Aufsteiger 1. FC Heidenheim in der 2. Liga:Romantiker aus der Provinz

SV Elversberg v 1. FC Heidenheim - 3. Liga

Zum ersten Mal zweite Liga: Die Heidenheimer feiern den Aufstieg.

(Foto: Daniel Kopatsch/Getty)

Sie sind die Unbekannten der zweiten Bundesliga: Die Aufsteiger des 1. FC Heidenheim stehen vor ihrer ersten Spielzeit in der zweithöchsten Spielklasse - und sind schon der Liebling aller Fußball-Romantiker.

Von Andreas Babst

"Der BVB ist in Elchingen gelandet", hörten die wartenden Zuschauer am Rollfeld über Lautsprecher. Manch einer klatschte. Auch die Profis im Inneren des Flugzeugs hörten es. Manch einer fragte sich wohl, wo sie hier gerade gelandet seien. Der Flugplatz Aalen-Elchingen liegt zwanzig Minuten nordöstlich von Heidenheim. Und Heidenheim? Das ist ein Ort, den bisher die wenigsten Fußball-Enthusiasten kannten. Hier ist der Aufsteiger in die zweite Bundesliga beheimatet - und der hatte die Dortmunder in die schwäbische Provinz zum Testspiel geladen, zwei Wochen vor dem Auftakt zur allerersten Spielzeit in der zweiten Liga.

Die vergangenen zehn Jahre waren erfolgreiche für den 1. FC Heidenheim: 2004 stieg er in die Oberliga auf, 2008 Regionalliga, 2009 dritte Liga und 2014 zweite Bundesliga. "Wir starten jetzt hier aber keinen Höhenflug, der nicht mehr steuerbar ist. Wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen", sagt Geschäftsführer Holger Sanwald. Heidenheim ist um Bodenständigkeit bemüht. Nicht ein Großinvestor, sondern mehr als 300 Sponsoren bilden das finanzielle Fundament der Ostwürttemberger - die meisten kommen aus der unmittelbaren Umgebung. Keine Fahrschule und kein Handwerker sind zu klein, um zu Sanwalds "Sponsoren-Familie" zu gehören.

Seit 20 Jahren ist der Geschäftsführer im Amt. Früher hat er selbst als Amateur in Heidenheim gespielt. Irgendwann verließ er den Stürmerposten und übernahm das Ehrenamt des Geschäftsführers. Zeuge dieser Zeit ist der alte Stadionkiosk: Der stand der Stadionerweiterung eigentlich im Weg, doch wurde er kurzerhand in die Tribüne integriert.

Tradition statt Kommerz

Solche Episoden machen den 1. FC Heidenheim zur idealen Projektionsfläche für alle Fußball-Romantiker. Sie sehen im Klub einen Gegenentwurf zu RB Leipzig, der alimentiert mit Red-Bull-Millionen den Aufstieg in die zweite Bundesliga geschafft hat. Tradition gegen Kommerz. Auf dem Boden bleiben statt Flügel leihen. Sanwald sagt: "Den Leuten gefällt es, dass wir uns selber treu bleiben. Wenn das Romantik ist, dann bin ich auch ein Fußball-Romantiker."

Reichen also ein findiger Manager und kleingewerbliche Sponsoren, um einen Landesligisten auf die nationale Bühne zu hieven? Das wäre zu einfach. Der 1. FC Heidenheim hat nämlich einen entscheidenden Vorteil: Die Stadt selbst hat erkannt, was aus dem Verein herauszuholen ist.

Die Stadt Heidenheim an der Brenz hat nicht einmal 50 000 Einwohner. Sie liegt irgendwo eingeklemmt zwischen Stuttgart und Augsburg; Fußball ist das Einzige, was ihr nationale Aufmerksamkeit beschert. Davon würden die örtlichen Betriebe profitieren, sagte Oberbürgermeister Bernhard Ilg im April der Stuttgarter Zeitung. Und: "Wir sind auch Fechterstadt, aber wen interessiert's?". Also investierte die Kommune. Über die Jahre flossen 15 Millionen aus der Steuerkasse in das Stadion des Vereins. Ilg selbst hat die Mannschaft nach dem Gewinn der dritten Liga ins Rathaus eingeladen. Dort hielt er eine kleine Rede, feierte mit den Spielern - alles zu sehen auf einem Video produziert von der Stadt Heidenheim. "Etwas Besseres als der 1. FC Heidenheim mit seiner bundesweiten Wahrnehmung konnte der Stadt gar nicht passieren", sagt Geschäftsführer Sanwald.

Talente ohne viel Erfahrung

Transfer-Millionen gab es aber keine aus dem Rathaus. So setzt der Klub gezwungenermaßen weniger auf gestandene Spieler denn auf Talente. Die sieben Zugänge sind jung und kennen die zweite Bundesliga kaum. Einzig Jan Zimmermann, einst Ersatztorwart bei Eintracht Frankfurt, hebt sich bezüglich Alter und Erfahrung ein wenig ab. Der 29-Jährige soll den zurückgetretenen Erol Sabanov ersetzen.

Holger Sanwald will junge und ehrgeizige Spieler an den Verein binden, in der Hoffnung, dass einer von ihnen sich als Glücksgriff entpuppt. Schon einmal ist ihm das gelungen; Marc Schnatterer kam 2008 von den Amateuren des Karlsruher SC nach Heidenheim.

"Damals war er gescheitert, der KSC sah in ihm keinen potenziellen Profi", sagt Sanwald. In Heidenheim entwickelte sich Schnatterer zum Leistungsträger und über die vergangenen Jahre zum wohl stärksten Mittelfeldspieler der dritten Liga. Obwohl vergangenen Sommer sogar der FC Augsburg Interesse zeigte, blieb er und führte die Mannschaft zum Aufstieg.

Die zweite wichtige Stütze des Aufstiegs war Trainer Frank Schmidt. Seit der gebürtige Heidenheimer 2007 ins Amt kam, ging es immer weiter aufwärts - er unterschrieb kürzlich einen Vertrag bis 2020. Jetzt hat er die schwere Aufgabe, das unerfahrene Team in der zweiten Bundesliga zu halten. Die Testspiele lassen hoffen, gegen Borussia Dortmund verloren die Schwaben nur knapp 3:4 und lagen zweimal in Führung. "Sollten wir den Klassenerhalt schaffen, haben wir etwas ganz Großes erreicht", sagt Schmidt. Die Fußball-Romantiker würden sich freuen.

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