Louise Fletcher wird 80:Eiskalter Engel

Louise Fletcher wird 80: Louise Fletcher als Oberschwester Ratched in " Einer flog über das Kuckucksnest" aus dem Jahr 1975

Louise Fletcher als Oberschwester Ratched in " Einer flog über das Kuckucksnest" aus dem Jahr 1975

(Foto: Imago Stock&People)

Weil den Granden der Zeit die antifeministische Rolle in "Einer flog über das Kuckucksnest" nicht in die Karriereplanung passte, bekam Louise Fletcher den Job ihres Lebens. Nun wird die Schauspielerin, seinerzeit legendär böse als Schwester Ratched, 80 Jahre alt.

Von David Steinitz

In der Hitliste der fiesesten Monster der Filmgeschichte, die das American Film Institute vor ein paar Jahren per Großumfrage ermittelt hat, rangiert Louise Fletcher noch vor dem Alien und dem weißen Hai. Als sadistische Oberschwester Ratched malträtierte sie in "Einer flog über das Kuckucksnest", 1975, den armen Jack Nicholson und seine Mitinsassen in der psychiatrischen Anstalt - aber nicht durch Zähnefletschen und sonstiges Monstergewackel. Sondern durch eine Ruhe und Strenge, die vor allem im Kontrast zu all den Gesichtsgrimasseuren um sie herum - Nicholson, Danny DeVito, Christopher Lloyd - etwas Monströses bekam. Und am Schlimmsten: ihr Lächeln, schockgefrostet: "Wenn Mr. McMurphy seine Medizin nicht oral einnehmen möchte, dann finden wir bestimmt eine andere Möglichkeit".

Der unschuldig eingesperrte McMurphy (Nicholson) weiß natürlich, dass er den Kampf gegen dieses Schwester-Monster nicht gewinnen kann - aber nur um einmal diese gnadenlosen Gesichtszüge zum Entgleisen zu bringen, wirft er sie zu Boden, legt die Hände um ihren Hals und drückt so fest wie möglich zu, bis die Wärter ihn wegreißen. "Ich habe", erinnerte sich Fletcher, "die grausame Dimension dieser Rolle erst verstanden, als ich den Film mit Publikum gesehen habe - und die Menschen vor Begeisterung klatschten, als Nicholson mich würgte."

Dabei hatte sich das Südstaaten-Mädchen Louise Fletcher, geboren am 22. Juli 1934 in Alabama, in den Siebzigerjahren eigentlich schon aus dem Filmgeschäft zurückgezogen - und hätte die Rolle ihres Lebens fast nicht gespielt. In den Fünfzigerjahren war sie durchs Fernsehen berühmt geworden, nach der Geburt ihrer beiden Söhne wollte sie aber ganz für die Kinder da sein. Erst Robert Altman schaffte es, sie 1974 wieder zu einer Rolle zu überreden, in seinem Gaunerstück "Diebe wie wir". So wurde Miloš Forman auf sie aufmerksam, der händeringend eine Schwester Ratched suchte.

In Hollywood war die Frauenbewegung in vollem Gang, da passte vielen eine so antifeministische Rolle nicht in die Karriereplanung: Anne Bancroft, Jane Fonda, Faye Dunaway - hatten alle abgewunken. Den Oscar, den Fletcher schließlich für ihre eiskalte Vorstellung bekam, widmete sie ihren taubstummen Eltern, die sie gelehrt hatten, auch ohne Worte zu sprechen - und sie so in die Schauspielkunst einführten.

Wie man aber den Ruhm einer solchen Rolle verwaltet, da hat Fletcher viel experimentieren müssen. Sie versuchte es erst mit ganz gegensätzlichen Rollen, wurde in den Neunzigerjahren einer der Stars der TV-Serie "Star Trek: Deep Space Nine". Bald aber verlegte sie sich auf ziemlich herrliche Parodien ihres legendären Auftritts, in äußerst übermütterlichen Rollen. Beispielsweise in der Neuauflage der "Cruel Intentions/Eiskalte Engel", 1999, als Tante des Intriganten Ryan Phillippe. Oder zuletzt als Ex-Knacki und Meth-Dealerin in der famosen TV-Säufer-Comedy "Shameless", wo Fletcher, die nun 80 Jahre alt wird, ihr Talent fürs Eiskalte mit viel Bukowski-Humor ordentlich erhitzt

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