Joachim Löw als Bundestrainer:Und jetzt: Europameister

Joachim Löw, Deutsche Nationalmannschaft, DFB

Vom Weltmeister- zum Europameistertrainer? Joachim Löw wird die DFB-Elf auch bei der EM 2016 in Frankreich betreuen.

(Foto: dpa)

Nein, er tritt nicht auf dem Höhepunkt zurück: Bundestrainer Joachim Löw erklärt, dass er seinen Vertrag bis 2016 erfüllen wird. Er sieht keinen Grund, eine Weltmeister-Mannschaft aufzugeben - die noch viel besser werden kann.

Von Christof Kneer

Hans Meyer muss in den vergangenen Tagen eine tiefe innere Freude empfunden haben. Für einen ehemaligen Trainer muss es das Höchste der Gefühle sein, wenn er von der kompletten Fußballrepublik zitiert wird. Gehen Sie ruhig davon aus, dass . . . - diese schöne Redewendung ist mit Hans Meyer Kult geworden.

Meyer hat diese schöne Redewendung allerdings immer für seine ironischen Zwecke verwendet, in den vergangenen Tagen war es allen Menschen aber furchtbar ernst mit diesem Satz. Er gehe davon aus, dass Joachim Löw weitermache, hat DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gesagt; er gehe davon aus, dass Joachim Löw weitermache, hat Teammanager Oliver Bierhoff gesagt; der Assistent Hansi Flick hat dieselbe Formulierung benutzt, der Spieler Thomas Müller ebenfalls, und falls jemand auf die Idee gekommen wäre, den Reservelinksverteidiger Erik Durm oder den DFB-Busfahrer Wolfgang Hochfellner zu befragen, so hätte er dieselbe Antwort erhalten.

Sie sind alle davon ausgegangen, "fest" davon ausgegangen sogar, wie Präsident Niersbach in manchen Statements ergänzte. Die Einheitlichkeit dieser Formulierung signalisierte zweierlei: Löws enge und engste Begleiter waren alle zuversichtlich - aber wirklich gewusst haben sie's nicht. Löw habe immer wieder Andeutungen gemacht, sagen sie, aber auf den Satz "Ja, ich mache weiter" haben sie nach dem Finale von Rio zehn Tage warten müssen.

Seit Mittwoch, 14.30 Uhr, muss niemand mehr von nichts ausgehen, das Land hat es jetzt schriftlich. "Klares Bekenntnis: Bundestrainer Joachim Löw will die Nationalmannschaft zur Euro nach Frankreich führen" - unter dieser Zeile präsentierte die verbandseigene Homepage dfb.de ein Interview, in dem Löw ausführlich erklärt, dass er sich "im Moment nichts Schöneres vorstellen" könne, als "mit dieser Mannschaft weiterzuarbeiten". Der Weltmeistertrainer - das steht nicht im Interview, aber das darf man sich dazudenken - will jetzt auch ein Europameistertrainer werden.

Erst einmal die Dinge genießen

Es ist im Grunde keine Nachricht, wenn ein Arbeitnehmer, dessen Vertrag bis Sommer 2016 läuft, im Sommer 2014 wissen lässt, dass er morgen übrigens wieder ins Büro kommt. Es ist allerdings doch eine Nachricht, wenn der Arbeitnehmer gerade Weltmeister geworden ist und sich nach dem Gewinn dieses Titels auffällig geziert hat mit diesem Bekenntnis zum Büro.

Er genieße die Turniere zwar immer sehr, erklärt Löw, "aber sie kosten enorm viel Kraft, vor allem mental. Deswegen habe ich es auch diesmal so gehandhabt, dass ich mich nach dem Turnier ein wenig zurückgezogen habe". In der Tat hat Löw das immer so gemacht, "die Dinge sacken lassen", so nennt er das. Diesmal hat er die Dinge aber auch ein bisschen genossen. Joachim Löw hat nicht vergessen, dass das Land es vor zwei Jahren viel lieber gesehen hätte, wenn er nach den Sommer- ferien nicht mehr zum Dienst erschienen wäre, und wenn, dann höchstens als Nationaltrainer von Georgien oder Gibraltar. Die 1:2-Niederlage im EM-Halbfinale gegen Italien hat ihm die öffentliche und auch die veröffentlichte Meinung lange nachgetragen, und ein Vertrauter sagt, dass ein Rücktritt damals viel wahrscheinlicher gewesen sei als jetzt. In Brasilien haben ihn auch die Kollegen im Mitarbeiterstab nie beim Zweifeln erwischt, "ich hatte nie das Gefühl, dass da etwas wackelt", sagt Hansi Flick, der acht Jahre Löws Assistent war und im September den vakanten Posten des Sportdirektors übernimmt.

