Tag der Freundschaft:Von Dreiecksbeziehungen und erotischen Abenteuern

Tag der Freundschaft: Freundschaft bis in den Tod: Der US-Spielfilm "Thelma und Louise" aus dem Jahr 1991

Freundschaft bis in den Tod: Der US-Spielfilm "Thelma und Louise" aus dem Jahr 1991

(Foto: Imago Stock&People)

Gute Freunde vervollständigen uns und geben uns das Gefühl, richtig zu sein. Manche begleiten uns nur kurz, andere Freundschaften sind wie Ehen. Und einige können ziemlich kompliziert sein. Eine Typologie.

Von L. Jakat, O. Klasen, F. Kock, T. Mokosch und V. Simon

Die Kindergartenfreundin

Im Kindergarten sitzen sie in der Ecke hinter der Treppe. "In wen bist du verliebt?" "In Lukas." "Ich auch." Die beiden Mädchen kichern. Es folgen vier gemeinsame Grundschuljahre, in denen aus Lukas Brian wird, aus der Ecke hinter der Treppe der Stammplatz im Pausenhof. Freitags gemeinsame Reitstunden. Beim Lieblingspferd dann zum ersten Mal die Erkenntnis: Es kann auch anstrengend sein, immer das Gleiche zu wollen. Schwamm drüber, wir wechseln uns ab.

Schulwechsel: Eine geht aufs gemischte Gymnasium, die andere auf eine Mädchenschule. Wir bleiben Freunde, versprochen. Aber dann findet jede ihre eigenen, neuen Freunde. Reiten ist längst uncool. Schlagzeug und Volleyball sind jetzt angesagt - getrennt. Die freie Zeit wird knapp, regelmäßige Treffen zwischen Hausaufgaben, Sport, Musikunterricht und den neuen Freunden: beinahe unmöglich.

Aus unterschiedlichen Schulen werden unterschiedliche Unis, Städte und Jobs. Und eine Distanz von mehreren Hundert Kilometern. Längst gehört die eine nicht mehr zum Alltag der anderen. Wenn etwas Aufregendes passiert, ruft jede ihre neue beste Freundin an. Die weiß viel besser Bescheid. Der muss man nicht alles von vorne erklären.

Und dennoch: Wenn sie sich sehen, an Weihnachten, manchmal an ihren Geburtstagen, bei zufällig gleichzeitigen Besuchen in der Heimat, ist alles wie immer. "Weißt du, wen ich letztens wieder gesehen habe?" "Ne." "Den Lukas." "Ach was. Wie geht's ihm denn?"

Die Jungsfreundschaft

Jungsfreundschaften werden in einem anderen Sonnensystem gegründet als Mädchenfreundschaften. Mädchen kreisen in diesem Alter häufig um sich selbst und die Frage "Beste Freundin oder nicht?". Jungs beschäftigen sich eher mit dem, was sie gerade interessiert und weniger mit ihren Gefühlen - etwas schade, aber durchaus praktisch.

Beispiel: Der elfjährige Max ruft seinen Freund Moritz an und fragt, ob er heute Zeit hat. Nein, sagt der, weil er nämlich heute ins Kino geht. Mit einem anderen Freund. Bei der Gelegenheit erfährt Max, dass die beiden sich ausgerechnet den Film anschauen, den er eigentlich mit Moritz ansehen wollte. "Ach, wie schade", sagt Max. Und: "Na gut. Dann viel Spaß!"

Die Mutter, die das Gespräch mitbekommt, ist empört. Hallo? Viel Spaß? Hier wurde eben jemand ausgebootet, zurückgewiesen! Sie selbst weiß noch gut, wie sich das angefühlt hat, damals: Die beste Freundin sagt, sie hat keine Zeit und wurde dann im Schwimmbad mit einer anderen gesichtet. Es folgten "Du-bist-nicht-mehr-meine-Freundin"-Drohungen, die Seiten mit dem Eintrag der Freundin im Poesiealbum wurden zusammengeklebt.

Also nimmt sie den Sohn, der gerade ein bisschen verloren dasteht und sehr dünnhäutig wirkt, in den Arm und tröstet ihn. Da sagt das Kind: "Schon ok, Mama. Da muss man jetzt nicht so 'ne Welle machen." Am nächsten Tag fragt sie, ob er mit seinem Freund darüber gesprochen hat. "Ja, er hat mir von dem Film erzählt, muss super gewesen sein. Kann ich jetzt auf den Bolzplatz? Moritz wartet schon."

Die Brieffreundschaft

Früher gab es in Comicheften oder in der Bravo eine Rubrik namens "Brieffreundschaften". Auch an der Schule wurden solche Briefmarken-Liaisons zwischen Schülern in verschiedenen Ländern vermittelt - um die Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, versteht sich. Man bekam also eine Adresse, etwa in Schottland, und lernte die Person, die dort wohnte, schriftlich kennen.

