Verdacht gegen Hebamme in München:Spurensuche im Krankenhaus

Hebamme wegen Mordversuchs im Kreißsaal verhaftet

Was hat die verhaftete Hebamme in der Großhaderner Entbindungsstation getan? Die Ermittler rätseln weiter.

(Foto: dpa)

Warum wurde Müttern beim Kaiserschnitt in Großhadern Heparin verabreicht? Die beschuldigte Hebamme schweigt. Das Klinikum wehrt sich gegen Vorwürfe. Klar ist nur: Der Druck auf die Geburtshelfer ist in München immens.

Von Florian Fuchs und Jakob Wetzel

Das Klinikum Großhadern weist Vorwürfe zurück, wonach die Verantwortlichen auch von Ärzten eines Krankenhauses in Kiel vor der Hebamme gewarnt wurden, die des vierfachen versuchten Mordes verdächtigt wird. Das Klinikum sei nie aus Kiel kontaktiert worden, dementierte ein Sprecher am Montag. Dies bestätigt auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein.

Das Krankenhaus in Bad Soden im Main-Taunus-Kreis, wo die 33 Jahre alte Beschuldigte bis 2012 gearbeitet hatte, kündigte an, bei der Aufklärung der Taten mitzuarbeiten. Der Hebamme war dort Medikamentenmissbrauch vorgeworfen worden.

Beschuldigte Hebamme verweigert weitere Aussagen

Die 33-Jährige ist vor einer Woche im Krankenhaus festgenommen worden, weil sie vier Frauen bei Risiko-Kaiserschnitten das Blutverdünnungsmittel Heparin verabreicht haben soll. Das Leben der Patientinnen, die durch das Mittel bei der Operation extrem viel Blut verloren, konnte nur durch Notfallmaßnahmen gerettet werden. Den fünf Säuglingen - eine der schwangeren Frauen erwartete Zwillinge - und den Müttern geht es gut. Die beschuldigte Hebamme bestreitet die Vorwürfe und verweigert weitere Aussagen.

Das Klinikum Großhadern bestätigt, dass die frühere Arbeitsstätte der Frau im hessischen Bad Soden acht Wochen nach ihrer Einstellung in München in einem Brief darauf hingewiesen habe, dass die 33-Jährige dort negativ aufgefallen sei. Es ging dabei um den möglichen missbräuchlichen Einsatz eines Medikamentes, das zur Kontraktion der Gebärmutter führen und Wehen auslösen kann. Ihr konnte aber offenbar nichts nachgewiesen werden, und auch in den Folgemonaten in Großhadern hat es laut Klinikum keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gegeben.

Die Frau habe trotz der Vorwürfe ein einwandfreies Zeugnis und Unterlagen gehabt, die eine hohe Qualifikation belegten. In Kiel ist die Frau von 2001 bis Ende März 2004 drei Jahre lang ausgebildet worden und arbeitete dann bis Juli 2007 befristet als Vertretungskraft. Obwohl es dort keine Auffälligkeiten gab, will auch das dortige Klinikum nun alle Entbindungen überprüfen, an denen die Hebamme beteiligt war.

Völlig offen ist die Frage nach einem möglichen Motiv. Spekuliert wird über eine psychische Störung oder eine Überforderung der Beschuldigten. Tatsache ist, dass die Arbeitssituation für Hebammen in München extrem angespannt ist. Der Deutsche Hebammenverband bezeichnete München unlängst als "Stadt des Hebammenmangels".

Wachsende Probleme

Wie sehr ausgebildete Hebammen fehlen, zeigte sich im vergangenen Herbst: Weil das Hebammenpersonal dafür fehlte, konnte etwa die Frauenklinik an der Taxisstraße, nach eigenen Angaben die größte Geburtsklinik in Deutschland, nicht länger alle ihre sechs Kreißsäle belegen. Auch Klaus Friese, Leiter der beiden LMU-Frauenkliniken in Großhadern und an der Maistraße, berichtete im Januar im Gespräch mit der SZ von wachsenden Problemen. Die Hebammen seien "extrem belastet". In seinem Bereich, sagte er damals, hätten sich 4500 Überstunden angesammelt. Um den Mangel zu beheben, forderte Friese mehr Geld von den Krankenkassen. "Momentan wird eine Blinddarmoperation besser honoriert als eine Geburt", klagte er.

Bei weitem nicht alle Kliniken beschäftigen wie das Klinikum Großhadern fest angestellte Hebammen. Einige Krankenhäuser lassen Beleg-Hebammen für sich arbeiten, die selbständig tätig sind und die von ihnen betreuten Entbindungen direkt mit den Krankenkassen abrechnen. Gerade Kliniken, die fest anstellen, suchen aber händeringend nach Hebammen.

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