"Die Bachelorette" auf RTL:Diabolisches Dummy-Dating

Lesezeit: 3 min

Eine Frau, 20 Männer: Die Bachelorette ist zurück. (Foto: RTL)

"Blond, digge Titten." Das ist das Beuteschema von Kandidat Thomas, das ist "Die Bachelorette" auf RTL. Oder haben wir es vielleicht doch mit einer bitterbösen Satire zu tun?

Eine TV-Kritik von Johanna Bruckner

Die Pointe kommt, bevor es überhaupt losgeht. "Die Bachelorette wird Ihnen präsentiert von 'Naturals'", sagt eine angenehme Männerstimme, während auf dem Bildschirm ein attraktives Pärchen Chips knabbert. Man möchte glauben, dass dies der diabolische Einfall eines RTL-Mitarbeiters an der Schnittstelle Redaktion/Marketing war. Vielleicht ist es aber auch einfach ein genialer Zufall in einem durchchoreografierten Sendungskonzept, das gnadenlose Oberflächlichkeit zum Dogma erhebt. Die wird immer dann besonders deutlich, wenn die Macher zwischen die Muskelberge Statements schneiden, in denen die Tiefe des Formats betont wird.

So ist Junggesellin Anna natürlich hier, "weil ich mich verlieben möchte". Dazu hat sie 20 Kandidaten zur Auswahl, die 25-jährige Blondine ist die zweite Frau, die via RTL ihren Traummann sucht. An diesem Superlativ ist zwar 2004 schon die erste Protagonistin Monica Ivancan gescheitert. Vorbild ist sie wohl trotzdem: Schließlich zögerte sie ihr mediales Vergessen durch eine Beziehung zu Comedian Oliver Pocher hinaus.

Das böse F-Wort und das Weibchen-Klischee

Die erste Bachelorette-Staffel vor zehn Jahren wurde vorab als mediale Gleichberechtigungskampagne verkauft, und auch heute sagt Anna: "Warum darf nicht endlich auch mal eine Frau nach vorne gehen und sagen: 'Hier bin ich!'?" Sie sagt das durchaus ernsthaft, aber gut, die Frau ist auch ausgebildete Musical-Darstellerin. Eine leidlich erfolgreiche im Übrigen, wie die Stimme aus dem Off betont, Emanzipation und so. Bevor jetzt aber ein Zuschauer das böse F-Wort nur zu denken wagt, wird ein Weibchen-Klischee nachgeschoben: Anna unterrichtet nebenbei auch Schaupiel, Gesang und Tanz für Kinder. "Das sind wahre und echte Menschen."

Finale von "Der Bachelor" auf RTL
:Hier sind alle Idioten

Feministinnen echauffieren sich seit Jahren gegen die Kuppelshow, dabei ist mehr Gleichberechtigung kaum möglich. Denn bei "Der Bachelor" machen sich alle lächerlich. Für die Partnersuche ist die Sendung das, was Wrestling für den Sport ist - Entertainment pur. Sinnsuche zwecklos.

Von Felix Reek

Überhaupt, diese Sätze. Sie spotten Teilnehmern und Zuschauern gleichermaßen - glaubt hier wirklich noch jemand an Zufall? Schließlich hat es RTL schon einmal geschafft, ein Trash-Format mittels Moderation und Schnitt so zu überzeichnen, dass am Ende eine Nominierung für den Grimme-Preis stand. Und was ist eine Villa an der portugiesischen Algarve schon anderes als ein überdachtes Dschungelcamp. Oder wie es einer der Kandidaten formuliert: "Es ist leichter, mit einem Rudel Hunde klarzukommen als mit einem Wolf. Und ich bin ein Wolf."

Zitate, die nichts aussagen und doch alles erzählen

Aber überzeugen Sie sich selbst - eine Sammlung von Zitaten, die nichts aussagen und doch alles erzählen: Die Bachelorette, sie ist in Wahrheit eine bitterböse Persiflage auf Makler-Dokus, Körperkult und Liebes-Ausverkauf im Fernsehen.

"Jeder Einzelne ist bereit - bereit für die Liebe?" (von kommender Kabale kündende Stimme aus dem Off.)

"Mein Körper ist mir sehr wichtig." (Kandidat Christian, 31, als er von der Kamera beim Umziehen überrascht wird. Das passiert ihm oft. Und der Kamera.)

"Zurzeit denke ich, dass wir alle cool miteinander sind." (Kandidat Tim, Friseur, gibt "Tätowieren lassen" als Hobby an, weiß im Gegensatz zur Stimme aus dem Off nicht, welche Intrigen sich anbahnen.)

"So eine Frau, die bei den Knöpfen hilft, ist schon praktisch." (männliche Erkenntnis beim Anziehen.)

"Blond, digge Titten" (Kandidat Thomas, 33, drückt sich gerne derb aus.)

"Mal wieder so 'ne kleine Quietschmaus in den Armen halten, da hätt' ich schon Bock drauf." (Kandidat Thomas drückt gerne drauf.)

"Jetzt hab' ich die Frau gesehen, jetzt muss nur noch der Charakter passen." (Kandidat Antonio zum Thema Prioritätensetzung.)

"Zeig' ihr direkt deinen Astralkörper!" (Letzter Rat in der Limousine, bevor Kandidat Marvin das erste Mal der Bachelorette begegnet.)

"Marv, wie heißt die!?" (Erste Frage einer ratlosen Herrenrunde, die Kandidat Marvin in der Villa empfängt.)

"Das Echtheits-Zertifikat kann ich dir gerne nachreichen." (Kandidat Steffen überrascht Anna beim ersten Aufeinandertreffen mit einer Sternschnuppe. In einer Schachtel.)

"Wenn Liebe mit Sex zu verbinden ist, Jackpot." (Kandidat Tim über Glücksgefühle und Glücksspiel.)

"Für mich persönlich isses nich' die Traumfrau, ich hatte mir was Dunkelhaariges gewünscht." (haarige Abfuhr für Bachelorette Anna)

"Oh nee, ich glaub', das ist nicht meins, scheiße." (harte Abfuhr für Bachelorette Anna.)

"Für mich gibt's nur ein Gas, Vollgas." (Kandidat Manu läuft nicht gerne.)

"Ich merk' gerade, meine Nüstern werden schon ein bisschen feucht." (Kandidat Johannes läuft die Nase.)

"Ein Polizist - da fühlt man sich gleich sicherer." (Kandidat Johannes, als er vom Beruf seines Konkurrenten Maik erfährt.)

"Ich bin von mir selbst unterhalten, meistens." (Kandidat Pascal genügt sich selbst.)

"Im Nachhinein braucht sie mir nicht mehr zu kommen!" (Geschasster Kandidat hat genug.)

"Purer Genuss." (Sagt die schon bekannte Männerstimme zum Schluss. Über die Chips, wohlgemerkt.)

Linktipp: Wie Sie über den Bachelor mitreden, ohne ihn gucken zu müssen, lesen Sie hier. Ein Leitfaden für den gepflegten Trash-Talk.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: