Israels Gazaoffensive:Nutznießer arabischer Schwäche

Airstrikes on Gaza

Rauch steigt in Gaza-Stadt nach israelischem Beschuss auf. Israel setzt seine Angriffe auf die Hamas fort, die Kämpfe werden noch ein paar Tage andauern.

(Foto: dpa)

Ägyptens Präsident al-Sisi und der junge Emir von Katar ringen um die Führungsrolle in Nahost. Von dem Machtkampf scheint vor allem Israel zu profitieren. Doch es sollte sich daran nicht erfreuen, sondern Frieden mit den Palästinensern suchen, bevor noch viel radikalere Feinde ins Haus stehen.

Ein Kommentar von Tomas Avenarius, Kairo

Der US-Außenminister mit dem breiten Lächeln über dem Boxerkinn fliegt im Nahen Osten herum, der stets maskenhaft blickende UN-Generalsekretär auch. In Kairo laufen sich John Kerry und Ban Ki Moon im Büro des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi über den Weg, bevor beide weiterjetten.

Der junge Emir von Katar besucht derweil den alten König von Saudi-Arabien, der ziemlich schlecht auf ihn zu sprechen ist. Und in Doha setzen sich die Chefs der untereinander ebenfalls tief verfeindeten Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah zusammen. Zwischendrin telefoniert jeder mit jedem. Dieser Zirkus, bekannt aus früheren Gaza-Kriegen, nennt sich internationale Friedensdiplomatie. Er folgt starren Regeln und frisst Zeit.

Derweil wird im Gazastreifen und im Süden Israels gestorben. Zwar ist allen Beteiligten klar, dass der jüngste Krieg nicht mehr allzu lange dauern kann, weil die Welt genug hat vom sinnfreien Konflikt zwischen der formidablen Militärmacht Israel und der erstaunlich kampfstarken Hamas. Jeder weiß aber auch, dass beide Seiten etwas erreichen müssen und noch ein paar Tage schießen und bomben werden. Zur Rechtfertigung der unvermeidlichen Feuerpause oder gar eines Friedensschlusses bedarf es zudem eines Vorwands: In vier Tagen beginnt das Eid-Fest; das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan ist eine Art muslimisches Oster- oder Weihnachtsfest.

Ägypten und Katar ringen um die Führungsrolle in Nahost

Früher verliefen die Friedensbemühungen jedenfalls nach diesem Muster. Heute ist das Geschäft der Vermittler aber weit schwieriger. Der arabische Aufstand von 2011 und die Gegenrevolution spalten die arabischen "Brudervölker" - zum Nachteil der ohnehin ewig benachteiligten Palästinenser. Ägypten, früher der israelfreundliche Hüter der palästinensischen Anliegen, führt nun im eigenen Land Krieg gegen die Muslimbrüder.

Präsident Sisi spürt Genugtuung, wenn die Hamas (eine Tochterorganisation der ägyptischen Muslimbrüder) Federn lassen muss. Außerdem will er der Friedensstifter sein. Sisi muss beweisen, dass an Kairo keiner vorbeikommt im arabischen Raum: Großmachtsehnsucht in einer Zeit nicht nur relativer Schwäche. Sollte der Ägypter den Gaza-Krieg beenden können, wäre es ein enormer Erfolg für den gerade ins Amt gekommenen Sisi.

Doch diese Freude missgönnt der junge Emir in Katar dem Kollegen in Kairo. Das sagenhaft reiche Emirat sieht sich selbst als Makler in allen arabischen Konflikten. Katar ist jedoch auch der beste Freund und Bankier der Muslimbrüder, was die Schiedsrichterrolle schwierig macht. Entlang der ägyptisch-katarischen Trennlinie stellen sich die anderen arabischen Staaten auf. Die Leidtragenden sind die Palästinenser in Gaza. Zudem schadet die Familienfehde zwischen den Hamas-Islamisten in Gaza und der säkular-nationalen Fatah im Westjordanland der palästinensischen Sache. So gibt es keine arabische Einheit, und zugleich fehlt es an palästinensischem Eigengewicht.

Nutznießer der arabischen Schwäche scheint Israel zu sein. Es sollte sich daran nicht erfreuen. Der momentane Vorteil im Gaza-Krieg wird vom strategischen Nachteil überschattet. In Zeiten, in denen Staaten in Nahost zerbrechen und Dschihadisten-Milizen erstarken, bleibt Israel ebenso auf die Einheit der noch funktionierenden arabischen Staaten - von Ägypten über Katar bis Saudi-Arabien - angewiesen wie auf die Zusammenarbeit mit diesen. Auch die Fatah und selbst die Hamas sind bessere Verhandlungspartner als irgendwelche größenwahnsinnigen Isis-Kalifen mit ihrer blutrünstigen Soldateska. Die Quintessenz ist simpel: Israel sollte rasch einen fairen und dauerhaften Frieden mit allen Palästinensern schließen, bevor noch viel radikalere Feinde ins Haus stehen.

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