Revolverheld:Thomas-Müller-Feeling

Revolverheld ziehen 2100 Zuhörer auf den Rathausplatz in Dachau: Die erleben ein Konzert, in dem die vier Musiker die Nähe zum Publikum suchen. In einem weltmeisterlichen und leidenschaftlichen Humba-Tätärä finden sie zusammen.

Von Anna Schultes

Die vier Musiker der Band Revolverheld kennen die Stadt erst seit ein paar Stunden. Aber die Hamburger haben schon etwas gelernt über Dachau: "Bald ist Volksfest, da gibt es die günstigste Maß in ganz Bayern." Und ihre Mission für diesen Konzertabend macht Sänger und Gitarrist Johannes Strate denn auch gleich deutlich: die Überbrückung der Zeit zwischen der Fußball-Weltmeisterschaft und eben diesem Volksfest.

Einige international erfolgreiche Bands sind in den vergangenen Jahren beim Dachauer Musiksommer aufgetreten. The National, Fleet Foxes, Band of Horses und Patti Smith haben Konzerte zwischen Rathaus und Sankt-Jakob-Kirche gegeben. Mit Revolverheld hat Kulturamtsleiter Tobias Schneider nun erstmals eine Rockband aus Deutschland engagiert. Der Wunsch danach sei mehrfach an ihn herangetragen worden, sagt er. Dementsprechend viele Menschen sind an diesem Abend auf den Rathausplatz gekommen, 2100 insgesamt, die Zuhörer hinter den Absperrgittern und an den offenen Fenstern der umliegenden Häuser nicht eingerechnet. Bereits vor zwei Wochen war das Konzert ausverkauft.

Seit 2002 spielen Johannes Strate, die Gitarristen Kristoffer Hünecke und Niels Grötsch und Schlagzeuger Jakob Sinn zusammen, damals waren sie noch zu fünft und nannten sich Manga. Ihre Lieder sind regelmäßig in den Charts vertreten, sie haben mehrere goldene Schallplatten gewonnen. Nach einer Bandpause veröffentlichten sie im September 2013 ihr viertes Album "Immer in Bewegung". Als sie in Dachau als neunte Nummer ihre aktuelle Single anklingen lassen, geht ein Raunen durch die Menge, das so viel heißt wie: endlich! Darauf haben die Zuhörer gewartet. Sie begleiten die Ballade "Ich lass für dich das Licht an" mit Klatschen und Pfiffen, jede Zeile singen sie mit. Dazu wabern Flammen von Feuerzeugen und leuchtende Handydisplays über den Köpfen. Die Konzertbesucher halten sich strikt an den Titel des Albums, ganz besonders bei Hits wie "Halt dich an mir fest" oder "Freunde bleiben".

Das gilt auch für die Zuhörer, die es sich an den Fenstern in den Wohn- und Geschäftsräumen über dem städtischen Kulturamt bequem gemacht haben. "Habt ihr keinen Eintritt bezahlt?", möchte Sänger Strate wissen. Die Antwort: Kopfschütteln. "Und hättet ihr euch mehr gefreut, wenn heute Helene Fischer aufgetreten wäre?" Deutliches Kopfschütteln. Im Publikum unter ihnen sind viele junge Menschen, vor allem Frauen, aber auch ganze Familien mit Kindern und ältere Zuhörer. "Meine Familie hat mich hierher geführt", sagt ein 64-jähriger Dachauer, der mit seiner Frau und dem 15-jährigen Sohn gekommen ist, "aber ebenso die Musik."

Es gibt wohl zwei Gründe, weshalb die Band Fans in allen Altersgruppen hat. Zum einen sind es die Lieder mit ihren eingängigen Melodien und Texten, die von der Liebe, Träumen und Veränderungen im Leben handeln und dabei konkret und ehrlich sind. Sie erzählen Geschichten, die jeden bewegen. Zum anderen ist es der sympathische Auftritt der Hamburger, alle Mitte 30, die auf der Bühne völlige Gelassenheit ausstrahlen und immer für eine Blödelei oder eine Überraschung zu haben sind. Für vier Kinder wird es deshalb auch ein ganz besonderer Sommerabend. Jeder der Musiker kann sich noch gut an seinen ersten Konzertbesuch bei Roxette, David Hasselhoff oder Sting erinnern. So soll es auch ihren jüngsten Zuhörern gehen, die auf der Bühne Platz nehmen dürfen und dort zu "Spinner" wippen und die Szenen mit ihren Handykameras filmen.

Nach eineinhalb Stunden haben weder die Musiker noch das Publikum genug. Wer ganz hinten steht, befindet sich auf einmal ganz vorne, als die Band die erste Zugabe unerwartet auf der anderen Seite des Platzes anstimmt. Nach zwei weiteren Zusatzstücken auf der großen Bühne geht es noch mal zurück zum Fußball. Problemlos bewegt die Band 2100 Menschen dazu, sich hinzusetzen und ein leidenschaftliches Humba-Tätärä zu singen. Was Nationalspieler Thomas Müller am Dienstag beim Empfang in Berlin konnte, kann Sänger Johannes Strate am Tag darauf auch in Dachau. Animation und kollektiver Freudentaumel nach Fußballmanier, Gemütlichkeit und Wohlgefühl wie beim Volksfest. Und dazu ein großer Musikabend. Ihre Mission haben die Revolverhelden weltmeisterlich erfüllt.

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