Schwaben:Der mysteriöse Tod des Polizisten

Polizeieinsatz nach Schüssen

Eine Spezialeinheit sichert das Grundstück, auf dem ein Polizeikollege mehrere Schüsse abgegeben haben soll.

(Foto: dpa)

Vor vier Wochen erschoss ein SEK einen Beamten, der sich in seinem Haus verbarrikadiert hatte. Jetzt erhebt der Vater schwere Vorwürfe: Nicht einmal er durfte Kontakt aufnehmen zu seinem Sohn, der in einem psychischen Ausnahmezustand war.

Von Sarah Kanning

Knapp vier Wochen, nachdem ein Spezialeinsatzkommando (SEK) im schwäbischen Asbach-Bäumenheim einen Polizeikollegen erschossen hat, wirken die Umstände der Tat zunehmend mysteriös. Nicht nur, dass weiter völlig unklar ist, wieso das SEK das frei stehende Gebäude stürmte, in dem sich der 46-Jährige über Stunden hinweg verbarrikadiert hatte, statt abzuwarten oder ihn mit Blendgranaten, Tränen- oder Betäubungsgas zur Aufgabe zu bewegen. Der Vater des getöteten Polizisten bestätigte der Süddeutschen Zeitung nun, dass er keinen Kontakt zu seinem Sohn aufnehmen durfte, bevor das SEK das Haus stürmte - obwohl er das gewollt hatte. "Die Polizei hat alles in die Hand genommen", sagt der Vater des Beamten, dessen Name der SZ bekannt ist. "Wir konnten und durften nicht mit unserem Sohn sprechen."

Ein Polizist habe ihn und seine Frau sowie die Ehefrau des Sohnes mit ihren Kindern gebeten, in dem rund 600 Meter entfernten Wohnhaus der Eltern zu bleiben. "Der Kriminalhauptkommissar sagte, wir könnten die Sache nicht regeln", sagt der Vater. "Wir durften weder zum Heim unseres Sohnes noch mit ihm telefonieren. Auch unsere Schwiegertochter nicht."

Vielleicht hätte ein Angehöriger den 46-Jährigen umstimmen können, dessen psychischer Zustand nach Angaben eines Polizeisprechers "immer kritischer und labiler" wurde und der offenbar angetrunken war. Wenn das Motiv, wie die Polizei es am Tattag mitteilte, nicht im dienstlichen, sondern im persönlichen Lebensbereich lag, warum gab es keine Gespräche mit seinen Angehörigen? Ein Nachbar vermutet, der 46-Jährige habe vielleicht nicht gewusst, dass seine Frau nicht weggegangen, sondern nur zu seinen Eltern gezogen war.

Polizei und Staatsanwaltschaft wollen sich nicht zu dieser Frage äußern. "Das wäre verfrüht", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg, welche die Ermittlungen aufgenommen hat. Erst wenn alles ordentlich und gutachterlich geprüft sei und das ballistische Gutachten vorliege, werde die Polizei zu den Ermittlungsergebnissen Stellung nehmen.

Widersprüchliche Aussagen

Auch über die Schüsse auf dem Grundstück gibt es widersprüchliche Aussagen. Der 46-Jährige hatte am Morgen gegen 8.30 Uhr auf seinem Anwesen mehrmals Schüsse aus privaten Waffen abgefeuert, die er legal besaß. Daraufhin riefen Nachbarn die Polizei. Nach Angaben der Polizei verbarrikadierte sich der Mann nach ihrem Eintreffen im Haus, Verhandlungen scheiterten. In den Abendstunden, als es dunkel wurde und ein Gewitter angekündigt war, schickten Beamte einen Diensthund ins Haus.

Nach bisherigen Erkenntnissen verletzte der 46-Jährige das Tier mit mehreren Schüssen so schwer, dass es später starb. Nach Angaben der Polizei richtete der Mann dann die Waffe gegen die SEK-Beamten. Daraufhin schossen die Spezialkräfte und trafen ihn tödlich in die Brust. Die Polizei spricht von sieben Schüssen, Anwohner wollen mehr gehört haben.

Wie jetzt bekannt wurde, schlug bei dem Schusswechsel mindestens ein Geschoss in ein benachbartes Wohnhaus in der Siedlung "Schneiderfeld" ein und durchschlug eine Fensterscheibe. Das bestätigte die Polizei. Die Anwohner waren während der Erstürmung ihres Nachbarhauses nicht an einen anderen Platz gebracht worden. Sie blieben aber unversehrt. Wie oft aus welcher Waffe in welche Richtung geschossen wurde, soll nun das ballistische Gutachten klären. Noch ist unklar, aus welcher Waffe die Kugel stammte, die das Nachbarhaus traf. Anwohner, die wissen wollen, dass der 46-Jährige das tödliche Geschoss von rechts in die Brust bekommen hat und demnach seitlich zum SEK-Kommando stand, ordnen die Kugel auf Grund der Flugrichtung dem SEK zu.

Der Gemeinde- und Kreisrat in Asbach-Bäumenheim, Manfred Seel (Die Linke), hat viele Fragen zum Tod des 46-Jährigen. "Warum hat die Polizei das Gelände nicht umstellt?", sagt er. "Zu fast drei Seiten ist es doch eh zu mit Mauern, einem Riesenstall und einem Flüsschen, nur auf der Nordseite ist was frei." Auf dem 7000-Quadratmeter-Grundstück war einst eine türkische Spedition untergebracht, bevor der 46-Jährige es "zu einer Perle" umbaute. Seel kannte den Polizisten, weil er regelmäßig an seine Tankstelle kam, um Öl für die Traktoren zu holen. "Er war mir bekannt als Familienmensch und Tierliebhaber, aus einer völlig intakten Familie mit Herzblut." Dass er derart ausgerastet sein soll, könne er sich nicht erklären. Bis das polizeiliche Gutachten fertiggestellt ist, dauert es noch einige Wochen.

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