Rosberg und Hamilton in der Formel 1:Ein Duell, zwei Verlierer

Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Formel 1

Als Team der Konkurrenz enteilt, in der Fahrerwertung erbitterte Konkurrenten: Lewis Hamilton (li.) und Nico Rosberg

(Foto: AP)

Nach der misslungenen Stallorder beim Großen Preis von Ungarn überdenkt Mercedes die Spielregeln zwischen den Formel-1-Titelrivalen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Die Mercedes-Verantwortlichen werden keinen ruhigen Sommer haben.

Von René Hofmann

Nach dem Rennen wollte Nico Rosberg noch nichts dazu sagen. Unmittelbar nachdem er beim Großen Preis von Ungarn hinter seinem Teamkollegen Lewis Hamilton Vierter geworden war, sagte Rosberg lediglich: "Wir müssen das intern besprechen."

Wenig später fiel ihm dann aber doch noch etwas ein zu der Szene, die über den Tag hinaus den meisten Gesprächsstoff geliefert hatte bei dem Rennen, das Daniel Ricciardo im Red Bull vor Fernando Alonso im Ferrari gewann. 18 Runden vor dem Ziel hatte der Mercedes-Kommandostand Lewis Hamilton angewiesen: "Lass Nico in dieser Runde bitte vorbei!" Hamilton hatte sich diesem Befehl allerdings widersetzt. In der Videobotschaft, die Rosberg nach jedem Grand Prix absetzt, befand Rosberg dann: "Lewis hat mich nicht vorbeigelassen, obwohl er dazu angewiesen wurde. Das ist offensichtlich nicht gut."

Hamilton hatte seine Sicht auf die Dinge der Welt da schon mitgeteilt. In der Pressekonferenz, zu der die drei Schnellsten geladen werden, hatte er zu dem Funkspruch, der ihn knapp 80 Kilometer vor dem Ziel erreicht hatte, gesagt: "Ich war sehr, sehr geschockt, dass mich das Team um so etwas gebeten hat - seine Position zu verbessern. Das war etwas seltsam." Nie im Leben sei es ihm in den Sinn gekommen, für Rosberg, der nah, aber keinesfalls dicht hinter ihm fuhr, vom Gas zu gehen.

"Wir waren doch im gleichen Rennen", wusste Hamilton. Und er wusste auch, was so ein Manöver für ihn bedeutet hätte: Rosberg, sein einziger Rivale im Kampf um den WM-Titel, hätte seinen Vorsprung im Fahrerklassement ausgebaut. So, wie die beiden schließlich ins Ziel fuhren, trennen sie nach elf der 19 Rennen nun lediglich elf Punkte. Elf Punkte - das sind sehr wenige angesichts der 225 Zähler, die maximal noch zu holen sind.

Bis zum 24. August pausiert die Rennserie nun. Ein ruhiger Sommer wird es nicht werden für die Mercedes-Gewaltigen. Nach der misslungenen Stallorder gibt es Gesprächsbedarf. Denn obwohl das Team in der Konstrukteurswertung dem ärgsten Verfolger Red Bull um 174 Punkte meilenweit enteilt ist, birgt die Konstellation Sprengstoff: Beide, Rosberg und Hamilton, haben nach diesem Wochenende Anlass, sich als Verlierer zu fühlen, weil ihnen der Eindruck vermittelt wurde, das Team stehe nicht zu hundert Prozent hinter ihnen.

Wie ein weinerlicher Hinterherfahrer

Rosberg hätte in der Phase, als der Spruch an Hamilton erging, schneller gekonnt. Er hatte die Überholerlaubnis nicht eingefordert oder auch nicht um sie gebeten; das Team hatte ihn darüber informiert, dass Hamilton gleich für ihn weichen würde. Als der Teamkollege dies nicht tat, wunderte Rosberg sich am Funk darüber - was öffentlich wurde und ihn als weinerlichen Hinterherfahrer dastehen ließ. Hamilton wiederum kann sich zurecht darüber wundern, wieso sein Rennstall ihn zur hauseigenen Nummer zwei machen will, wenn Rosberg sich noch nicht einmal in seinem Windschatten befindet.

Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda versuchte nach dem Rennen die Wogen zu glätten - indem er auf die vielen Turbulenzen verwies, die sich in den knapp zwei Stunden entsponnen hatten, die der Grand Prix gedauert hatte. Das Team habe unter "enormem Stress" gestanden, weil ständig etwas Unerwartetes passiert sei. Vor dem Start war ein Gewitter über den Hungaroring gezogen. Zum Auftakt war die Strecke deshalb nass gewesen. Anschließend kreiselten Marcus Ericsson (Caterham), Romain Grosjean (Lotus) und Sergio Perez (Force India) von der Strecke, zweimal übernahm das Safety Car die Führung. "Jede Minute musste etwas entschieden werden", hatte Lauda mitbekommen.

Als es in den Schlussspurt ging, war Rosberg als Vierter auf den weicheren und schnelleren Reifen unterwegs. Hamilton fuhr unmittelbar vor ihm. Es war klar: Der Deutsche würde noch einmal stoppen müssen, der Brite würde es auf seinen Pneus bis ins Ziel schaffen. Und es war auch klar: Hamilton hatte kaum noch Chancen, die ganz vorne fahrenden Alonso und Ricciardo abzufangen. Rosberg dagegen hätte dies noch glücken können - wenn er zu jedem Moment völlig freie Fahrt gehabt hätte.

"Der Funkspruch war unnötig"

Aus den Hochrechnungen, die jedes Team während des Rennens in Echtzeit immer wieder anstellt, ließ sich dieses Szenario klar lesen. Und weil bei Mercedes ein Taktiker die Strategie für beide Autos festlegt, war es naheliegend, das insgesamt aussichtsreichste Szenario den Fahrern zu übermitteln. So war es zu Beginn der Saison mit beiden auch verabredet worden. Doch was in der Theorie wunderbar klang, entpuppte sich in der Praxis als ziemliche Schnappsidee.

Die Verantwortlichen erkannten selbst, dass es unklug gewesen wäre, auf die Befehlsgewalt zu insistieren. Weder Technik-Chef Paddy Lowe noch Sportchef Toto Wolff erhoben gegen Hamilton am Funk das Wort, obwohl sie das hätten tun können. Ober-Aufseher Niki Lauda verteidigte den Ungehorsam des Hochbezahlten anschließend sogar dezidiert. "Der Funkspruch war unnötig", urteilte der 65-Jährige, "Lewis hat ihn ignoriert und ist Dritter geworden. In der Rückschau hat er also nichts falsch gemacht."

Geredet werden soll nun trotzdem. "Rekalibrieren" ist ein Lieblingswort von Sportchef Toto Wolff, und offenbar ist es angesagt, die Absprachen neu zu justieren. "Was wir zu Saisonbeginn festgelegt haben, funktioniert jetzt vielleicht nicht mehr", ahnt Wolff, "wir können von keinem der beiden mehr verlangen, dass er seine Titelchancen einschränkt, um dem Team als ganzes einen Vorteil zu verschaffen."

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