Amphib 2014:Wasser marsch

Amphib 2014 in Deutschland

Eigentlich wollten die Teilnehmer der Amphib dieses Jahr nach Amsterdam, doch es gab keine Genehmigung. Also wich man an die Mosel aus.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Einmal im Jahr treffen sich die Besitzer von Amphibienfahrzeugen aus ganz Europa auf der Amphib, dieses Mal an der Mosel. Die schwimmenden Grenzgänger können fast alles - außer bremsen.

Von Joachim Becker

Die Leute müssen verrückt sein. "Ich bremse für Fische", schreiben sie auf ihre Blechwannen und "Auto ahoi", "Aloha" oder "Fisherman's friend". Dann steuern sie nicht nur einzeln, sondern scharenweise mit knatterndem Motor die Uferböschung hinab. Zum Gaudium der Schaulustigen versinkt jede Tonne Stahl im algengrünen Wasser, schon werden Motorhaube und Frontscheibe von Wellen überrollt. Keine Frage, diese Möchtegern-Kutter mit Heckflossen wie Düsenjäger werden mit Kind und Kegel untergehen. Tun sie aber nicht. Stattdessen schwimmen bald rote, türkise und gelbe Boote beziehungsweise Badeinseln mit vier oder sechs Rädern im Fluss, als wäre die Mittelmosel ein kolorierter Südseestrand.

Wo immer diese Parade in den Fluten versinkt und wieder anlandet, gibt es einen Volksauflauf. Kaum jemand hat so ein Zwitterwesen mit Kfz-Nummernschild und Bootszulassung je zuvor gesehen, geschweige denn eine ganze Armada davon. "Mein Amphicar ist mit seiner holprigen Federung weder ein besonders gutes Auto, noch ein schnelles Boot", gesteht Bernd Weise mit breitem Schmunzeln, "aber es macht wahnsinnig Spaß, damit zu fahren." Der Skipper mit weißem Seemannsbart und Strohhut hat sein rotes Schmuckstück auf dem Hänger vom Berliner Wannsee nach Traben-Trarbach gebracht, um an der Amphib 2014 teilzunehmen. Alljährlich treffen sich mehr als 60 der historischen Grenzgänger zwischen Wasser und Erde in einem anderen europäischen Land. Aus einer Privatinitiative vor fast 30 Jahren ist ein internationales Schaulaufen der seltenen Amphibienfahrzeuge geworden - und ein großes Familienfest.

Amphib 2014 in Deutschland

Bei der Amphib treffen sich alljährlich mehr als 60 der Grenzgänger zwischen Wasser und Erde in einem anderen europäischen Land.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

"Mein Amphicar bedeutet für mich grenzenlose Freiheit"

Wie kommt man auf die Idee, sich in einem wertvollen Oldtimer mit Badeleiter, Bootsfender und Sonnenschirm ins kühle Nass zu stürzen? "Mein Amphicar bedeutet für mich grenzenlose Freiheit", erzählt Jürgen Neuenhausen ganz ohne Seemannsgarn, "mal fahren wir mit der Familie an diesen Fluss oder an jenen See, auf dem auch Motorboote unterwegs sind. Im Gegensatz dazu brauchen wir aber keine Slipanlage, um baden zu gehen." Alle Fahrzeuge der Amphib 2014 haben eine Bootszulassung, die am Heck prangt. Auch Signalhorn, Positionsleuchte und Landesflagge sind über der Wasserlinie angebracht, darunter werkelt ein Propeller, der für Vortrieb sorgt, wenn den Rädern die Straße ausgeht. Gelenkt werden zumindest die Amphicars aus den Sechzigerjahren immer über die Vorderräder. Bei einem Wendekreis von circa 30 Metern im Wasser sollte man sich anderen Schwimmwesen allerdings nicht zu schnell nähern. Die Bremsen sind bloßer Ballast - selbst auf der Straße, wenn sie vom Baden noch nass sind.

Mit 15 Liter Sprit kommen die Amphicars locker 100 Kilometer weit - inklusive einer mehrstündigen Bootsfahrt im Fußgängertempo. So gemütlich die Begegnung von Wasser und Stahl bei Sonnenschein auch erscheinen mag, hinter den Werkstatttüren sieht es etwas anders aus. Nach dem Wasserspaß müssen die Badewagen alle paar Tage an mehreren Dutzend Schmierstellen gefettet werden, vierteljährlich steht ein Ausbau der Bremstrommeln an: "Früher bin ich zehn Stunden gefahren und habe eine Stunde lang gebastelt", berichtet Bernd Weise, "heute ist es eher andersrum." Wobei eine gewisse Unschärfe in dem Wort "früher" mitschwingt. Der 62-Jährige hat sein Amphicar vor 15 Jahren zwar günstig bekommen. Dafür hat er es in einer sogenannten Running Restauration nach und nach grundsaniert - was viel Zeit und Fingerspitzengefühl verlangt. Von der Geduld bei der weltweiten Teilesuche gar nicht zu reden: Ohne gute Kontakte in der Amphib-Familie ließen sich die feucht-fröhlich genutzten Oldies nur schwierig in Schuss halten.

Ein Schwimmwagen war für viele schlicht zu teuer

Keiner der Schwimmwagen an der Mosel, der nicht etliche Tausend Arbeitsstunden spazieren fährt. Unikate sind sie nicht nur aufgrund der geringen Stückzahlen ab Werk, sondern oftmals auch durch ihre abenteuerliche Rettungs- und Restaurationsgeschichte. Von den Amphicars entstanden zwischen 1960 und 1963 nur 3878 Stück, bevor der Hauptabsatzmarkt USA auch aufgrund neuer Sicherheitsvorschriften einbrach. Ohnehin war ein Schwimmwagen mit 10 500 Mark Neupreis (doppelt so viel wie ein VW Käfer) für Otto-Normalverbraucher damals schlicht zu teuer. Heute zahlen Liebhaber für ein gepflegtes Amphicar weit mehr als den fünffachen Euro-Betrag. In Traben-Trarbach stand während des Treffens ein seltener Scheunenfund für 15 000 Euro zum Verkauf - in einem erbärmlichen Zustand ohne Motor, Getriebe und Antriebswelle: "Das sind aber die Herzstücke des Wagens, alles andere kann man dann drum herumbauen", weiß Jürgen Neuenhausen aus Erfahrung.

Der Organisator der Amphib 2014 kennt alle Marotten und Wehwehchen der Schwimmwagen in- und auswendig. Er hat in rund zwei Jahrzehnten 20 Amphicars in aller Welt erstanden, aus denen er sieben fahrbereite Modelle rekonstruieren konnte. Ein Teilespender fristete sein Dasein zum Beispiel als Hühnerstall in Griechenland, einer war wie Dornröschen in einer Scheune im Westerwald völlig eingewachsen, bevor man ihn mit der Kettensäge befreien konnte. Wieder andere warteten in tausend Einzelteilen auf eine bessere Zukunft, waren in einem Unfall fast völlig zerstört oder hatten jahrelang auf dem Grund eines Hafenbeckens gelegen. "Jeder Teilnehmer an der Amphib 2014 hat dafür gekämpft, dass sein Fahrzeug wieder auf die Straße und ins Wasser kommt. Das macht den eigentlichen Wert aus", ist sich Neuenhausen sicher. Von den Nachkriegsmodellen soll es in Deutschland immerhin noch rund 70 Stück geben, schätzt der Kenner.

Amphib 2014 in Deutschland

Der Erhalt der Amphibienfahrzeuge ist mühsame Bastelarbeit.

(Foto: dpa)

500 Kilometer auf dem Rad für den ersten Schwimmwagen

Eigentlich hätte die Amphib 2014 in Amsterdam stattfinden sollen, doch die behördlichen Genehmigungen für die gemeinsamen Ausfahrten in den Kanälen der Millionenstadt kamen selbst mit einem Jahr Vorlauf nicht zusammen. Also ist Björn Fosholm mit seiner Frau Rita und einem Ford GPA aus Norwegen an die Mosel gekommen: "Ich habe mit 13 Jahren versucht, meinen ersten Schwimmwagen zu kaufen und bin dafür 500 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren. Aber es hat erst ein paar Jahre später geklappt." Der 68-Jährige kennt sich derart gut mit Amphibienfahrzeugen aus, dass er mit Clint Eastwood in Island einige Sequenzen aus dem Antikriegsfilm "Briefe aus Iwojima" gedreht hat. Nicht minder abenteuerlich war die Fahrt aus dem hohen Norden nach Venedig - mit vielen Freunden im rund zehn Meter langen Amphibienfahrzeug DUKW. "Wir haben vier Tage für eine Richtung gebraucht, inklusive der Tour durch die Ostsee", erzählt der passionierte Sammler, der sein Hobby mit einem weltweiten Tausch von Oldtimer-Teilen möglich gemacht hat.

Wer mit den Freizeitkapitänen auf der Mosel schippert und zahllose Geschichten hört, erlebt eine ursprüngliche Form des Reisens. Fast scheint es, als seien Amphibienfahrzeuge das ideale Gefährt, um das Leben zu entschleunigen: Warum um den Globus jetten, wenn man mit Standgas durchs Wasser tuckern und Menschen aus aller Welt erreichen kann? Vielleicht sind diese Leute doch nicht so verrückt . . .

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