Man fragte sich gegenseitig nach Hobbys, der Heimatstadt und wohin der andere in den Ferien verreiste. Und antwortete im Monatsrhythmus mittels liebevoll verzierter Briefe aus der Ferne. Zu Beginn hatte man nicht einmal ein Bild des anderen vor Augen, später wurden Fotos in die Briefe gesteckt, kleine Weihnachtsgeschenke verschickt, sich gegenseitig versichert, dass man von 13 anonym zugeteilten Brieffreunden die allerliebste sei.

Der Höhepunkt dieser Freundschaft - der Besuch mit zwölf oder dreizehn - war zugleich irgendwie ihr Ende. Denn plötzlich stellte man fest, was sich in dem korallroten Polyester-Pyjama, der im letzten Weihnachtspäckchen lag, schon angedeutet hatte: Dass die Brieffreunde - abgesehen von etlichen Breitengraden auf dem Globus - doch einiges trennte.

Freundschaft zwischen Erwachsenen

Die Lebensfreundschaft

Es gibt Freundschaften, die sind wie eine Ehe. Und zwar im idealtypischen Sinne: in guten wie in schlechten Zeiten. Die Freundin, mit der man im Sandkasten gespielt hat, die neben einem in der Grundschulklasse saß. Mit der man den ersten Zahn, die erste Menstruation und die erste Liebe teilte. Sogar das Tagebuch, ein zerfleddertes schwarzes mit roten Ecken, das in den Pausen die Besitzerin wechselte, und in das man im Wechsel seine intimsten Gedanken notierte - für eine einzige Leserin.

So eine Freundschaft ist nichts für Konfliktscheue oder Bindungsangsthasen. Es ist eine Freundschaft, die immer wieder neu verhandelt werden muss. Kann ich ihren nervigen neuen Freund ertragen? Oder diese Tussis, mit denen sie neuerdings immer rumhängt? Warum habe ich das Gefühl, viel schneller erwachsen zu werden als sie?

Egal, wie viel sich sonst im Leben ändert: Es gibt tatsächlich Beziehungskünstler, die sich über all diese Fragen immer und immer wieder einigen können, die dadurch Kompromisskönige werden. Und so tatsächlich Freunde bleiben bis an ihr Lebensende. Mindestens.

Die Männerfreundschaft

Gerhard Schröder und Wladimir Putin haben sicherlich eine. Helmut Kohl und Franz Josef Strauß hatten angeblich auch eine. So gesehen kein Wunder, dass dem Wort Männerfreundschaft stets etwas Verschworenes-Seilschaftartiges anhaftet. Völlig zu Unrecht. Denn eine Männerfreundschaft ist etwas Wunderbares. Sie hält fast immer über viele Jahre, es macht ihr aber auch nichts aus, wenn sie ein paar Monate ruht, weil man anderweitig beschäftigt oder mit anderen zusammen ist.

Nie käme es den Beteiligten in den Sinn, sich fortwährend über die Sinnhaftigkeit oder Gültigkeit dieser Freundschaft über Gespräche oder E-Mails rückzuversichern. Eine Männerfreundschaft ist eine wohltuende Konstante in Zeiten der Unsicherheit und des ständigen Sich-alle-Optionen-Offenhaltens. Sie besteht, entgegen der billigen Klischees, in den meisten Fällen aus viel mehr als Fußballgucken, Biertrinken und über sekundäre weibliche Geschlechtsmerkmale reden. Sicher, diese Themen mögen am Rande eine Rolle spielen, aber Männer diskutieren auch über Musik, Kunst, Politik und ja - auch über Gefühle.

Manche zeigen diese sogar in aller Öffentlichkeit - wie in den Siebzigerjahren die beiden FC-Bayern-Fußballer Paul Breitner und Uli Hoeneß, als sie im Hotelzimmer gemeinsam unter einer Decke lagen. Oder so wie heute die beiden US-Schauspieler James Franco und Keegan Allan, die auf Twitter ein paar Selfies posteten, die sie gemeinsam im Bett zeigen. Bilder, die ohne jene Peinlichkeit auskommen, weil sie darauf verzichten, den homoerotischen Touch zu ironisieren. Franco und Keegan zelebrieren einfach ihre "Bromance", eine platonische Liebesbeziehung unter Männern.

Die Zweck-Freundschaft

Kann aus einer Begegnung Freundschaft entstehen, wenn man sich drei Wochen zuvor bei einer Radtour oder auf einem Elternabend kennengelernt hat? Ist es Freundschaft, wenn man sich stundenlang über Reifendruck, Downhill-Touren im Pustertal oder das ungewöhnliche Sabberverhalten der kleinen Lisa-Sophie unterhalten kann? Ja, denn plötzlich ist da ein Mensch, der volles Verständnis für die eigene Situation aufbringt, weil er sich in der gleichen befindet. Ein Seelenverwandter, der nicht die Augen verdreht, weil er lieber über die neueste Dating App oder die Bedeutung der Weltmeisterschaft für die Wirtschaft in Brasilien sprechen möchte.

