Zeitgenössische Tierfotografie:Verehrt und verzehrt

Geliebtes Haustier, gequältes Nutztier - bei der Behandlung von Tieren wird oft mit zweierlei Maß gemessen. Wie unterschiedlich unser Verhältnis zum Tier sein kann, zeigt die Ausstellung "WILD - Tiere in der zeitgenössischen Fotografie" in Berlin.

Von Marion Neumann

8 Bilder

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Bernhard Moosbauer

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Geliebtes Haustier, gequältes Nutztier - bei der Behandlung von Tieren wird oft mit zweierlei Maß gemessen. Wie unterschiedlich unser Verhältnis zum Tier sein kann, zeigt die Ausstellung "WILD - Tiere in der zeitgenössischen Fotografie" in Berlin.

Für unseren kulinarischen Genuss werden täglich unzählige Hühner, Schweine und Rinder geschlachtet. Dagegen erscheint uns allein der Gedanke, ein geliebtes Haustier zu verspeisen, völlig unvorstellbar. Wie passt das zusammen?

Mit dem ambivalenten Verhältnis zwischen Mensch und Tier können sich derzeit die Besucher der Ausstellung "WILD - Tiere in der zeitgenössischen Fotografie" der Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin auseinandersetzen. Dort werden in 70 Werken von 38 Fotografen die unterschiedlichsten Perspektiven auf die Tierwelt aufgezeigt, die den Betrachter staunen, lächeln und manchmal auch erschaudern lassen.

Die Frage, warum sich im Laufe der Zeit gerade der Hund zu einem Lieblingstier des Menschen entwickelt hat, hat für Harder vor allem praktische Ursachen: "Wenn die Funktion eines Tieres gleich mehrere Bereiche abdeckt, wird es für den Menschen besonders interessant. Der Hund ist da sehr vielfältig: Er kann gleichzeitig Spielkamerad, Begleiter und Beschützer sein."

Diese Fotografie von Bernhard Moosbauer trägt den Titel "Happyness".

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Marc Volk

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Im Gegensatz zum Haushund, möchte man meinen, führt dieses Quagga, eine Unterart des Zebras, ein wildes und ungezähmtes Leben. Doch die Augen, in die der Betrachter dieser Fotografie blickt, sind künstlich - die Zebra-Art, in den afrikanischen Steppen einmal weit verbreitet, wurde im 19. Jahrhundert ausgerottet. Das Bild zeigt ein ausgestopftes Exemplar in einem Museum.

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Martin Klimas, Courtesy the artist und Galerie Cosar HMT

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Diese Schnee-Eule ist zwar lebendig, die Aufnahme aber trotzdem trügerisch - wer glaubt, hier einen Vogel in freier Wildbahn zu sehen, irrt. Da viele Werke der so genannten "Wildlife-Photography" oftmals nur durch ihre nachträgliche Bearbeitung natürlich erscheinen, entschied sich der Fotograf Martin Klimax aus Düsseldorf für eine andere Methode.

Zusammen mit einem Falkner holte er Eulen und Adler in sein Studio, wo er die Vögel durch einen abgedunkelten Raum fliegen ließ. In dem Moment, in dem ein Tier durch eine Fotofalle flog, belichtete es sich selbst und wurde im Bruchteil einer Sekunde geblitzt. Durch dieses Vorgehen entstand der Eindruck, dass es sich um Aufnahmen im natürlichen Lebensraum des Tieres handelt.

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Ingar Krauss

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Landet diese Taube gleich auf dem Teller? Für Harder lässt sich diese Fotografie, aufgenommen von Ingar Krauss, dahingehend interpretieren: "Es ist ein Tier erlegt worden, das gleich in Nahrung verwandelt wird." Tatsächlich weckt das blasse Stillleben des Fotografen keine Assoziationen an einen lebendigen Vogel - ob es den Appetit auf ein gebratenes Täubchen weckt, ist seinerseits fraglich.

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Carina Linge, Courtesy Galerie Jarmuschek + Partner, Berlin

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Wenig Lust auf Fleisch dürfte auch diese Fotografie eines gehäuteten Kaninchens machen, die faszinierend und abstoßend zugleich wirkt.

"Das Kaninchen ohne Fell wird beinahe zärtlich im Arm gehalten - andererseits ist es doch nur Nahrung. Hier wird das Verhältnis zwischen Mensch und Tier treffend auf den Punkt gebracht", so Harder. Obwohl es uns normal erscheint, Körperteile oder ganze Tiere beim Metzger oder im Supermarkt zu kaufen, wird der Anblick dieses getöteten Kaninchens die meisten Betrachter verstören. Der Gedanke, dass es sich um Tier handelt, das bis vor kurzem noch lebte, lässt sich nicht so einfach ausblenden.

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Andrei Liankevich

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Auch dieser Hirschkopf, der gerade als Trophäe präpariert wird, zeigt etwas, was wir normalerweise nicht zu sehen bekommen. "Die Fotografie von Andrei Liankevich stammt aus einer Reihe, die er bei einem Tierausstopfer in Weißrussland aufnahm. Sie zeigt das Aushöhlen des Tieres und das Ausstopfen mit Sägemehl, Papier oder Stoffbinden. Das ist ein langer Prozess, nachdem das Tier aber wieder wie lebendig aussieht", erklärt Harder. Für ihn sind es besonders solche Symbolbilder, die ...

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Romana Prinoth

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... den Besucher zum Nachdenken über sein individuelles Verhältnis zur Tierwelt anregen sollen. Gerade die unterschiedliche Rangfolge des Tieres, von der Nahrungsquelle über die Trophäe bis hin zum besten Freund, sollen in den Fotografien aufgegriffen werden.

"Manche Bilder zeigen das Nutzbarmachen der Tiere, andere zeigen nur das faszinierende Schimmern ihres Felles - und am Ende fragt man sich selbst: Was machen wir eigentlich mit diesen ganzen schönen Tieren?", so der Kurator.

Diese Fotografie von Romana Prinoth trägt den Titel "Libelle in Todesangst".

Wild Ausstellung Berlin

Quelle: Birgit Kleber

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Mit einem Nutztier hat diese Figur aus Plüsch wohl wenig gemeinsam - doch neben Erinnerungen an das heißgeliebte Kuscheltier aus der Kindheit ist auch diese Fotografie von Birgit Kleber ein Beispiel dafür, wie bestimmte Arten wilder Tiere vom Menschen verniedlicht werden.

Für Harder sind es gerade solche Betrachtungen, die unser Verhältnis zum Tier charakterisieren: "Einerseits verehren wir sie, andererseits verzehren wir sie - dieses Wechselverhältnis bestimmt unsere Beziehung zu Tieren."

Die Ausstellung "WILD - Tiere in der zeitgenössischen Fotografie" ist noch bis 14. September 2014 in der Alfred Ehrhardt Stiftung in Berlin zu sehen.

© SZ.de /mkoh
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