Dachau:Der Zwei-Schläge-OB

Triumph für Florian Hartmann: Beim Bieranstich zeigt er es allen Skeptikern. "Die Leute von der Brauerei waren ganz erstaunt, wie ich das Ding reingehauen hab'. - Und ich auch."

Von Benjamin Emonts, Dachau

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hat kürzlich gesagt, er habe keine Ahnung von Bier. Und schmächtig gebaut ist der 27-Jährige sowieso. Viele Dachauer fragten sich also: "Wie viele Schläge würde Hartmann wohl brauchen?" Die Antwort liefert der neue OB am Samstag, drei Minuten nach zwölf Uhr: In Tracht und mit der obligatorischen, grünen Brauereischürze nimmt er den massiven Holzschlegel und das Zapfzeug zur Hand. Hartmann schlägt zu - einmal, zweimal. Dann verkündet der OB: "Ozapft is."

Die Festgäste und die politische Prominenz im voll besetzten Bierzelt staunten nicht schlecht ob der makellosen Darbietung ihres Oberbürgermeisters - tatsächlich sah das Anzapfen selten so kinderleicht aus. Für manche sogar: zu leicht. So mutmaßten einige Volksfestbesucher, das Fass sei im Vorfeld manipuliert worden. Hatte die Brauerei dem Dachauer OB womöglich eine Hilfestellung geleistet?

Bernhard Klier, der Verkaufsleiter der Brauerei und Zeuge aus nächster Nähe, verneinte: "Das hat der Oberbürgermeister super gemacht. Der erste Schlag war perfekt." OB Hartmann gab indes zu, beim Proben schlechter ausgesehen zu haben: "Ich habe immer drei oder vier Schläge gebraucht." Auf den Manipulationsverdacht angesprochen, lachte der OB schließlich laut los: "Wie soll man das Fass manipulieren?", fragte er, und fügte stolz hinzu: "Die Leute von der Brauerei waren ganz erstaunt, wie ich das Ding reingehauen hab'. - Und ich auch."

Dachau: Begeisterung über den neuen 27-jährigen Oberbürgermeister Florian Hartmann. Das Bierzelt hat er stimmungsmäßig erobert.

Begeisterung über den neuen 27-jährigen Oberbürgermeister Florian Hartmann. Das Bierzelt hat er stimmungsmäßig erobert.

(Foto: Toni Heigl)

Im Vorfeld war ja viel über Hartmanns Volksfestpremiere spekuliert worden: über seine Fähigkeiten am Zapfhahn, über seinen Umgang mit den heiß begehrten Biermarken, schließlich über sein Outfit. Fest steht: Vorgänger Peter Bürgel pflegte einen großzügigeren Umgang mit den Bier- und Essengutscheinen. Doch modisch betrachtet war der Auftritt Hartmanns einwandfrei: Er trug schwarze Haferlschuhe, eine kurze, dunkelbraune Lederhose und eine hellgrüne Trachtenweste. Motto: schlicht, aber schick. Lebensgefährtin Julia Märkl räumte ein, beim Kauf der neuen Garnitur ein wachendes Auge gehabt zu haben. Nach dem erfolgreichen Bieranstich und nachdem Hartmann zwar engagiert, aber etwas unbeholfen wirkend den Bayerischen Defiliermarsch dirigiert hatte, war Lebensgefährtin Märkl sichtlich zufrieden mit ihrem Freund: "Der kann nicht nur Politik."

Der traditionelle Volksfesteinzug der Dachauer Vereine war da bereits eine Stunde her. Volksfestreferent Robert Gasteiger, der wie schon im vergangenen Jahr in der Kutsche mit der Erntekrone Platz nahm, hatte etwa 500 aktive Teilnehmer am Umzug gezählt. Die mit Abstand größte Gruppe stellte wie immer der Dachauer Verein D'Ampertaler, von dessen 400 Mitgliedern um die 200 am Umzug teilnahmen. Sie alle trugen die historische Tracht, über die sich der Verein definiert: ein schwarzer, runder Hut, ein kurzer Janker, ein weißes Bauernhemd, eine lederne Stiefelhose, eine Samtweste, eine Uhrkette mit Anhängern, ein silbernes Besteck und schwarze Faltenstiefel. Einer der Ampertaler ist übrigens Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU), der in einer durch und durch schwarzen Kutsche mit Landrat Stefan Löwl (CSU) und der Bundestagsabgeordneten Gerda Hasselfeldt (CSU) saß. Ihnen folgte der Wagen der Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath, Anton Kreitmair (beide CSU) und Martin Güll (SPD).

