Elektrische Aufladung:Renn-Diesel unter Strom

Audi RS 5 TDI concept

Der Audi RS 5 TDI Concept soll zeigen, was die elektrische Aufladung für Dieselmotoren leisten kann.

(Foto: Audi AG)

Schon oft wurde dem Dieselmotor der schleichende Tod vorhergesagt. Doch die Hersteller hauchen ihm immer wieder neues Leben ein, wie nun Audi mit dem elektrischen Turbo. Bei der Technologie geht es weniger ums Spritsparen - der Diesel soll an Kraft zulegen.

Von Joachim Becker

Wir schreiben das Jahr 117 seit Erfindung des Dieselmotors. Kein Antrieb hat größere Fortschritte gemacht - und keiner wurde derart regelmäßig als "nicht zukunftsfähig" verrissen. Aller Kritik zum Trotz bleibt der direkt einspritzende Selbstzünder das Aggregat mit dem höchsten thermischen Wirkungsgrad. "25 Jahre TDI bedeuten ein Vierteljahrhundert beeindruckenden technologischen Fortschritt", sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg, "die Elektrifizierung ist der nächste große Schritt."

In naher Zukunft will Audi einen TDI E-tron in Serie bringen, der den 3.0 V6 TDI mit einer leistungsstarken E-Maschine koppelt. Der erste Plug-in-Hybrid für den Ingolstädter Längsbaukasten wird es auf eine Systemleistung von 275 kW (374 PS) und ein Drehmoment von 700 Nm bringen, die elektrische Reichweite soll über 50 Kilometer liegen.

Der Charme des elektrischen Fahrens kombiniert mit der Effizienz des Selbstzünders: Diese Kombination von Hightech-Aggregaten kann auch im Alltag zu Minimalverbräuchen führen. Allerdings ist der technische Aufwand für diesen Sparantrieb kaum noch zu toppen - und entsprechend teuer. Außerdem schleppt so ein Plug-in-Hybrid knapp 200 Kilogramm Zusatzgewicht mit sich herum.

Audi will BMWs Technik-Vorsprung minimieren

Richtig sportlich ist so ein Alleskönner also nur mit einer speziellen Leichtbaukarosserie wie im BMW i8. Bereits im aktuellen Audi 4.2 TDI lastet der Antrieb schwer auf der Vorderachse: Der Achtzylinder bringt 250 Kilogramm auf die Waage, um 283 kW (385 PS) zu mobilisieren. Ein spürbarer Zentner leichter ist der Triturbomotor von BMW, dem drei Liter Hubraum für erstaunliche 280 kW (381 PS) Leistung genügen. Einen dritten Turbolader bringen die Ingolstädter im V-Winkel ihrer Sechszylinder aber nicht mehr unter, um auf eine Literleistung von rund 100 kW zu kommen.

Vorsprung durch (Reihenmotor-)Technik aus München also, der dem Erzrivalen Audi keine Ruhe lässt. Seit 2012 entwickelt die Marke mit den vier Ringen einen elektrischen Biturbo, der dem V6-TDI Beine machen soll. Je nach Leistungsstufe integriert er statt eines zweiten oder gar dritten Turbinenrads eine kleine E-Maschine in die Aufladeschleife des Abgasstrangs (außerhalb des V-Winkels). Der Verdichter braucht nur 250 Millisekunden, um sieben kW Antriebsleistung freizusetzen. Was geringfügig klingt, ist der entscheidende Gasstoß, wenn normale Turbolader bei niedrigen Drehzahlen Flaute haben.

Tatsächlich zieht der RS 5 TDI concept mit trompetenden Auspuff auch einem wesentlich stärkeren Audi RS6 aus dem Stand davon. Audi-Entwickler taxieren den Spurt von null auf 100 km/h auf etwa vier Sekunden. Beim Ampelstart soll der elektrische Extra-Boost für einen Vorsprung von gut zwei Autolängen gegenüber einem herkömmlichen V6 TDI Biturbo gut sein.

