Studium:Frischekur fürs Bafög

Hörsaal

793 Studenten sitzen am 10.04.2014 bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im großen Hörsaal.

(Foto: dpa)

Die Koalition plant eine Reform, durch die zusätzlich 110 000 Schüler und Studenten Geld bekommen könnten. Vieles soll besser werden, doch die nun vorgelegten Eckpunkte enttäuschen. Die wichtigsten Antworten zur geplanten Gesetzesreform.

Von Johann Osel und Roland Preuß

Die Reform werde "ein großer Wurf", vermeldete die Unionsfraktion. Am Montag stellte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) Eckpunkte vor, was sich beim Bafög 2016 ändern soll. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag war die Ausbildungsförderung noch mit keinem Satz aufgetaucht. In der Eile der Verhandlungen "vergessen", hieß es damals. Tatsächlich waren noch viele Aspekte umstritten oder unklar. Die wichtigsten Antworten zur geplanten Gesetzesnovelle.

Was ist der Vorteil, wenn der Bund künftig alleine das Bafög übernimmt?

Derzeit teilen sich Bund (65 Prozent) und Länder (35 Prozent) die Kosten. Die Bafög-Ausgaben sind ein beachtlicher Posten in den Haushalten, zuletzt waren es 3,3 Milliarden Euro pro Jahr. Wegen der Schuldenbremse dürften einige Länder Probleme bekommen, ihren Anteil zu schultern. Schon bei kleineren Bafög-Erhöhungen in der Vergangenheit hatten sie im Bundesrat oft gefeilscht. Nun soll der Bund von 2015 an das Bafög allein tragen. Die Länder sollen das eingesparte Geld für ihre Schulen und Hochschulen verwenden - und zwar ausschließlich. Ob das wirklich so kommt, das dürfte spannend werden.

Wie viele Studenten kommen momentan in den Genuss der Förderung?

Derzeit erhalten 630 000 Studenten und Schüler Bafög. Der Hauptanteil entfällt dabei auf Hochschüler, bei den Schülern handelt es sich meist um Jugendliche an beruflichen Schulen, die nicht mehr zu Hause wohnen. Die Quote der geförderten Studenten liegt - je nach Rechenart - zwischen 28 und 32 Prozent. Laut der Sozialerhebung des Bundes beziehen im Osten etwas mehr Studenten Geld als im Westen. Im Schnitt werden 443 Euro monatlich gezahlt.

Wie sieht die Verbesserung aus?

Im neuen Konzept sollen nun die Beträge um sieben Prozent steigen. Der monatliche Höchstsatz steigt von 670 auf 735 Euro, darin enthalten ist aber auch eine höhere Wohnpauschale. Allerdings gab es seit einigen Jahren keine Erhöhungen oder nur ein Plus in Höhe der Inflation.

Kritik löste am Montag auch der späte Termin im Jahr 2016 aus. Für jedes zu betreuende Kind gibt es einen Zuschlag von 130 Euro. Bisher waren es 113 Euro für das erste Kind, 80 Euro für jedes weitere. Für Bafög-Empfänger mit Sparbuch steigt der Freibetrag von bisher 5200 Euro auf 7500 Euro. Die Elternfreibeträge zur Anspruchsberechnung werden ebenfalls um sieben Prozent angehoben. So können laut Ministerium zusätzlich 110 000 Menschen Geld erhalten.

Wie wichtig ist das Bafög für die soziale Gerechtigkeit bei der Bildung?

Das Grundprinzip hat sich über mehr als vier Jahrzehnte bewährt, millionenfach: Hat jemand die Fähigkeiten für ein Studium, dann darf der Geldbeutel der Eltern dem nicht im Wege stehen. Details zur Wirkung bieten Umfragen für die Sozialerhebung. "Ohne Bafög könnte ich nicht studieren" - dem Satz stimmten 80 Prozent der Leistungsempfänger zu. Bei den meisten Studenten läuft das Einkommen auf eine Mischfinanzierungen hinaus, aus Zuschüssen der Eltern, Bafög, Nebenjobs sowie teils auch Stipendien oder Krediten.

Ist weiterhin die Hälfte des Bafög nach dem Studium zurückzuzahlen?

Ja, die Regel bleibt bestehen. Die Bafög- Empfänger erhalten das Geld zur einen Hälfte als Zuschuss, zur anderen Hälfte als zinsloses Darlehen, das fünf Jahre nach Ende der Förderung in Raten zurückgezahlt werden muss. Das war nicht immer so: Als das Gesetz 1971 in Kraft trat, gab es hundertprozentige Förderung. Von 1974 an wurde ein Darlehensanteil eingeführt. Begründet wurde der Schritt damit, dass die Steuerzahler entlastet werden müssten. Denn die Förderung hatte sich so großer Beliebtheit erfreut, dass ein Jahr nach der Einführung 45 Prozent aller Studenten Geld erhielten - der Höchststand bis heute.

