Starnberg:Berlin, Texas, Starnberg

Regisseur Wim Wenders bringt die von ihm produzierte Band Infamis mit auf das Fünf-Seen-Filmfestival

Von Gerhard Summer, Starnberg

Das ist schon eine schöne Geschichte, Regisseur Wim Wenders hat sie ein paar Mal in Interviews erzählt: Wie er 2008 wegen einer Filmretrospektive in die USA reiste, dem "Radio Goethe" in San Francisco ein Interview gab, in dem es um Musik ging, und am Ende von Moderator Arndt Peltner die CD "Underground" der Berliner Band Infamis in die Hand gedrückt bekam. Das müsse er kennen, sagte Peltner. Wie er die Platte, die er wegen des größeren Covers für eine Vinyl-EP hielt, sorgsam im Koffer verstaute und damit wochenlang durch Nordamerika gondelte. Wie er, wieder zurück in Berlin, endlich dazu kam, die Songs anzuhören und begeistert auf der Homepage der Gruppe alles bestellte, was Infamis bis dahin produziert hatten, ein dickes Päckchen bekam und artig bezahlte. "Vorkasse", sagt lakonisch Bandchef René Schwettge. Und wie ihn schließlich Infamis dazu brachten, ihre schon eingespielte neue CD "Im Westen der Himmel" auf seinem Label rauszubringen. Klingt fast so, als hätte das Glück das Drehbuch geschrieben: Berühmter Filmemacher fördert bis dato völlig unbekannte Band. Und alles wird gut.

Dass Wenders ein Händchen für Filmmusik hat und schon mit dem Slide-Halbgott Ry Cooder, dem düsteren Poeten Nick Cave, mit U2 und Campino zusammenarbeitete, ist bekannt. Doch es gibt tatsächlich auch die Wenders Music: Der Regisseur gründete das Label als "Selbsthilfemaßnahme", wie er sagt. Als er den Soundtrack zu seinem Film "Pina" über die Choreografin Pina Bausch und ihr Tanztheater Wuppertal veröffentlichen wollte, erklärten ihm die Plattenfirmen nur, dass man mit so was keinen mehr hinterm Ofen hervorlocken könne. Wenders gründete sein eigenes Label, brachte 2011 den Soundtrack heraus und verkaufte in zwei Jahren 40 000 Stück. "Im Westen der Himmel" und "Pina" sind bislang die einzigen beiden Projekte der Wenders Music, aber ein weiteres Infamis-Album könnte folgen. Mit der Band ist nämlich ein langfristiger Vertrag geschlossen worden.

Wenders bringt die Deutsch-Rocker mit zum Fünf-Seen-Filmfestival. Die 1987 in Ostberlin gegründete Formation versteht sich auf einen abgefahrenen Cinemascope-Sound. Wenders selbst hat die Musik einmal so beschrieben: "Wie wenn Tom Waits aus Rilke-Gedichten Deutsch gelernt und die draus entstandenen Songs dann zu dem Soundtrack für einen Italo-Western verarbeitet hätte." Ist was dran, wobei René Schwettge im wesentlichen Sprechgesang mit Totengräberstimme abliefert und sich nur zu ein paar Chorussen hinreißen lässt. Kritiker haben "Im Westen der Himmel" mit Musik von Nick Cave, Leonard Cohen, Johnny Cash und Element of Crime verglichen, Berliner Prärie-Klang herausgehört und eine Dramatik à la Tito & Tarantula ausgemacht. Tatsächlich fahren einem die so sehnsüchtigen wie hoffnungslosen Songs der Rockdesperados ins Gebein. Infamis, das ist die große Geste. Das dicke Riff. Raffiniert versetzte Rhythmik. Und die ins Pathetische oder Absurde gesteigerte Melodie. Etliche Songs auf der nunmehr 15. Platte der Berliner klingen so, als wären die Shadows mit Kurt Weill, Elektroniktüftlern und Heavy-Rockern ein Bündnis eingegangen. Dazu singt oder spricht Schwettge vom grauen Himmel, heißen und leeren Städten, zermürbter Liebe. "Auch wenn's hier regnet, wird's nicht sauber, die Scheiße wird nur weich", heißt es einmal, oder: "Kommt Zeit, kommt Verrat." Nein, das ist nicht so erfreulich, aber es muss auch mal gesagt werden.

Ob jetzt alles gut wird? Wim Wenders hat eine wunderbare Antwort auf die Frage, ob er oder Infamis mit einem Verkaufserfolg rechnen: "Wir gehen davon aus, dass er ausbleibt. Wenn wir uns irren, dann mit dem größten Vergnügen."

Die Band Infamis tritt am heutigen Freitag, 25. Juli, 20 Uhr, in der Schlossberghalle Starnberg auf. Karten bei www.muenchenticket.de und an der Abendkasse.

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