Bankrotte Windkraftfirma:Prokon-Gründer Rodbertus entmachtet

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Wiedersehen in Hamburg: Ex-Prokon-Chef Carsten Rodbertus (Mitte) spricht mit Gläubigern. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Der Fall Prokon ist eine der spektakulärsten Pleiten, die Gläubigerversammlung die größte, die es im Land je gegeben hat. Die Anleger der Windkraftfirma stimmen für den Rettungsplan - der Insolvenzverwalter hat über den Gründer gesiegt.

Von Kristina Läsker, Hamburg

Laut hallt die Stimme durch die Messehalle B6 in Hamburg, sie wird immer hektischer. "Ihr Vermögen wird verramscht, das ist Untreue und Betrug", gellt es durch den Saal. Am Pult steht ein kräftiger Mann mit dünnem Zopf und orangefarbenem Poloshirt. Er heißt Carsten und galt einst als Windkraft-Pionier, als Öko-Guru aus dem Norden. Doch jetzt steht da einer, der sich völlig in Worten verheddert, so erzählen es viele Teilnehmer später.

Zu Tausenden sind die Kleinanleger am Dienstag nach Hamburg gereist. Sie sind gekommen zur größten Gläubigerversammlung, die es im Land je gegeben hat. Zur großen Schlacht um Prokon.

Niemand wusste, wie viele Anleger erscheinen würden, um über die Rettung für die insolvente Windenergie-Firma und den Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin abzustimmen. Etwa 75 000 Kapitalgeber hatten zuletzt gut 1,4 Milliarden Euro in dem jetzt zahlungsunfähigen Unternehmen angelegt in Form von Genussscheinen. Gelockt von Gründer Rodbertus, der sechs bis acht Prozent Zinsen und die nachhaltige Zukunft mit Ökostrom versprach.

Jetzt bangen die Anleger um ihr Geld. Es sind 29 600 Gläubiger vertreten, persönlich oder per Vollmacht. Dutzende Justizbeamte in blauen Uniformen pilgern durch die Reihen. Selbst Gespräche mit dem Nachbarn hat die Leitende Richterin Sabine Wudtke verboten. Denn das hier ist eine Versammlung des Amtsgerichts Itzehoe. Ausgelagert in die größte Messehalle im benachbarten Hamburg. In Itzehoe in Schleswig-Holstein ist der Sitz von Prokon.

Begonnen hat das Ganze mit einem Paukenschlag. Nicht jeder Anleger dürfe über den Insolvenzplan mitentscheiden, verkündet die Richterin. Der Grund: Etliche Anleger hätten einem Strohmann von Eigentümer Rodbertus eine Vollmacht ausgestellt. Doch Rodbertus könne als Eigner nicht gleichzeitig die Interessen der Kapitalgeber vertreten, sagt Wudtke. Nach eigenen Angaben hatten Rodbertus und seine Helfer Vollmachten von mehr als 15 000 Anlegern eingesammelt.

Dann hat Insolvenzverwalter Penzlin das Wort. Zwei Stunden lang berichtet er über die ersten Wochen im Betrieb. Am 22. Januar hatte die Prokon Regenerative Energien GmbH vorläufige Insolvenz anmelden müssen. Zuvor hatten mehr als fünf Prozent der Anleger ihr Kapital zurückgefordert - die Firma wurde zahlungsunfähig. Geschäft für Geschäft haben Anwalt Penzlin und sein Team aus 30 Leuten durchgekämmt- was sie fanden, war abenteuerlich. Kein Controlling, kaum Kennzahlen, kein Jahresabschluss, kein Monatsabschluss, eine verunsicherte Belegschaft.

Die Nebengeschäfte sollen weg

Es seien "sehr problematische Zustände" gewesen, sagt Penzlin. Laut Gutachten habe Prokon 2013 ein Minus von 478 Millionen Euro gemacht. Auch der Vorsteuerverlust betrug sieben Millionen Euro. Es ist eine gefährliche Lage: Die Schulden haben sich auf knapp 1,6 Milliarden Euro aufgehäuft - aber das Vermögen beträgt nur eine Milliarde Euro. Dazwischen klafft ein gewaltiges Loch. Eines, das mit Anlegergeld gestopft werden muss. Er gehe davon aus, dass die Anleger bis zu 60 Prozent ihres Kapitals verlieren könnten, sagt Penzlin. Es ist sehr still im Saal.

Retten will der Verwalter die Ökofirma trotzdem. Prokon 2.0 - so lautet der Arbeitstitel für den Neubeginn. Dazu will der 43-jährige Jurist das Kerngeschäft erhalten und 300 von 450 Arbeitsplätzen erhalten. Prokon soll künftig Windparks in Deutschland, Polen und Finnland entwickeln, bauen und betreiben. Heute verfügt die Firma bereits über 281 Windmühlen in Deutschland und 13 Parks in Polen. Trennen will sich Penzlin von Nebengeschäften wie dem Pflanzenölwerk in Magdeburg und den Darlehen für Holzbetriebe in Torgau sowie von Wäldern in Rumänien.

Dann kommt der Moment, an dem viele aufhorchen. Denn Penzlin will die Genussrechte-Inhaber künftig zu Eignern der Firma machen. Sie sollen ihre Genussscheine in Eigenkapital wandeln dürfen. Wenn sie das wollen. Er weiß, dass es solche Worte braucht, damit die Menschen für seinen Rettungsplan stimmen. Immer wieder hatte es Gerüchte gegeben, dass Penzlin auch einen Großinvestor akzeptieren würde, der das Unternehmen womöglich zerschlägt. Ausschließen will er einen solchen Investor am Dienstag nicht, doch dass die Gläubiger die Macht übernähmen, sei "der favorisierte Weg", sagt er.

Genau vor solchen Investoren hatte auch Gründer Rodbertus immer wieder gewarnt ebenso wie vor der "geplanten Zerschlagung". Zuletzt fast täglich hatte er Anleger mit E-Mails bombardiert, um gegen Verwalter Penzlin zu hetzen. Denn Rodbertus steht mit dem Rücken zur Wand. Verwalter Penzlin hatte den Ex-Chef im April fristlos entlassen. Seit Mitte Juli ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Lübeck offiziell gegen ihn. Der Ex-Chef wird der Insolvenzverschleppung und des schweren Betrugs verdächtigt. Rodbertus hatte den Vorwürfen stets vehement widersprochen.

Eigentlich hat Rodbertus am Dienstag noch einmal die Massen begeistern wollen. Immer wieder hat er in E-Mails vorab von einem eigenen Sanierungsplan erzählt und davon, wie er den Anlegern langfristig doch noch das Geld samt Zinsen zurückzahlen will. Doch dazu kommt es am Dienstag nicht. Oben auf der Bühne steht vielmehr ein 53-Jähriger, der ahnt, dass er bald alles verlieren wird. Weil die Menschen später für den Rettungsplan von Penzlin stimmen werden und dafür, dass der Verwalter bleibt und Rodbertus entmachtet wird. "Ich möchte mich bei meinen wenigen verbliebenen Freunden bedanken", ruft der Firmengründer. Dann ist seine Redezeit um.

© SZ vom 23.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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