1983, nach dem Antritt der Regierung Helmut Kohl, wurde der Zuschuss ganz gestrichen, Bafög war vollständig zurückzuzahlen. Die Förderquote brach bis 1989 auf 18 Prozent ein. Die bis heute gültige Regelung - halb Zuschuss, halb Darlehen - wurde 1990 konzipiert. Mit der Bafög-Änderung 2010 wurde aber der Teilerlass abgeschafft: Wer in der Regelstudienzeit und mit guten Noten (unter den besten 30 Prozent des Jahrgangs) studiert, kann seitdem keine Reduzierung mehr beantragen.

Höherer Wohnungszuschlag und Entbürokratisierung

In Zukunft gibt es einen höheren Wohnzuschlag - warum ist das nötig?

Der Zuschuss für nicht mehr im Elternhaus lebende Studenten steigt - allerdings nur von 224 Euro auf 250 Euro. Er ist Teil der Förderung, wird also nicht obendrauf gezahlt. In Metropolen und in klassischen Uni-Städten leiden Studenten unter den angespannten Wohnungsmärkten, es wird immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen und Zimmer zu ergattern. Laut Statistik geben Studenten im Schnitt 34 Prozent ihrer Einnahmen für Miete aus, rund 300 Euro. Der Wert steigt seit Jahren.

Besonders teuer ist studentisches Wohnen in Köln, München und Hamburg, im Schnitt zahlen Studenten dort mehr als 350 Euro. In Chemnitz sind es nur 211 Euro, in Dresden, Erfurt und Halle jeweils knapp 250 Euro. Dies zeigt, dass es ein West-Ost-Gefälle gibt.

72 Prozent der Studenten berichteten jüngst in einer Allensbach-Studie von Problemen bei der Wohnungssuche. "Eine Erhöhung des Zuschlags um 26 Euro deckt vielerorts nicht ansatzweise den Bedarf", hieß es vom Deutschen Studentenwerk, das viele Studentenwohnheime betreibt. Besser wäre es, "wenn Bund und Länder sich endlich zu einer konzertierten Aktion zusammenfänden" und den Ausbau von Heimen bezuschussten.

Dürfen Studenten neben dem Bafög eigentlich auch jobben?

Die Zuverdienstgrenze für Bafög-Empfänger soll von 400 auf 450 Euro steigen. Zwei Drittel aller Studenten jobben neben dem Studium oder in den Ferien. Am beliebtesten sind laut Umfragen Tätigkeiten im Büro, direkt an der Universität, in der Gastronomie und als Nachhilfelehrer.

Orientiert sich das neue Bafög nun stärker an der Bologna-Studienreform?

In der neuen Struktur von Bachelor und Master wird eine mögliche Lücke zwischen den beiden Studienabschnitten oft zum Problem. Generell liegt die Nachfrage nach Stufe zwei des Bologna-Studiums höher als das Angebot an Plätzen, Studenten müssen zuweilen länger suchen. Da sie in der Zeit nicht eingeschrieben sind, gibt es Probleme beim Bafög-Bezug. Die Förderlücke zwischen Bachelor und Master wird fortan zumindest zum Teil geschlossen. Die Förderung nach dem Bachelor wird beim Übergang um maximal zwei Monate verlängert.

Keine Änderung gibt es, anders als von Kritikern erhofft, bei den Bafög-Altersgrenzen. In der neuen Struktur gehen viele Absolventen nach dem Bachelor erst einmal in den Beruf, streben aber womöglich später noch den weiterführenden Master an. Stichwort: Lebenslanges Lernen. Dabei können sie älter als 35 Jahre sein - der jetzigen Altersgrenze für Bafög-Bezug. Ministerin Wanka hatte im SZ-Interview kurz nach ihrem Amtsantritt 2013 das Problem der starren Altersgrenzen ausdrücklich als Teil einer möglichen Reform benannt.

Ändert sich etwas bei der Bürokratie?

Komplizierte Anträge, lange Schlangen beim Studentenwerk - das Antragsverfahren ist Studenten oft ein Graus. Das neue Bafög-Gesetz soll, so verheißen die Eckpunkte, "zur Entbürokratisierung beitragen". Gestrichen werden gewisse Nachweispflichten während des Studiums. Vor allem aber werden die Länder aufgefordert, bis August 2016 elektronische Antragstellungen zu ermöglichen. Derzeit hat nur etwa die Hälfte der Länder ihre Studentenwerke entsprechend ausgestattet, weniger als ein Drittel aller Bafög-Empfänger stellen ihren Antrag im Internet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: