Hamburger SV:Viele Wünsche, wenig Mittel

Pressekonferenz HSV

Zurück beim Lieblingsklub: HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer.

(Foto: dpa)

Die Aufräumarbeiten beim HSV gestalten sich schwierig. Im Vergleich zu Dietmar Beiersdorfers erster Ära als Sportchef haben die Hanseaten viel Glanz eingebüßt. Der neue Chef muss nun als Erstes ein paar Großverdiener loswerden - ein Testturnier dienst als erste Probe.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Als Dietmar Beiersdorfer am 9. Juli als neuer Vorstandsboss beim Hamburger SV vorgestellt wurde, hatte er Tränen in den Augen. Der HSV sei sein "Baby", entfuhr es ihm. Er habe bei seinem Ausscheiden als Sportchef gewusst, dass er hier noch nicht zu Ende sei. Das war 2009, in Beiersdorfers Zeit als sportlich Verantwortlicher hatte der Klub fast jedes Jahr in Europa mitgespielt.

Dass es ihm mal so schlecht gehen würde wie heute, das hatte sich Beiersdorfer damals kaum vorstellen können. Wenn der HSV nun beim Telekom-Cup am Samstag gegen den VfL Wolfsburg und am Sonntag gegen den FC Bayern oder Borussia Mönchengladbach antritt, erstmals in den neuen Beiersdorfer-Ära im eigenen Stadion, wird sich das anfühlen wie bei der noch immer nicht fertigen Elbphilharmonie: Es fehlen noch wesentliche Teile, und wer das Geld für den teuren Fertigbau berappt, ist immer noch nicht klar.

Als Vorstandsvorsitzender muss Beiersdorfer nun in vielen Arenen kämpfen. Er muss versuchen, die knapp am ersten Abstieg der HSV-Geschichte vorbeigeschrammte Mannschaft vorerst mit vergleichsweise wenig Geld aufzupeppen. Der Lizenzspieler-Etat soll zunächst von 43 auf 38 Millionen Euro sinken - eine Aufgabe, an der seine Vorgänger regelmäßig gescheitert sind.

Er muss nicht nur mit dem sperrigen Fan und Geldgeber Klaus-Michael Kühne klarkommen, der noch immer nicht gesagt hat, in welcher Form er als künftiger Förderer einsteigt. Und er muss zusammen mit dem neuen Aufsichtsrat um andere Gesellschafter für die neue Fußball-AG werben. Für die angestrebte Kapitalerhöhung muss erst mal von Fachleuten der Wert des Klubs ermittelt werden. Klar ist: Der war früher deutlich höher.

Finale, Sonntag, 18.15 Uhr

Zeitplan des Vorbereitungsturniers in Hamburg

Samstag

18.00 - 19.55 Uhr Hamburger SV - VfL Wolfsburg

20.15 - 22.15 Uhr FC Bayern München - B. Mönchengladbach

Sonntag

16.00 - 18.15 Uhr Spiel um den 3. Platz

18.15 - 19.55 Uhr Finale

Sat.1 überträgt alle Spiele live

Dass Beiersdorfer sozusagen als Einstandsgeschenk den bundesweit geschätzten bisherigen Hoffenheimer Bernhard Peters als Direktor Sport mitbrachte, zeigt zwar, wo er mit dem HSV hin möchte. Man will mit einer umfassenden Nachwuchs-Schulung einen Teil der künftigen Profis selbst ausbilden. So, wie es etwa Wolfsburg, Hoffenheim, Stuttgart oder Freiburg vorführen. Doch das hilft aktuell nicht weiter.

Der HSV bekommt längst nicht mehr jeden

Das gesunkene Ansehen des "Dino" lässt sich an vielen Punkten festmachen. Zuletzt zogen immer mehr VIPs die Konsequenzen. Hatten sie lange Zeit die Abwärtsspirale ignoriert, sind jetzt für die kommende Saison erst gut die Hälfte der teuren Edel-Plätze verkauft. Auch beim Sponsoren-Turnier am Wochenende wird die Skepsis sichtbar: Vor zwei Jahren hatte der HSV als Ausrichter 83 000 Zuschauer, diesmal werden an beiden Tagen jeweils höchstens 35 000 Fans erwartet.

Vor allem aber hemmt die ungewisse Finanzlage den Klub auf dem Transfermarkt. Gerade zog man im Ringen um den Nürnberger Spielmacher Hiroshi Kiyotake den Kürzeren gegen den einst finanziell deutlich unterlegenen Nord-Rivalen Hannover 96. Mit dem FC Augsburg feilscht man seit Wochen ohne Erfolg um Außenverteidiger Mattias Ostrzolek. Den bisher einzigen Zugang, Zsoltan Stieber vom Zweitligisten Greuther Fürth, hat noch der geschasste Sportchef Oliver Kreuzer verpflichtet - angeblich gegen den Willen der neuen Führung.

Torjäger Pierre-Michel Lasogga konnte nur endgültig für 8,5 Millionen Euro von Hertha BSC geholt werden, weil der HSV das Ausnahme- Talent Hakan Çalhanoğlu für 14 Millionen Euro nach Leverkusen transferierte. Neuester Blickfang ist Nicolai Müller, 26, von Mainz 05. Wenn Mainz ihn abgibt, würde eine Ablöse von mindestens vier Millionen Euro für den schnellen Offensivspieler zu Buche schlagen, der perfekt ins Konterspiel des Trainers Mirko Slomka passt.

Wenn sich die Finanzlage bis zum 31. August nicht wesentlich verändert, werden etliche Wunschspieler wie etwa der Schweizer Valon Behrami (SSC Neapel) auch weiterhin nur Wunschspieler bleiben. Es sei denn, man verkauft noch den einen oder anderen Großverdiener. Rafael van der Vaart, Milan Badelj oder Marcell Jansen, den 2008 noch Beiersdorfer verpflichtete, stehen angeblich intern auf der Verkaufsliste.

Vorerst sagt Beiersdorfer nur: "Wir sind dabei, den einen oder anderen Transfer vorzubereiten." Dazu kommt ein weiteres Problem: 2015 laufen zehn Spielerverträge aus, was bedeutet: Nur in diesem Jahr könnte der HSV für diese Profis noch eine Ablöse kassieren. Auch das, sagt Beiersdorfer, sei ein Relikt aus den unruhigen Zeiten, als Trainer und Sportchefs in Hamburg so oft wechselten wie die Bäume das Laub.

Ob der derzeitige Coach Slomka die HSV-Renovierung übersteht, ist allerdings auch noch unklar. Er hat dem derzeitigen Kader zwar die härteste Saisonvorbereitung seit Jahren beschert (Heiko Westermann: "Wir können jetzt 95 Minuten Gas geben"), doch ein echtes Treuebekenntnis zum Übungsleiter fehlt.

Auf die Frage, ob es noch vor dem Saisonstart einen Wechsel auf der Trainerbank gebe, sagt Beiersdorfer nur knapp: "Das kann ich mir nicht vorstellen." Ansonsten lobte er an Slomka vor allem dessen "Demut" nach dem glücklich vollbrachten Klassenerhalt. Das soll nach Beiersdorfers Vorstellung eine der wichtigsten Eigenschaften beim Neuaufbau sein. Auch in der Mannschaft.

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