geplant ist ein extrem enges Budgetkorsett. Ich konnte einfach nicht anders, als auf die Risiken hinzuweisen", hatte sie zwei Stunden nach der Entlassung am Telefon gesagt, sie klang konsterniert. So schnell, so knallhart kann Politik sein. "Die Unbeugsame" nannten sie Zeitungen in dem Bundesland am nächsten Tag.

Der Job an der Uni-Spitze hat Parallelen zum Ministeramt, zum Konflikt Geld versus Geist. Die Leitung eines solchen Wissenschaftstankers - mehr als 40 000 Studenten, fast eine halbe Milliarde Euro Etat im Jahr - ähnelt der Führung eines Konzerns. Als Stiftungsuniversität genießt die Hochschule viel Autonomie bei Entscheidungen, das Ministerium lässt die Frankfurter an der langen Leine. Eine Managementaufgabe. Zudem hat der scheidende Präsident Werner Müller-Esterl bereits ein ambitioniertes Ziel vorgegeben: Man wolle ein "Harvard am Main" werden.

Um tatsächlich in die weltweite Top-Liga zu kommen, wird man sich auf die Stärken besinnen müssen - und womöglich schwächere Disziplinen streichen. Bei einer solchen "Profilbildung" darf allerdings die akademische Breite nicht vergessen werden, der Anspruch der Wissenschaftsfreiheit, die Tradition einer Universität, die im Herbst 100 Jahre alt wird. Ganz schön heikel - und ideal, um sich Feinde zu machen.

Bei der Abstimmung am Dienstag waren jedenfalls vier Wahlgänge nötig, bis die Mehrheit für die neue Präsidentin stand. Die Professoren waren verärgert, weil nur externe Kandidaten antreten durften. In der Politik habe sie gelernt, "nicht alles persönlich zu nehmen", sagte Birgitta Wolff am Ende. Der Ablauf der Wahl, "das war ein Arbeitsauftrag".

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