Oft endet so eine Zweckbeziehung, sobald das gemeinsame Thema auserzählt ist. Doch manchmal wird auch mehr daraus. Wenn die angehenden Freunde bereit sind, ihr gemeinsames Themengebiet zu verlassen und sich auf unbekanntes Terrain vorwagen. Manche stellen dann fest, dass die Schnittmenge größer ist als angenommen.

Wer hätte gedacht, dass der leidenschaftliche Mountainbiker auch die Vorliebe für italienische Küche teilt - und die Ansichten über Fußball und Ökonomie? Über eines müssen sich die Beteiligten aber im Klaren sein: Je weiter sie sich öffnen, umso größer ist die Gefahr, doch irgendwann über Dating-Apps sprechen zu müssen.

Problematische Konstellationen

Die Freundschaft zu dritt

Eine Freundschaft zu dritt kann nicht funktionieren, heißt es. Weil sich immer einer ausgeschlossen fühlt. Weil es bei Streitigkeiten am Ende immer zwei Sieger und einen Verlierer gibt. Und weil bei der Autofahrt in den Urlaub immer einer hinten sitzen muss.

Die Leute haben keine Ahnung. Zu Beginn mag so eine platonische Dreiecksbeziehung nervenaufreibend sein. Bis jeder seinen Platz gefunden hat und darauf vertraut, dass Tick und Trick den kleinen Track genauso gerne mögen, auch wenn sie gerade etwas zu zweit unternehmen. Doch wenn das gelingt, dann ist so eine Freundschaft zu dritt mindestens so großartig wie jede bilaterale Best-Friends-Forever-Geschichte.

Wenn sich Tick mit Trick einmal nicht ganz grün ist, kann er immer noch Track um Rat fragen. Und während sich Track nicht vom Sofa trennen kann, lässt sich Tick vielleicht noch zu einer wilden Partynacht überreden. Zwei hören gerne Indie, der dritte lieber Punkrock? Zwei wohnen in München, einer in Berlin? Zwei machen gerne Sport, einer kriegt von Bewegung Ausschlag? Alles kein Problem - solange die personelle Besetzung dieses 2:1-Verhältnisses variiert.

Und dann ist da noch die simple Tatsache, dass Unternehmungen zu dritt einfach mehr Spaß machen. Urlaub in Italien zum Beispiel. Und für Rangeleien vor der Autofahrt gibt es seit Jugendtagen eine Lösung: Wer als erster "Shotgun" schreit, sitzt vorne. Wobei das irgendwann gar nicht mehr wichtig ist.

Die Freundschaft zwischen Mann und Frau

"Ich war schon immer mehr mit Jungs befreundet". Sätze wie dieser sollen anderen Frauen vermitteln: Fürchtet euch nicht, ich bin eher so der Kumpeltyp. Sie fürchten sich aber doch, die Frauen, deren Männer mit einer "Kumpelin" befreundet sind. Weil sie sich fragen: Wenn er sich schon trifft mit einem weiblichen Wesen, mit dem er weder Fußball gucken noch über Frauen reden kann, warum dann nicht mit mir?

Gleich vorweg: Natürlich kann ein Mann mit einer Kumpelfreundin über Frauen reden. Und umgekehrt. Das ist ja gerade das Spannende! Wo sonst kriegt man Informationen aus erster Hand, wenn nicht bei einem Mann (oder einer Frau) des Vertrauens - ohne, das man selbst gemeint ist? Im Grunde geht es genau darum: von den nützlichen Eigenschaften des anderen Geschlechts profitieren, die lästligen Eigenheiten getrost übersehen. Über offene Zahnpastatuben zu streiten, ist Sache des Partners.

Es gibt eine Menge weiterer guter Gründe für eine zweigeschlechtliche Freundschaft: Sportlich ambitionierte Singlefrauen tun sich mitunter schwer, ihre Freundinnen für Mountainbiketouren zu begeistern. Oder sie genießen ab und zu männliche Begleitung in einem Restaurant. Auch als Tanzpartner ist so ein Freund unbezahlbar, wenn man beim Tangokurs nicht von einem Unbekannten mit feuchten Händen geführt werden möchte. Das gilt übrigens nicht nur für Singlefrauen: So mancher Partner ist sogar ziemlich erleichtert, wenn ihm der Tanzkurs erspart bleibt - natürlich nur, wenn der beste Freund auch wirklich nur ein Kumpel ist.

Womit wir beim zentralen Thema wären: Sicher ist die Frage "Tun wir's oder nicht?" bei einer solchen Konstellation zumindest phasenweise ein Thema. Wer das abstreitet, macht sich und anderen etwas vor. Doch ist die Freundschaft wirklich tief genug, übersteht sie sogar den Sex - oder die Debatte darüber, so das Ergebnis einer US-Studie. Und wenn dann alles abgewägt und ausdiskutiert, ausprobiert und abgehakt, erlitten und überwunden ist - dann, ja dann ist auch eine Freundschaft zwischen Mann und Frau womöglich eine fürs Leben. Und sollte sie eines Tages zerbrechen, dann zumindest nicht an einer Zahnpastatube.

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