Patentklage gegen Beats Electronics:Gegenschall für Dr. Dre

Recording artist Dr. Dre wears a pair of Beats headphones as he attends the 2010 season opener baseball game between the New York Yankees and Boston Red Sox in Boston

Dr. Dre: Legendärer Rapper, der sich mit mehreren Rechtsstreits zu beschäftigen hat.

(Foto: REUTERS)

Das Traditionsunternehmen Bose beschuldigt den Kopfhörerhersteller Beats, abgekupfert zu haben. Der Rechtsstreit betrifft auch den Beats-Käufer Apple, der sich bei zahlreichen Patentstreitigkeiten bislang in der Opferrolle gefiel.

Von Helmut Martin-Jung und Pascal Paukner

Als die Nachrichtenseite TMZ, die Amerika seit Jahren schon mit großer Akribie über das Leben seiner Prominenten informiert, kürzlich wieder einmal über den Rap-Produzenten Dr. Dre berichtete, war die Rollenverteilung klar: Auf der einen Seite Dr. Dre, sein Geschäftspartner Jimmy Iovine und deren gemeinsame Firma Beats Electronics - die Guten.

Ihnen gegenüber die Bösen, chinesische Produktpiraten, welche die Milliardenfirma um ihr Geld bringen, indem sie billige Kopien der Designer-Kopfhörer anbieten. Dr. Dre wolle dem Treiben nun ein Ende setzen, schrieb TMZ. Beats habe deshalb Klage gegen die chinesischen Firmen eingereicht. Inzwischen aber ist klar: Es ist nicht der einzige Rechtsstreit, mit dem sich der legendäre Rapper in nächster Zeit beschäftigen wird.

Hörer aufsetzen, Straßenlärm ausblenden

In den Vereinigten Staaten bahnt sich ein weiterer Prozess für seine Firma an, jedoch unter umgekehrten Vorzeichen. Der Kopfhörerhersteller Bose beschuldigt Beats der Patentverletzung und hat Klage vor Gericht und bei der Handelskommission ITC eingereicht. Der Vorwurf lautet: Beats missachte fünf Patente des Traditionsunternehmens aus Framingham im US-Bundesstaat Massachusetts.

Dabei geht es um die Technik zur Geräuschunterdrückung. Bose habe diese über mehr als 30 Jahre lang entwickelt und viele Patente dazu angehäuft, heißt es von der Firma. Beats kopiere diese Technik mit seinen Kopfhörermodellen Beats Studio und Beats Studio Wireless nun einfach.

Was sich nach technischem Klein-Klein anhört, ist in Wahrheit von zentraler Bedeutung für die Hersteller solcher Produkte. Denn die Kopfhörer werden oft in lauten Umgebungen getragen. Die aber, das ist das Ziel, soll so weit wie möglich ausgeblendet werden. Man setzt ein Paar Hörer auf, und der Straßenlärm, das nervtötende Brummen der Flugzeugturbinen sind wie weggezaubert, zumindest fast.

Dieses noise cancelling funktioniert so: Schall breitet sich in Form von Wellen aus, diese haben also Berge und Täler. Je höher der Berg, umso lauter; je niedriger das Tal, umso leiser ist der Schall. Um die Lautstärke zu reduzieren, nehmen Mikrofone die Signale der Umgebung auf, analysieren sie blitzschnell und geben dann an die Verstärkerelektronik ein Signal mit umgekehrter Polarität weiter. Wo also von außen ein Wellenberg ankommt, produzieren sie ein Tal. Man nennt die Technik daher auch Gegenschall. Sie wird mittlerweile auch für Autos erprobt, um damit den Geräuschpegel im Inneren des Wagens zu senken.

Bose will einen Verkaufsstopp

Anders als das tieffrequente Brummen in Flugzeugen oder in Autos lässt sich hochfrequenter Schall nicht so gut mit Gegenschall bekämpfen. Ganz verschwinden die unliebsamen Geräusche sowieso nicht. Dazu müsste die Berechnung des Gegenschalls zum einen auf das individuelle Hörvermögen anpasst werden, zum anderen wird Schall auch durch Vibrationen der Schädelknochen übertragen.

Zusätzlich zum Gegenschall kann auch noch ein Nutzsignal übertragen werden, zum Beispiel Musik oder Sprache. Derartige Eingriffe in die Übertragung beeinflussen allerdings auch immer den Klang der Kopfhörer, außerdem rauschen alle Kopfhörer mit dieser Technik mehr oder weniger stark. Genügend Aufgaben also für Akustikforscher, die Technik zu verfeinern und sich die Ergebnisse patentieren zu lassen.

Der Streit geht auch Apple an

Der Streit der beiden Unternehmen wird aber nicht nur bei Dr. Dre für Aufregung sorgen. Auch in der Firmenzentrale von Apple im kalifornischen Cupertino wird man sich genau über die Vorgänge informieren. Apple hatte im Mai angekündigt, Beats für drei Milliarden Dollar übernehmen zu wollen. Die Übernahme soll noch in diesem Quartal abgeschlossen werden.

Kommt es so weit, dann würde auf einmal Apple in der unangenehmen Lage stecken, sich gegen Patentverletzungen seiner Tochterfirma zu Wehr setzen zu müssen. Ausgerechnet Apple, jener Konzern, der sich zuletzt einen erbitterten Patentkrieg mit dem Rivalen Samsung lieferte und dabei stets den Eindruck zu vermitteln versuchte: Wir bei Apple sind die Guten. Samsung hingegen fällt nichts Besseres ein, als uns zu kopieren.

Der 1964 gegründete Traditionshersteller Bose will einen Verkaufs- und Importstopp für Beats-Kopfhörer erreichen, welche die Antischalltechnik zum Einsatz bringen. Finanziell würde das Apple kaum schaden. Auch eine Einigung, bei der Beats Tantiemen an Bose zahlen müsste, würde den Konzern kaum ruinieren. Es geht ohnehin die Geschichte um, dass Apple den Kopfhörerhersteller gar nicht wegen seiner qualitativ mittelmäßigen Kopfhörer übernommen habe.

Stattdessen gehe es um die guten Kontakte der Gründer Iovine und Dr. Dre in die amerikanische Unterhaltungsindustrie. Und die kann einem kein Gericht der Welt verbieten.

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