Ungewöhnliche Urlaubsvertretung:Azubis übernehmen Baumarkt

Von der Kasse bis zur Marktleitung: Im August führen 65 Auszubildende einen Baumarkt in Unterföhring im Landkreis München. Und die Stammbelegschaft? Fährt in den Urlaub.

Von Ferdinand Otto

Herbert Grönemeyer forderte in einem Song: "Kinder an die Macht". Ganz so weit wollte der Hagebaumarkt in Unterföhring zwar nicht gehen, dafür heißt es dort aber seit Freitag: "Azubis an die Macht". Den ganzen Monat August wird die gesamte Filiale von 65 Auszubildenden geführt, die in den Hagebaumärkten in München ausgebildet werden. Der Baumarkt, das klassische Terrain des Mannes im gereifteren Alter, wird nun zur Spiel- und Experimentierwiese für den Nachwuchs der Filiale. Dieses Jahr steht der Azubi-Baumarkt unter dem Motto "Profis von Morgen".

Für die Hagebaumärkte gehört die Aktion fest zur Unternehmenspolitik: Alle zwei Jahre übernehmen die Auszubildenden einen Markt. Jedes Mal ist eine andere Filiale dran. Vom Kassierer über den Verkäufer, die Beratung, die Bereichsleiter und sogar die Marktleitung - alle Jobs gehören für einen Monat allein den Lehrlingen der Münchner Märkte. Die Stammbelegschaft hat dafür einen Monat lang Urlaub.

Azubi-Markt feiert Premiere

Für den Hagebaumarkt in Unterföhring ist der Azubi-Markt eine Premiere. Die Marktleitung teilen sich drei BWL-Studenten mit Schwerpunkt Handel an der FH Erding. Durch ihr Duales Studium kennen die drei das Unternehmen bereits gut. Jetzt lernen sie es noch besser kennen. Sie werden den ganzen Monat lang die Geschäfte von Senior-Marktleiter Bernd Kemmann führen.

Eine der Marktleiterinnen auf Zeit ist Nicole Linder. An ihrem ersten Tag auf dem Chefsessel hat sie sich schon eingelebt. Die ersten Stunden ohne Aufsicht der Stammbelegschaft seien ruhig und geordnet verlaufen, besser als erwartet. "Alle wissen, was zu tun ist, keiner läuft planlos durch die Hallen", sagt Lindner.

Vorbereitungen für das Experiment laufen seit Februar

Dass alles so gut klappt, ist kein Zufall. Schon vor Monaten hätten die einzelnen Bereiche sich mit ihren Bereichsleitern zusammengesetzt und alle Arbeitsabläufe durchgesprochen, sagt Lindner. "Trotzdem freue ich mich natürlich, dass jetzt alles so gut klappt. Das konnten wir ja vorher nicht wissen."

Die Vorbereitungen für das Auszubildenden-Experiment laufen schon seit Februar - denn bei der Planung gab es reichlich zu tun: Die Azubis mussten lernen, den Gabelstapler durch das Lager-Labyrinth zu lenken. Die Erste-Hilfe-Kurse mussten aufgefrischt werden, eine Marketingkampagne wurde vorbereitet, Fotos wurden geschossen. Und: Die Auszubildenden entwarfen sogar ihre eigene Arbeitskleidung und planten ein Sommerfest, um ihr gemeinsames Projekt gebührend zu feiern.

In ihrer Zeit an der Spitze des Marktes will Nicole Lindner nicht nur darauf achten, keine Fehler zu machen. Sie wolle manches besser machen und vieles neu denken, sagt sie: "Wir haben uns Ziele gesteckt und wollen beispielsweise mit besonderen Aktionen unsere Stammkunden locken." Als größte Herausforderung erachtet Lindner es, das Team zusammenzuhalten: "Wir kennen uns ja alle noch nicht. Wir haben uns vorgenommen, Konflikte sachlich auszutragen und gut als Team zusammenzuarbeiten."

Sollte das nicht klappen, haben die Azubis für den Notfall die Handynummer der eigentlichen Marktleitung. "Aber wirklich nur für den größten Notfall", sagt Lindner, " wenn es brennt, dann rufen wir an."

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