Zwischen Schönau und Rio - Joachim Löws Karriere

Geboren am 3. 2. 1960 in Schönau/Schwarzwald.

Stationen als Spieler: u.a. Karlsruher SC, SC Freiburg, VfB Stuttgart, Eintracht Frankfurt.

Laufbahn als Trainer: u.a. VfB Stuttgart, Fenerbahce SK Istanbul, Karlsruher SC, FC Tirol Innsbruck, Austria Wien, Cheftrainer Nationalmannschaft (seit 2006). Größte Erfolge: Weltmeister 2014 in Brasilien, Halbfinale bei der EM 2012 in Polen/Ukraine, Dritter Platz bei der WM 2010 in Südafrika, Zweiter Platz bei der EM 2008 in Österreich/Schweiz, Dritter Platz bei der WM 2006 in Deutschland (als Assistenztrainer von Jürgen Klinsmann), DFB- Pokalsieger 1997 (VfB Stuttgart).

Es warten ein paar harte Entscheidungen

Der Weltmeistertitel hat es dem Verband und dem Bundestrainer leicht gemacht, all jene zu widerlegen, die die Vertragsverlängerung bis 2016 für eine reine Showveranstaltung gehalten haben; der angegriffene Trainer solle wenigstens mit offiziell beglaubigtem Vertrauen ins Turnier gehen, so ging diese Lesart, aber im Misserfolgsfall würde man sich ja ohnehin von ihm trennen. Und der Misserfolg - auch da waren öffentliche und veröffentlichte Meinung einig - würde knapp unterhalb des Weltmeistertitels beginnen.

Löw wird es als Genugtuung begreifen, dass er nun selbst über seine Zukunft entschieden hat, aus einer einmaligen Position der Stärke heraus. Der ehemalige Konzepttrainer hat sich in Brasilien zur allgemeinen Überraschung als wettbewerbsharter Allwettercoach präsentiert, dem man seine Kostbarkeiten gerne anvertraut.

Diese Kostbarkeiten liefern auch das entscheidende Motiv, warum Löw auf dem Höhepunkt seines Erfolges ein weiteres Turnier riskiert. "Jogi sieht ja, was für ein Potenzial das Team hat", sagt Hansi Flick, "und er weiß, dass er das Potenzial noch erweitern kann." Löw freut sich auf das Luxusproblem, einen gesunden Marco Reus einzubauen, er weiß, dass er immer eine gewisse Anzahl an Benders in der Hinterhand hat, und natürlich hofft er auch auf die Heimkehr der ewig verletzten Ilkay Gündogan und Holger Badstuber.

"Und natürlich werden auch unsere Juniorentrainer und der neue Sportdirektor alles tun, damit von unten genügend Alternativen nachrücken", sagt Hansi Flick, der neue Sportdirektor.

Ein paar Spieler von unten hat Löw ja bereits im WM-Trainingslager kennengelernt, und sie haben ihm gut gefallen, der Stürmer Kevin Volland etwa, der junge Schalker Max Meyer und vor allem dessen Teamkollege Leon Goretzka.

Co-Trainer Markus Sorg? Frank Wormuth? Oder Thomas Schneider?

Nach seinem Urlaub wird Löw aber gleich ein paar Dinge tun müssen, die er nicht so liebt, es braucht jetzt ein paar harte Entscheidungen. Wer ersetzt Philipp Lahm als Kapitän? Wie bringt man dem wieder frisch entflammten Miroslav Klose bei, dass 36 doch ein praktisches Alter ist, um im Nationalteam aufzuhören? Wer folgt Flick als Assistent?

Gehandelt werden DFB-interne Kandidaten (Markus Sorg, Frank Wormuth) ebenso wie externe (Thomas Schneider), aber Löw wird sich Zeit lassen bei der Suche. Beim ersten Spiel nach der Sommerpause, am 3. September gegen Argentinien, könnte sich zum Abschied auch noch mal der Mann neben ihn setzen, der danach Sportdirektor wird.

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