Krankheit in Westafrika:Ebola-Epidemie breitet sich aus, weil Staaten versagten

Krankheit in Westafrika: Karte der von Ebola betroffenen Gebiete (Stand: 24.07.2014)

Karte der von Ebola betroffenen Gebiete (Stand: 24.07.2014)

(Foto: Centers for Disease Control and Prevention)

Die Ebola-Epidemie in Westafrika stellt Forscher vor Rätsel: Das Virus stammt aus einer Gegend, die tausende Kilometer entfernt ist. Möglicherweise schleppte ein Flughund die Seuche ein. Doch dass sie so gravierend verläuft, hat eher politische und ökologische Gründe.

Von Christoph Behrens

Nun auch in Nigeria: In einem Krankenhaus des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas liegen seit kurzem zwei Patienten mit Verdacht auf Ebola. 69 weitere seien unter Beobachtung gestellt, berichtet die nigerianische Zeitung Punch am Freitag.

Das Auswärtige Amt hat nun eine Reisewarnung für Liberia, Sierra Leone und Guinea ausgegeben. Nicht notwendige Reisen in die Länder sollten unterlassen werden, rät das Ministerium. Die medizinische Versorgung in den Staaten sei defizitär, eine Ausbreitung der Krankheit nicht auszuschließen.

Der Ebola-Ausbruch ist der heftigste in der Weltgeschichte. 1976 starben in Zaire 280 Personen an dem Virus - heute sind es bereits 729 Menschen. Warum der Ausbruch so rasant verläuft und so lange anhält, stellt Forscher vor Rätsel. Als gesichert gilt, dass der Seuchenherd in der recht abgelegenen Region um Guéckédou in Guineas Südosten zu suchen ist - hier traten wohl bereits Ende 2013 die ersten Fälle von Ebola auf.

Flughunde könnten die Infektion auf den Menschen übertragen haben

Ungewöhnlich ist jedoch, dass die in Westafrika derzeit kursierende Variante des Virus bislang nur in Zentralafrika aufgefunden wurde - und damit mehrere tausend Kilometer vom aktuellen Seuchengeschehen entfernt. "Was in aller Welt macht das Zaire-Ebolavirus in Westafrika, so weit weg von seinem gewöhnlichen Revier?" fragen daher der Tropenmediziner Daniel Bausch und seine Kollegin Lara Schwarz in einem Leitartikel für Plos Neglected Tropical Diseases. Die Wissenschaftler vermuten, der in Westafrika auftretende Virenstamm sei wohl ein enger Verwandter des zentralafrikanischen Strangs.

Dass ein Mensch das Virus aus dem Kongo nach Guinea einschleppte, halten die Forscher jedoch für unwahrscheinlich: Zu gering sei der Reiseverkehr zwischen beiden Staaten, Guéckédou zu schwer erreichbar für Reisende.

Viel plausibler sei, dass ein Tier das Virus nach Westafrika getragen hat, und zwar schon lange vor den ersten Erkrankungen. Flughunde sind für Ebola die perfekten Vehikel, um lange Wege zurückzulegen: Diese Tiere können das Virus in sich tragen, ohne selbst krank zu werden, und fliegen weite Strecken innerhalb Afrikas. Unter den wahrscheinlichsten Kandidaten für einen solchen Übertragungsweg sind der Hammerkopf, oder Unterarten der Epaulettenflughunde. Verspeist ein Mensch dann eins der infizierten Tiere - in dieser Region der Erde nicht unüblich - könne die Infektion auf den Menschen überspringen.

Armut und Abholzung befeuern die Epidemie

Trotzdem bleibt die Frage, warum gerade in Guéckédou die ersten Fälle auftraten - schließlich migrieren Flughunde auch in andere Teile Afrikas, ohne dass es zu Epidemien kommt. Hier beginnt wohl das Versagen des Menschen. Zu den meisten Epidemien hämorrhagischen Fiebers - hierzu zählt Ebola, aber auch Lassa oder Gelbfieber - komme es in Gebieten, deren Gesundheitssysteme zuvor von jahrelangen Bürgerkriegen oder Krisen erschüttert worden seien, schreiben Bausch und Schwarz. "Die ersten Fälle treten zwar im Dschungel auf, aber die soziopolitische Umgebung bestimmt, wie die Reise weitergeht - ein einzelner Fall hier und da oder ein großer und langer Ausbruch."

Ist der aktuelle Ebola-Ausbruch also die Folge eines anhaltenden Staatsversagens? Armut treibt die Bevölkerung zu riskanterem Verhalten. Die Menschen müssen tiefer in den Dschungel um Tiere zu jagen oder Brennholz zu finden. Damit rücken sie näher an die natürlichen Reservoirs des Virus heran. Falls es so zu einer Infektion kommt, kann diese sich in schlecht ausgestatteten Krankenhäusern schnell weiterverbreiten - durch insterile Spritzen, dreckige Handschuhe oder fehlende Desinfektionsmittel.

Folgt man dieser Argumentation, dann findet das Virus in Westafrika jedenfalls idealen Nährboden. Guinea ist eins der ärmsten Länder der Welt - der Staat liegt auf Platz 178 von 187 des Human Development Index der UN. Auf den Plätzen davor: Sierra Leone und Liberia. Alle drei Staaten haben eine lange Geschichte von Bürgerkriegen und Gewalt hinter sich - in der Region um Guéckédou siedeln zudem viele Flüchtlinge der Konflikte, was die soziale und ökologische Situation weiter verschärft. Besonders Guinea hat in den letzten Jahrzehnten eine Art "De-Entwicklung" hingelegt, schreibt Daniel Bausch, der lange Hilfsprojekte vor Ort koordinierte. "Bei jedem Trip nach Guinea schien die Infrastruktur noch schlechter, der öffentliche Sektor noch weniger vorhanden, die Preise höher, der Wald dünner."

Insbesondere der letzte Faktor - die Entwaldung - könnte zum jüngsten Ausbruch beigetraben haben. Wegen des Waldschwunds suchen die Flughunde neue Lebensräume - und rücken daher tendenziell näher an menschliche Siedlungen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: