Zeremonie in Eindhoven:Niederlande empfangen die Toten von Flug MH17

Einhoven Airport

Auch auf dem Flughafen Eindhoven weht vor der Ankunft der ersten Todesopfer die niederländische Flagge auf halbmast

(Foto: Getty Images)

Flaggen wehen auf halbmast, Glocken läuten, der Rundfunk sendet werbefrei. In Eindhoven sind zwei Flugzeuge mit den ersten Opfern des Fluges MH17 gelandet. Eine Antwort auf die drängendste Frage der Hinterbliebenen gibt es noch immer nicht.

Von Martin Anetzberger

Es sind die verbitterten Worte eines Vaters, der seine 17-jährige Tochter verloren hat: "Vielen Dank Herr Putin, Führer der Separatisten oder Regierung der Ukraine", schreibt Hans de Borst auf Facebook sarkastisch, "dass Sie mein geliebtes und einziges Kinder ermordet haben". Er hoffe, sie seien stolz darauf. Sein Leben sei "ruiniert".

Die Worte stammen vom 20. Juli, dem dritten Tag nach dem Abschuss des Malaysia-Airline-Fluges MH17, und der Eintrag macht deutlich, dass de Borst da noch nicht weiß, wer verantwortlich für den Tod seiner Tochter ist. US-Geheimdienstmitarbeiter gehen inzwischen davon aus, dass prorussische Separatisten die Boeing abgeschossen haben. Dass die Rebellen das Flugzeug demnach vermutlich nicht absichtlich trafen, es sich also um einen Unfall handeln könnte, wird die Trauer des Niederländers kaum lindern.

Erster nationaler Trauertag seit 1962

Erneut drei Tage später, am heutigen Mittwoch, muss der Mann seiner Trauerarbeit ein weiteres Kapitel hinzufügen. So wie viele andere seiner Landsleute, die schockiert sind vom Tod der insgesamt 193 Niederländer, die an Bord der Boeing von Amsterdam in die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur fliegen wollten. Denn heute sind die ersten Opfer des Flugzeugabsturzes in die Niederlande gebracht worden. Im Beisein des niederländischen Königspaares, von Ministerpräsident Mark Rutte und zahlreicher Angehöriger landete ein niederländisches Hercules-Transportflugzeug auf dem Flughafen von Eindhoven. Kurz danach folgte eine australische Maschine. Beide waren am Morgen mit insgesamt 40 Särgen an Bord im ukrainischen Charkow gestartet.

Die Regierung hat den Mittwoch zum Tag der nationalen Trauer erklärt, es ist der erste seit dem Tod von Königin Wilhelmina 1962. Die Flaggen wehen auf halbmast, der Rundfunk strahlt keine Werbung aus, viele Kirchen werden um 15.55 Uhr ihre Glocken für fünf Minuten läuten.

Das Gefühl der Trauer hatte sich am Montag beim Außenminister des Landes, Frans Timmermans, in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat in New York in Wut verwandelt. Der Tod so vieler Landsleute habe ein Loch in das Herz seiner Nation gerissen, sagte Timmermans. Er wurde sehr persönlich: "Stellen Sie sich vor, Sie erfahren, dass Ihr Mann getötet wurde und dann ... sehen Sie Bilder, wie irgendein Verbrecher den Ehering von seiner Hand stiehlt." Er werde nie verstehen, warum den Rettern erst so spät erlaubt wurde, "ihre schwierige Arbeit zu machen und dass die Leichen von Menschen für ein politisches Spiel missbraucht wurden".

Dieses politische Spiel dauert bis heute an. Denn nach wie vor schieben sich die Beteiligten an dem vom Internationalen Roten Kreuz mittlerweile als Krieg eingestuften Konflikt die direkte oder indirekte Verantwortung für den Abschuss von MH17 zu. Die Europäische Union droht Russland unter dem Eindruck des Absturzes mit weiteren Sanktionen, die unter anderem Militärgüter und Hochtechnologie betreffen könnten.

Doch das dürfte für die Hinterbliebenen weniger wichtig sein als Antworten auf ihre Fragen zu bekommen: Wie konnte es dazu kommen, dass eine Passagiermaschine mit einer Rakete vom Himmel geholt wurde? Wer sind die Schuldigen? Wie können sie bestraft werden?

Alle 298 Todesopfer werden in die Niederlande gebracht

Auf den Webseiten der beiden wichtigsten Zeitungen des Landes, De Volkskrant und De Telegraaf, dreht sich die Berichterstattung am Mittwochmittag in erster Linie um die Hinterbliebenen und die Rückkehr der Opfer in das Land, in dem ihre Reise begann. Mit einer Schweigeminute und dem Empfang in Eindhoven ehren die Niederlande auch 105 Tote aus neun anderen Staaten. Alle Leichen werden nach und nach von Charkow in der Ukraine in die Niederlande gebracht, die auf Bitten der Regierung in Kiew die offizielle Leitung der Untersuchung zur Absturzursache übernommen haben. Die Flugschreiber wurden zur Auswertung nach Südengland gebracht.

Die Särge sollen noch heute auf den Militärstützpunkt Hilversum nahe der Hauptstadt Amsterdam gefahren werden. Laut Volkskrant werden die Autobahnen A2 und A27 am Nachmittag dafür zeitweise gesperrt. Die Regierung erwartet, dass bis zum Freitag alle Toten in den Niederlanden sein werden. Dort sollen sie identifiziert werden.

Bis die Identität aller Opfer festgestellt ist, kann es mehrere Wochen bis Monate dauern. Erst danach werden die Angehörigen ihre Toten beerdigen können. Im Interesse der Trauernden sollte auch spätestens dann der Absturz von Flug MH17 aufgeklärt sein.

Mit Material von dpa.

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