Bankrotte Windenergie-Firma:Richterin erkennt Anhängern des Prokon-Gründers Stimmrecht ab

Prokon-Gläubigerversammlung

Tausende Prokon-Gläubiger: kurz vor Beginn der Versammlung in einer Messehalle in Hamburg

(Foto: dpa)

Wie soll es weitergehen mit der Pleite-Firma Prokon? Gründer Carsten Rodbertus tritt gegen den Insolvenzverwalter an. Auf der größten Gläubigerversammlung der deutschen Wirtschaftsgeschichte kommt es heute zum Showdown.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Ihnen ist es ernst. Es ist früh am Morgen in Hamburg, etwa hundert Menschen warten in der Sonne vor einer Messehalle. Dann, endlich, öffnen einige der gut 90 Schalter und der Einlass startet - für eine Veranstaltung, die erst am späten Vormittag beginnt. Die Wartenden wollen nicht etwa in ein Klassik-Matinee. Sie sind Anleger der Pleite-Firma Prokon. Ihnen geht es um ihr Geld - oder besser um das, was davon noch zu retten ist. Dazu tagt an diesem Dienstag in Hamburg die größte Gläubigerversammlung, die es in Deutschland je gegeben hat.

Vorsichtshalber wurde eine Halle für 13 000 Menschen gemietet, Tausende sind vor Ort. Etwa 75 000 Kapitalgeber hatten in den vergangenen Jahren gut 1,4 Milliarden Euro in dem mittlerweile zahlungsunfähigen Windenergieunternehmen angelegt, und zwar in Form von Genussscheinen. Gelockt wurden sie von der Vision des Gründers Carsten Rodbertus - und mit Renditeversprechen, die Gier weckten: Der Öko-Guru bot bis zu acht Prozent Zinsen. Diese einstigen Geldgeber dürfen nun allesamt zu der nicht öffentlichen Versammlung kommen, anmelden musste sich keiner.

Doch nicht jeder darf mitentscheiden. Zu Beginn der Versammlung erklärte die zuständige Richterin vom Amtsgericht Itzehoe die Stimmrechte von Tausenden Genussrechteinhabern für nichtig. Denn hinter ihnen stecke ein Vertrauter von Prokon-Gründer Rodbertus. Der darf aber als Betroffener nicht abstimmen.

Seit Jahresbeginn bangen die Investoren um ihr Geld. Am 22. Januar hatte die Prokon Regenerative Energien GmbH, die das Kapital für die Unternehmensgruppe eingesammelt hatte, vorläufige Insolvenz anmelden müssen. Zuvor hatten mehr als fünf Prozent der Anleger ihr Kapital zurückgefordert - die Firma aus Itzehoe wurde zahlungsunfähig. Insgesamt lag die Summe der gekündigten Genussrechte bei etwa 400 Millionen Euro.

Prokon-Gläubigerversammlung

Ex-Prokon-Chef Carsten Rodbertus kommt am Dienstag zur Gläubigerversammlung von Prokon in Hamburg.

(Foto: dpa)

Ex-Chef gegen Insolvenzverwalter

Zum Insolvenzverwalter wurde Dietmar Penzlin bestellt. Seit ein paar Monaten sind er und ein Team aus 30 Leuten in der Firma, mittlerweile haben sie sich einen Überblick verschafft. Am Dienstag nun sollen die Gläubiger über den vorläufigen Sanierungsplan abstimmen und darüber, ob der Hamburger Rechtsanwalt bis Jahresende die Rettung konkret ausarbeiten und als Verwalter bleiben darf. Anfang 2015 wird dann endgültig über den neuen Kurs von Prokon abgestimmt.

Dass Penzlin weitermachen darf wie bisher, ist keinesfalls sicher. Seit Wochen wird er von Prokon-Gründer Rodbertus heftig attackiert. Öffentlich bezeichnet der einstige Chef den Verwalter als "Lügner", der ihn persönlich diskreditieren wolle. Penzlin wolle die Gläubiger von Prokon in die Irre führen und habe von Anfang an bestimmte Anlegergruppen einseitig bevorzugt. Bei der Gläubigerversammlung will Rodbertus einen eigenen Plan zur Rettung vorstellen und angeblich seinen Vertrauten Alfons Sattler zum Insolvenzverwalter wählen lassen. Um dafür mobil zu machen, überhäuft er Anleger seit Wochen mit E-Mails.

Rodbertus unter Druck - er hat einen Alternativplan

Rodbertus steht mit dem Rücken zur Wand. Insolvenzverwalter Penzlin hatte den Ex-Chef und den Vertriebsleiter im April fristlos entlassen. Seit Mitte Juli ermittelt auch noch die Staatsanwaltschaft Lübeck offiziell gegen Rodbertus und weitere Top-Manager von Prokon. Der Ex-Chef wird der Insolvenzverschleppung und des schweren Betrugs verdächtigt. Rodbertus hatte solchen Vorwürfen in der Vergangenheit stets vehement widersprochen. Kurz vor der Versammlung kündigte der Verwalter zudem an, die verantwortlichen Manager auf Schadenersatz verklagen zu wollen, weil sie pflichtwidrig gehandelt hätten. Es gehe um "einen mindestens zweistelligen Millionenbetrag", sagt Penzlin. Auch das hat Rodbertus immer abgestritten.

Für Prokon und die Anleger wird es derweil ebenfalls eng: Im vergangenen Jahr hat die Firma 478 Millionen Euro Verlust gemacht. Laut Insolvenzverwalter haben sich Schulden von mehr als 1,5 Milliarden Euro aufgehäuft - zugleich soll das Vermögen aber nur bis zu eine Milliarde Euro betragen. Penzlin geht daher davon aus, dass die Anleger zwischen 30 und 60 Prozent ihres Kapitals verlieren könnten. "Die Ursache der Insolvenz liegt im Geschäftsmodell begründet", sagt er. So sei Prokon über viele Jahre darauf angewiesen gewesen, dass immer frisches Geld fließe. Neue Anleger seien mit Versprechungen über sechs, sieben oder gar acht Prozent Zinsen gelockt worden. "Das war aus unserer Sicht nicht vertretbar."

Teile verkaufen oder ganz erhalten?

Nun will Insolvenzverwalter Penzlin nur das Kerngeschäft - das Entwickeln und Betreiben von Windparks - und etwa 300 von ehemals 450 Arbeitsplätzen erhalten. Sein Konzept sieht vor, Unternehmensteile und Beteiligungen zu verkaufen und damit Forderungen zu begleichen. Bisherige Genussrechtsinhaber sollen aber auch in Zukunft an der Firma beteiligt bleiben können. Sie könnten ihre Genussrechte dann in echte Anteile tauschen.

Bereits überzeugt hat Penzlin die "Freunde von Prokon" mit rund 9500 Mitgliedern. Diese Anleger waren früher für Rodbertus eingetreten, haben sich inzwischen aber von ihm losgesagt. Der Verein gibt das von ihm vertretene Kapital mit etwa 270 Millionen Euro an und will bei der Versammlung für Penzlin votieren. Insgesamt muss mehr als die Hälfte des anwesenden und vertretenen Genussrechtskapitals den Plänen des Insolvenzverwalters zustimmen.

Rodbertus will das überschuldete Unternehmen dagegen als Ganzes erhalten. Er wirbt im Internet über die "Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von Prokon" für seine Pläne. Mehr als 15 000 Anleger mit deutlich mehr als 200 Millionen Euro will er bereits auf seiner Seite haben - doch viele von ihnen könnten zu Beginn der Versammlung ihr Stimmrecht verloren haben. Rodbertus will Prokon angeblich als Ganzes erhalten und verspricht Anlegern eine Rückzahlung von 90 bis 100 Prozent ihrer Einlagen innerhalb von drei bis fünf Jahren - zuzüglich zwei bis drei Prozent Zinsen, wenn sie seinem alternativen Insolvenzplan eine Chance geben. Unklar ist, ob er dann erneut als Chef antreten will.

Am frühen Abend könnten die Gläubiger abstimmen.

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