Taxi-Konkurrent Uber:Vier Türen und ein Drink

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US-Mitfahrdienst Uber: Symbol der Apps von Uber und des Taxidienstes Berlin Taxi auf einem Handy-Display. (Foto: dpa)

"Heute hat doch jeder ein Navi": Wer für den Taxi-Konkurrenten Uber fährt, braucht keine Ortskenntnisse. Dafür können Kunden des US-Unternehmens schon mal einen Drink angeboten bekommen.

Von Jan Willmroth

Thomas Werner war erst wenige Tage in der Stadt, als er erlebte, wie ein neues Zeitalter begann. Jemand hatte ihn in die Vorstadt bestellt, und sein Navigationssystem schickte ihn in ein Villenviertel. Als er mit dem Wagen vorfuhr, stiegen zwei Jungs ein, vielleicht vierzehn Jahre alt, mit teuren Kopfhörern auf den Ohren und Smartphones in der Hand. Auf denen hatte die App von Uber die Nummer der Taxi-Zentrale ersetzt.

Wenn sie in die Stadt wollten, sagten die beiden, würden sie immer einen Fahrer herbeirufen, den das US-Unternehmen vermittle. "Die junge, technikaffine Generation geht der Taxibranche gerade völlig verloren", sagt Werner. Er ist einer derjenigen, die ihre Dienste bei Uber anbiete. Und ist damit einer, der gerade den Hass der Taxiunternehmer auf sich zieht, weil er mit seinem privaten Fahrzeug in deren Hoheitsgebiet wildert.

Die Zukunft der Personenbeförderung hat begonnen, auch wenn das noch nicht bei allen angekommen ist. In München zum Beispiel. Dort gebe es nach ihrer Kenntnis noch keine Fahrer im Dienste des Systems "UberPop", lässt die zuständige Behörde der Stadt wissen. So nennt der Fahrdienstvermittler aus Kalifornien den Teil seines Angebots für Handynutzer, die Privatleute als Chauffeure buchen. In der Münchner Verwaltung scheint die App noch nicht allzu verbreitet zu sein.

Es dauert nur wenige Minuten, bis die Anwendung installiert ist und sich öffnet. Schnell als Kunde registriert - Name, Mail-Adresse, Kreditkarte -, und es geht los. Auf dem Display erscheint eine Karte, der eigene Standort ist markiert. Wenige Buchstaben in der Zeile für die Zieladresse genügen, da errät die App schon, wohin der Kunde will. In 16 Minuten sei der Fahrer da, teilt Uber mit. Auf der Karte nähert sich von Norden ein dunkelblaues Auto.

Das Gesicht von Werner erscheint auf dem Display, darunter sein Automodell, sein Kennzeichen, seine Telefonnummer. Kundenbewertung: 4,9 von fünf Sternen. Das weckt Vertrauen.

"Ortskenntnisprüfung? Heute hat doch jeder ein Navi"

Etwa zwanzig Minuten später biegt ein Mittelklassewagen um die Ecke, am Steuer sitzt Werner, ein entspannter Mann mit Sonnenbrille, links des Lenkrads sein Handy, rechts davon das Navigationsgerät. Einmal zum Bahnhof, bitte. Bevor er losfährt, greift er in eine Kühlbox auf der Rückbank und holt eine Flasche Wasser hervor. "Jeder bekommt erst einmal einen Drink", sagt er, das sei ganz wichtig. Dann fährt er los.

Er kennt die Stadt noch nicht gut, und Uber ist seine Methode, daran etwas zu ändern. "Wo sonst soll ich so schnell Leute kennenlernen?", fragt er. Als Taxifahrer hätte er keine Chance, für den Personenbeförderungsschein müsste er seine Ortskenntnis nachweisen, jede Menge Straßen auswendig lernen, die kürzesten Wege wissen. "Diese Ortskenntnisprüfung ist dermaßen anachronistisch", sagt er, "heute hat doch jeder ein Navigationssystem."

Das Gesetz hat dazu keine Meinung. Es ist eindeutig: Wer in Deutschland gewerblich Fahrgäste befördert, braucht den Taxi-Führerschein und muss regelmäßig nachweisen, dass er den Anforderungen entspricht. Werner musste bei Uber nur einmal mit dem Auto vorfahren, seinen Führerschein und ein sauberes Führungszeugnis mitbringen, ein leeres Punktekonto in Flensburg haben. Vier Türen sind Pflicht.

Für die Taxibranche ist das Geschäftsmodell von Uber die pure Anarchie. Für Werner ist es eine kleine Hilfe, sich seinen nicht gerade spritsparenden Wagen leisten zu können. Mit den zwei Fahrten, für die er im Schnitt pro Tag gebucht wird und von deren Fahrpreis etwa drei Viertel auf seinem Konto landen, verdiene er nichts hinzu, sagt er. Das dürfte sich ändern, falls die Nachfrage steigt. Bislang seien seine Kunden zu 90 Prozent Amerikaner. Für die kämen Taxis überhaupt nicht mehr infrage.

Weitreichende Rechte für Uber

Den jüngsten Streit zwischen Uber und den deutschen Behörden hat Werner beobachtet. Er findet gut, wie das Unternehmen reagiert, daran lässt er keinen Zweifel. In Hamburg darf Uber nach dem Verbot vorerst weitermachen, bis das Verwaltungsgericht entschieden hat, wie am Freitag bekannt wurde. Wenn man Uber verbiete, müsse man auch die Mitfahrzentralen verbieten, sagt er. Er zieht die Augenbrauen hoch: "Die Diskussion spitzt sich gerade nur deshalb so zu, weil die Taxi-Unternehmen es verpennt haben, das Internet sinnvoll für sich zu nutzen", sagt er. Das Personenbeförderungsgesetz sei doch ein Relikt aus einer Zeit, in der es noch Droschken gegeben habe. Das vor allem gehöre reformiert.

Wozu Werner lieber nichts sagen will, ist der Vertrag, den er wie alle privaten Fahrer bei Uber in Deutschland unterschrieben hat. Darin sichert sich das Unternehmen weitreichende Rechte zu - etwa die Verpflichtung, Uber für alle finanziellen Ansprüche zu entschädigen, die im Zusammenhang mit den Fahrten entstehen. Diese und weitere unangenehme Klauseln muss Werner in Kauf nehmen.

Das Navigationsgerät lenkt ihn auf die Linksabbiegerspur, es sind nur noch wenige Hundert Meter bis zum Bahnhofsvorplatz. Ganz langsam fährt Werner vorbei am vollen Taxistand. Niemand schaut ihn an.

© SZ vom 26.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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