Steuerbetrug:Rasterfahndung in Österreich

"Jetzt ist die Falle zugeschnappt": Mit neuen Methoden kann Deutschland in Österreich nach Schwarzgeld suchen. Verdächtig ist, wer Konten auflöst und das Geld in bar mitnimmt. Die Selbstanzeigen häufen sich.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Das neue Gesetz in Österreich war noch keine 14 Tage in Kraft, da schwante Ulrich Derlien schon, dass es mit einem ruhigen Sommer in diesem Jahr nichts werden würde. Seit dem 1. Juli dürfen die deutschen Finanzbehörden mit einer Art Rasterfahndung nach Bundesbürgern suchen, die im südlichen Nachbarland Geld vor dem heimischen Fiskus versteckt haben.

Seither stehen österreichische Banken bei deutschen Steuerberatern Schlange, um sich darüber zu informieren, wie sie ihre Kunden vor größerem Schaden bewahren können - etwa über Selbstanzeigen. Auch Derliens Kanzlei Sonntag & Partner in Augsburg wird mit Anfragen überhäuft.

EU-Staaten ziehen die Schlinge zu

"Die meisten österreichischen Banken haben im Vergleich zu den Schweizer Instituten viel zu spät auf die neue politische Lage in Europa reagiert", sagt der Anwalt und verweist darauf, dass die EU-Staaten die Schlinge um den Hals der Steuerhinterzieher schon seit Jahren immer enger ziehen. Die Schweizer Banken zwingen ausländischen Kunden deshalb schon länger dazu, ihre Konten aufzulösen oder Schwarzgeld nachträglich zu versteuern.

Um sich selbst vom Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung reinzuwaschen, zahlen viele Institute hohe Strafen an ausländische Regierungen. Erst am Dienstag teilte die Großbank UBS mit, dass sie sich mit der Staatsanwaltschaft Bochum auf eine Geldbuße von 302 Millionen Euro geeinigt habe.

Viele Kunden der Schweizer Banken erstatteten zeitgleich Selbstanzeige bei ihrem Finanzamt, viele andere jedoch transferierten ihr Geld auch einfach weiter - unter anderem nach Österreich. Schätzungen zufolge sollen allein deutsche Staatsbürger bis zu 25 Milliarden Euro im Nachbarland versteckt haben. Um die Gelder zu verschleiern, legten sie die dortigen Banken etwa in eigens geschaffene Lebensversicherungsprodukte an.

Die Institutsoberen verließen sich dabei auf führende Politiker des Landes, die noch vor einem Jahr getönt hatten, das rigide Bankgeheimnis in Österreich werde niemals fallen. Sie hatten den Druck der EU-Partner unterschätzt.

Selbst wer sein Geld geholt hat, kann auffliegen

Seit vier Wochen nun haben die deutschen Behörden die Möglichkeit, sogenannte Gruppenanfragen an Österreich zu richten. Dazu ist kein konkreter Verdacht gegen einzelne Personen mehr erforderlich, vielmehr müssen die Banken im Nachbarland Auskunft über alle deutschen Kontobesitzer geben, die bestimmte Merkmale erfüllen. Ein solches Merkmal kann zum Beispiel sein, ob jemand eine Lebensversicherung im Nachbarland abgeschlossen hat. Auch könnte danach gefragt werden, welche Kunden ihre Konten aufgelöst und das Geld in bar mitgenommen haben. Die ersten Anfragen werden derzeit vorbereitet.

Viele Banken weisen ihre Kunden mittlerweile von sich aus auf die Probleme hin und suchen in Deutschland nach Beratern, die bei Selbstanzeigen helfen. "Die österreichische Bank ist verpflichtet, Kundendaten an die ausländischen (z.B. deutschen) Behörden ohne Information an den Kunden weiterzugeben, sofern der Kunde unter die Gruppenanfrage fällt", heißt es im Schreiben eines Instituts an deutsche Kontoinhaber. Schlimmer noch: Solche Abfragen sind sogar rückwirkend bis Anfang 2011 möglich. Selbst wer sein Geld längst im Koffer nach Hause geholt hat oder das noch tun möchte, kann also auffliegen.

"Viele Banken haben ihre Kunden falsch beraten"

Das erklärt, warum viele Bundesbürger mit Bankverbindungen nach Österreich derzeit eine Selbstanzeige stellen. Erschwerend hinzu kommt nämlich, dass eine solche Anzeige ab 2015 nur noch unter sehr viel schärferen Bedingungen zu Straffreiheit führen wird. Und als wäre das noch nicht genug, müssen die österreichischen Banken Kapitalerträge ihrer deutschen Kunden spätestens ab 2017 automatisch an die zuständigen Finanzämter melden.

"Viele österreichische Banken haben ihre Kunden aus heutiger Sicht falsch beraten", sagt Steueranwalt Derlien. "Jetzt ist die Falle zugeschnappt." Das Bundesfinanzministerium verweist darauf, dass Gruppenanfragen "hohen rechtlichen Anforderungen" genügen müssten. Ermittlungen ohne Anlass, also "ins Blaue hinein", werde es auch künftig nicht geben.

Anders als die österreichischen haben die meisten Schweizer Banken die Kurve in letzter Minute gekriegt. Das zeigt die Einigung zwischen der UBS und der Staatsanwaltschaft, der auch das Landgericht Bochum zustimmte. Nach Angaben eines Justizsprechers hatten Mitarbeiter der Großbank wissentlich Konten betreut, die von deutschen Kunden allein zum Zweck der Steuerhinterziehung eingerichtet worden waren. Durch diese Geschäfte sei der Bank ein Gewinn von 301 Millionen Euro entstanden. Dies zusammen mit einer Geldbuße von einer Million Euro ergebe die Gesamtsumme, so der Sprecher.

Immerhin: Auch die UBS sieht im Deutschland-Geschäft wieder Land. 95 Prozent aller deutschen Kunden hätten mittlerweile einen "Nachweis über die steuerliche Offenlegung" erbracht, so das Institut, an dessen Verwaltungsratsspitze der frühere Bundesbank-Chef Axel Weber steht. Bis Ende 2014 sollen es 100 Prozent sein. Und steigende Gewinne verzeichnet die Bank auch wieder: Im zweiten Quartal verdiente das Geldhaus 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

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