Erster Diesel unter dem RS-Label

Technik-Illustration Audi RS 5 TDI concept

Mit allerlei Hightech versucht Audi, den Dieselmotor kräftiger und sportlicher zu machen.

(Foto: Audi AG)

Im direkten Vergleich fällt der neue Audi A7 Sportback 3.0 TDI Competition tatsächlich ab. Obwohl dessen 3,0-Liter-Biturbo auf 240 kW (326 PS) erstarkt ist, wirkt er ohne den Zusatzbums aus der Batterie erstaunlich brav. Für das Rennsportlabel RS ist ein anderes Kaliber gefragt: Ende nächsten Jahres könnte das RS 5 TDI concept mit einer Leistung von 283 kW (385 PS) in Serie gehen. Dank des elektrischen Laders kann der V6 nicht nur dem Achtzylinder-TDI, sondern auch dem BMW Triturbo locker Paroli bieten. Dieser beschleunigt den BMW M550d in 4,7 Sekunden von null auf 100 km/h. Damit fällt er um 0,7 Sekunden gegenüber dem Audi zurück - das sind Welten im Segment der Supersportler!

Ein Vergleich der Drehmomentkurven verdeutlicht, dass auch die besten Abgasturbolader erst mit Verzögerung Ladedruck aufbauen können: Während der elektrische Biturbo seinen maximalen Schub von 750 Nm schon bei 1250/min bereitstellt, braucht der BMW Triturbo mindestens 2000/min, um auf der Drehmomentwoge von 740 Nm zu schwimmen.

Der nahezu ansatzlose Kraftaufbau bei niedrigsten Drehzahlen lässt an Elektrosportler wie das Model S von Tesla denken. Eigentlicher Clou des elektrischen Biturbos ist aber nicht der röhrende Kavalierstart, sondern das jederzeit verfügbare Drehmoment. Dreizylinder-Diesel oder -Benziner können damit schwere SUV-Modelle samt Anhänger wie eine Seilwinde aus dem Stand vorwärtsziehen.

Audi glaubt an den Turbodiesel

Der Downsizing-Trend zu immer kleineren Motoren wird durch den elektrischen Rückenwind also weiter vorangetrieben. Von Vorteil ist dabei, dass die Elektrotechnik nicht unbedingt ein separates 48-Volt-Stromnetz benötigt. Im RS 5 TDI concept sorgt die zweite Spannungslage und eine kompakte Lithium-Ionen-Batterie im Gepäckraum (2,8 Kilowattstunden Kapazität) dafür, dass auch beim Superspurt nicht die Lichter ausgehen. Allerdings braucht der E-Lader meist nur drei Kilowatt elektrische Leistung. Die restliche Energie steht für 48-Volt-Verbraucher wie eine aktive Wankstabilisierung oder eine elektrisch betriebene Klimaanlage zur Verfügung. Weiterer Vorteil: Die Energie wird in Schubphasen per Generator kostenlos erzeugt und gespeichert.

Audi will das 48-Volt-Teilbordnetz schon bald in mehreren Modellreihen auf den Markt bringen. Für den nächsten Audi A4 oder A3 ist die höhere Spannung aber nicht unbedingt nötig: "Beim Vierzylinder reicht das Zwölf-Volt-Bordnetz und ein Kurzzeit-Energiespeicher, um den elektrischen Lader für zwei bis drei Sekunden anzutreiben", erläutert Ulrich Weiß, Leiter Entwicklung Dieselmotoren bei Audi. Damit dürften auch die Vierzylinder-Top-Diesel auf eine Literleistung von 100 kW kommen. Durch den Entfall von zwei Zylindern gegenüber dem V6 liegen die Verbrauchswerte aber gerade im Alltagsbetrieb um mindestens zehn Prozent niedriger. "Seit dem Jahr 2000 haben wir den Verbrauch um mehr als 30 Prozent reduziert. Mit dem gleichen Tempo sind wir auch weiterhin unterwegs", betont Ulrich Weiß: "Ich bin mir sicher, dass der Diesel auch 2020 der effizienteste Antrieb im CO₂-Vergleich sein wird."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: