Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel:Besuch bei der arbeitenden Bevölkerung

SPD-Chef Sigmar Gabriel schärft sein Profil als Wirtschaftsminister - und sucht dafür gezielt die Nähe von kleinen und mittleren Unternehmen. Denn was ihm derzeit noch fehlt, ist deren Vertrauen.

Von Michael Bauchmüller, Dresden/Gera

Sommerreise Sigmar Gabriel

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) besucht im Rahmen seiner Sommerreise die Firma Bikar Plate in Thüringen.

(Foto: dpa)

Was große Politik aus einem kleinen Unternehmen machen kann, Sigmar Gabriel erfährt es auf einem Elbdampfer. Ein sächsischer Unternehmer schildert es, Galvanotechnik, Aufträge aus aller Welt. Doch ein wichtiger Auftrag sei geplatzt, als der Westen Sanktionen über Iran verhängte. Monatelang habe das Unternehmen mit der Insolvenz gekämpft, sich mühsam wieder berappelt, erzählt der Mann. Und jetzt das: Vor Kurzem erst habe man zwei Aufträge in Russland an Land gezogen. "Eine Ironie der Geschichte", sagt der Unternehmer. Kurz darauf hat er die Visitenkarte eines Mitarbeiters von Gabriel. "Darüber müssen wir reden", sagt der.

Reden mit der Wirtschaft, das ist Gabriels Mission für den Sommer. Eine knappe Woche lang hat er den Osten Deutschlands bereist, einen Windpark besucht, Mittelständler und Forschungseinrichtungen. Er hat mit Studenten diskutiert und mit sächsischen Unternehmern auf einem Elbdampfer bei Dresden beim Wirtschaftsempfang der sächsischen SPD. Das ist Wahlkampf, einerseits, denn in drei ostdeutschen Bundesländern wird in diesem Jahr noch gewählt, in Sachsen schon in drei Wochen. Es ist aber auch eine Reise in das Herz seines neuen Jobs. Denn was dem Wirtschaftsminister derzeit noch fehlt, ist das Vertrauen der Wirtschaft.

Auf den Mittelstand hat er es abgesehen

Auf dem Elbdampfer geht Gabriel dafür weit zurück in die Geschichte der Sozialdemokratie, zu August Bebel. Der sei schließlich auch Unternehmer gewesen, auch in Sachsen, und ein ziemlich reicher obendrein. "Der war typisch für die Gründergeneration: Handwerksmeister, kleine Selbständige, natürlich auch Arbeiterinnen und Arbeiter." Heute würde man sagen: der Mittelstand. Kein Zweifel: Auf diese Klientel hat es der SPD-Chef abgesehen.

Am Freitag steht es direkt vor ihm in Gestalt eines Geschwisterpaars. Auf einen Acker vor den Toren Geras haben Claudia und Pascal Bikar 2009 einen Betrieb gepflanzt, der aus riesenhaften Aluminiumblöcken blitzblanke Platten schneidet, ein Ableger des elterlichen Betriebes im Siegerland. In den Hallen zischt und lärmt es, lange Sägen fressen sich ins Aluminium. Es ist ein Ortsbesuch bei der arbeitenden Bevölkerung - die richtige Kulisse für einen Wirtschaftsminister, der zwar einerseits die Nähe zu den Gewerkschaften pflegt, aber gleichzeitig nicht die zu den Arbeitgebern verlieren will. "Hier kann man sehen, was Familienunternehmen in diesem Land stemmen", schwärmt der Minister - und warnt gleich vor den Folgen einer Verschärfung der Erbschaftsteuer, wie sie vom Verfassungsgericht droht.

Das freut den Mittelstand, auch in Gestalt des Geschwisterpaars. Im Hintergrund rollen schon die Bagger für die nächsten beiden Werkshallen. 20 Millionen Euro investieren die beiden, statt 58 Leuten sollen bald 100 hier arbeiten. Selbst durch Sanktionen droht kein Ungemach. Die Beziehungen zu russischen Aluminium-Lieferanten habe man vorsichtshalber rechtzeitig abgebrochen, sagt Firmenchefin Claudia Bikar. "Da sind wir ganz konservativ."

Eine bodenständige Klientel, das weiß auch Gabriel, mag keine Eskapaden, und deshalb hält er sich seit Monaten bemerkenswert konsequent zurück. Fungierte das Wirtschaftsministerium in der Vergangenheit gerne als renitenter Nörgler im Regierungsapparat, vermeidet es unter Gabriel jeden unnötigen Misston. Die Regierungsgeschäfte sollen möglichst geräuschlos laufen, ohne Streit in der Koalition, ohne Krawall. Das Ganze, sagt Gabriel, sei eben ein bisschen wie beim Golf. "Erst übt man, die kurzen Bälle ins Loch zu kriegen", sagt er. "Und wenn das klappt, kommen die langen." Es klingt wie eine Drohung.

Gegner von Rüstungsexporten, Weltstaatsmann und Patron des Mittelstands

So gesehen haben die ersten Putts ganz gut geklappt. Gabriels Großreform beim Ökostrom ist seit einer Woche in Kraft, das heikle Thema Fracking ist halbwegs entschärft, den Streit um das Freihandelsabkommen TTIP hat er sich bisher vom Halse halten können. Selbst die Ukraine-Krise spielt ihm in die Karten. Einerseits kann er sich als Gegner von Rüstungsexporten profilieren, andererseits als Weltstaatsmann, der die europäische Friedensordnung verteidigt. Und selbst für die Mission Mittelstand ist etwas dabei, denn um Firmen, die nun Geschäft verlieren, will sich Gabriel auch kümmern. Eine entsprechende Beratungsstelle werde nun eingerichtet, sagt er. Im Zweifel nimmt er Wünsche und Anliegen auch auf Visitenkarten entgegen, wo immer sie am Ende auch landen.

Der Elbdampfer zieht gerade an Weinbergen im Abendrot vorbei, als Gabriel, der manches Mal schon über seinen Übermut stolperte, der sächsischen Wirtschaft noch eine Warnung mitgibt. "Ich weiß ja nicht, wie Ihre Erfahrung ist", sagt er. "Meine ist: Wenn du glaubst, es geht dir richtig gut, dann wird es gefährlich." Wirkt fast so, als hätte er diese Lektion nun gelernt.

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