Dachau: Der neue Volksfestreferent, Stadtrat Robert Gasteiger, genießt die Kutschfahrt. Er ist auch Vorsitzender der Ampertaler, die den Umzug prägen.

Der neue Volksfestreferent, Stadtrat Robert Gasteiger, genießt die Kutschfahrt. Er ist auch Vorsitzender der Ampertaler, die den Umzug prägen.

(Foto: Toni Heigl)

Trotz ihrer eleganten Tracht wirkten die Politiker im Kontrast zu den extravaganten 25 Dachauer Malweibern aber eher blass. Die Malweiber sind ein Verein, den die Dachauerin Nina Schiffner im Jahr 2005 als Reminiszenz an die Künstlerinnen der Jahrhundertwende gegründet hat. Denn die, sagt Schiffner, "haben sich nicht den Einschränkungen der männlich dominierten Gesellschaft gebeugt". Dementsprechend selbstbewusst und emanzipiert traten die Malweiber auf dem Umzug auch auf - in Kleidern aller Couleur und mit selbst drapierten Hüten, von denen jeder für sich ein kleines Kunstwerk war.

Die nach Einschätzung von Volksfestreferent Gasteiger zwischen 2000 und 3000 Menschen, die den Umzug von der Altstadt auf die Ludwig-Thoma Wiese beobachteten, bekamen von den Malweibern Rosen geschenkt. Trotzdem standen ganz oben in der Gunst des Publikums drei Gäste aus Österreich: die Klagenfurter Fahnenschwinger. Denn David Werdinig, der kurz vor seinem 90. Geburtstag steht, ist der älteste Fahnenschwinger Europas. Immer wieder werfen er und seine zwei Kollegen mit beeindruckender Technik meterweit ihre Fahnen in die Luft, um sie mit spielerischer Leichtigkeit wieder aufzufangen. "Man muss geschickt sein und braucht Ausdauer im Training", sagt David Werdinig später im Bierzelt. Schließlich erinnert sich der 89-Jährige an ein Fest in Dachau, an dem er Mitte der Achtzigerjahre teilgenommen hat. "Seitdem haben wir das Dachauer Schloss auf unseren Fahnen." Das passt. Zumal die Städte Klagenfurt und Dachau in diesem Jahr auf eine 40-jährige Partnerschaft zurückblicken können. Fahnenschwinger Werdinig erinnert sich noch gut daran, dass mit der Stadt Dachau aufgrund ihrer Geschichte anfangs niemand befreundet sein wollte. "Aber wir dachten uns: Ihr könnt ja nix dafür."

Dachau: Die Malweiber dürfen beim Umzug zum Volksfest in Dachau auf keinen Fall fehlen.

Die Malweiber dürfen beim Umzug zum Volksfest in Dachau auf keinen Fall fehlen.

(Foto: Toni Heigl)

Ebenso befreundet mit Dachau ist die italienische Stadt Fondi, die 117 Kilometer südöstlich von Rom liegt. Ihr Bürgermeister, Salvatore de Meo, sitzt am Samstag in der Kutsche von Oberbürgermeister Florian Hartmann. Er trägt eine Schärpe in den italienischen Nationalfarben und einen eleganten Anzug. Was die wenigsten wissen: Auch in Fondi gibt es ein Volksfest. "Four days, three thousand people", gibt de Meo eine englischsprachige Kurzbeschreibung. In Dachau ist der Bürgermeister zum vierten Mal: Er fühle sich wohl, das Bier sei gut.

Dem französischen Stadtrat von Oradour, Marcel Brissaud, der in diesem Jahr auch an der Versöhnungsradfahrt von Dachau nach Oradour teilgenommen hat, waren die Bierkrüge jedoch etwas zu groß. "Das Bier ist eine Überraschung", sagte er frei übersetzt. Und: "Es ist mit Maß zu genießen."

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