Ideenmanagement:Geld für Geistesblitze

Immer mehr Firmen setzen auf die Ideen ihrer Mitarbeiter und sparen damit jährlich Hunderte Millionen Euro. Wie Ideenmanagement Unternehmen voranbringt - und warum Mitarbeiter ihre Idee nicht jedem verraten sollten.

Von Karin Janker

Die Veränderung ist winzig klein: Drei millimetergroße Noppen im Blech der Autotür verhindern, dass sie verrutscht, während der Kleber aushärtet. Früher setzte hier eine teure Laserlöt-Station eine provisorische Naht. Doch der Laser hat ausgedient, seit Stephan Blank und Friedhelm Schulz die Idee mit den Noppen hatten. Der Einfall der beiden Industriemechaniker wurde im Mercedes-Werk Sindelfingen 2013 zur "Idee des Jahres" gekürt und brachte den beiden Kollegen eine stattliche Prämie ein.

Die unscheinbaren Noppen sind ein Beispiel für erfolgreiches Ideenmanagement - ein Schlagwort, das in vielen Unternehmen immer wichtiger wird. Und ein Bereich, in dem noch immer erhebliches Ausbaupotenzial besteht. Früher firmierte das Ideenmanagement unter dem Namen "Betriebliches Vorschlagswesen" und bestand in den meisten Firmen aus kleinen, oft roten Briefkästen, in die Mitarbeiter ihre Verbesserungsvorschläge einwerfen konnten. Das Rot sollte suggerieren, dass ihre Ideen für wichtig gehalten wurden. In der Realität allerdings dauerte es oft viel zu lange, bis die Unternehmen auf die Vorschläge reagierten und etwas in Gang kam - wenn die Mitarbeiter überhaupt Gehör fanden.

Das ändert sich seit einigen Jahren: Immer mehr Unternehmen erkennen das Potenzial, das in den Köpfen ihrer Mitarbeiter schlummert und das ihnen bares Geld einbringen kann. Daimler zum Beispiel sparte im vergangenen Jahr eigenen Angaben zufolge fast 75 Millionen Euro dank dem Erfindergeist so manches Mitarbeiters - und belohnte diesen Einfallsreichtum mit insgesamt 20 Millionen Euro, die als Prämien ausgezahlt wurden. Die meisten Ideen kämen aus der Produktion, von Praktikern, die jeden Tag mitanpacken, so das Unternehmen.

Besonders erfolgreich etabliert sich das Ideenmanagement derzeit in mittelständischen Betrieben: Das Zentrum Ideenmanagement schätzt, dass etwa 70 Prozent der Mittelständler darauf setzen. Einer Studie des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft (DIB) zufolge gehen in Betrieben mit weniger als 1000 Mitarbeitern im Vergleich besonders viele Vorschläge pro Mitarbeiter ein. Hier gelingt es offenbar am besten, die Arbeitnehmer zu aktivieren.

Feedback motiviert zur Beteiligung

Für Friedhelm Schulz und Stephan Blank, die seit mehr als 20 Jahren bei Daimler im Team arbeiten, war es nicht die erste erfolgreich eingereichte Idee. Das Tüfteln liegt ihnen. Ihr Meister Uwe Rothenburger erzählt, dass die beiden an den Noppen für die Türen lange herumbastelten. "Ich selbst hatte auch schon mal eine Idee, die prämiert wurde. Das ist zwar schon lange her, aber ich erinnere mich noch gut daran und unterstütze Mitarbeiter, die eigene Ideen und Vorschläge haben - auch mit dem nötigen Freiraum", sagt Rothenburger.

Dieser ist wichtig, damit Mitarbeiter sich aktiv daran beteiligen, Abläufe, Arbeitssicherheit oder auch den Umweltschutz in einem Unternehmen zu verbessern. Mitarbeitern müsse das Gefühl vermittelt werden, dass ihre Ideen wertvoll seien, sagt Christoph Gutknecht, Leiter der Abteilung Ideenmanagement am DIB. "Befragungen von Berufseinsteigern zeigen, dass sie sich einbringen und in ihrem Unternehmen mitwirken wollen", berichtet Gutknecht. Deshalb sei es wichtig, dass Mitarbeiter für ihre Ideen Feedback erhielten und wüssten, was aus dem Vorschlag wird - im Zweifel auch, aus welchem Grund er abgelehnt wurde.

Wird die Idee allerdings angenommen und umgesetzt, erhält der Mitarbeiter in den meisten Betrieben eine Belohnung: Die Höchstprämie, die 2013 ausgezahlt wurde, betrug der DIB-Studie zufolge 266 000 Euro. Allerdings werden längst nicht alle Vorschläge so reich belohnt. Durchschnittlich bekam ein Mitarbeiter, dessen Idee erfolgreich umgesetzt und prämiert wurde, im vergangenen Jahr 84 Euro.

Identifikation mit dem Unternehmen steigt

Aus Sicht der Unternehmen lohnt es sich, in Ideenmanagement zu investieren. Im vergangenen Jahr sparten die 120 Firmen, die sich an der DIB-Erhebung beteiligten, durch Mitarbeiterideen insgesamt knapp 700 Millionen Euro. Die Prämien berechnen die Unternehmen auf der Grundlage von Vereinbarungen mit dem Betriebsrat: Oft erhalten die Mitarbeiter 10 bis 25 Prozent dessen, was die Firma durch ihre Idee an Kosten spart.

Es gehe aber längst nicht nur um Einsparungen, sagt Michael Stephan, Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der Universität Marburg. Sein Institut hat 2013 zusammen mit der Universität Kassel und der Industrie- und Handelskammer Hessen eine Studie zum Ideenmanagement mit 800 beteiligten Unternehmen durchgeführt.

"Neben Kostensenkung und Qualitätssteigerung kann Ideenmanagement auch dazu beitragen, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Unternehmen steigt", sagt Stephan. Die Möglichkeit zur Mitwirkung motiviere die Mitarbeiter viel stärker als Prämien. Ein Punkt, der bei der Beurteilung von Ideen bislang in vielen Unternehmen kaum eine Rolle spielt. "Für viele Firmen stehen die betriebswirtschaftlichen Ziele bei der Bewertung von Ideen im Vordergrund: Sie entscheiden vor allem anhand der prognostizierten Einsparungen, ob ein Vorschlag umgesetzt wird."

Hier wäre ein Umdenken nötig, meint auch Gutknecht vom DIB: "Es ist wichtig, auch Ideen zu honorieren, die keine messbaren Vorteile für das Unternehmen bringen. Dafür sollten sogenannte Anerkennungsprämien gezahlt werden." Solche Prämien berechnen sich nicht danach, wie viel die Firma spart, sondern nach Staffelsätzen. Für die Idee, an einer bestimmten Stelle in der Produktion ein Hebewerkzeug einzusetzen, um die Rücken der Mitarbeiter zu schonen, gibt es beispielsweise eine Belohnung von 200 Euro. Für eine Markierung zur Arbeitssicherheit, die Mitarbeiter vor Unfällen schützt, 100 Euro.

Diese Ideen bringen den Unternehmen zwar keine Einsparungen, sorgen aber für Zufriedenheit und Sicherheit der Mitarbeiter. Allerdings wäre es ohnehin Aufgabe des Unternehmens, für das Wohlergehen seiner Angestellten zu sorgen. Hier unterstützen die Ideengeber also den Arbeitgeber in seiner Fürsorgepflicht.

Ein neutraler Ideenmanager bringt Vorteile

Verbesserungsbedarf sieht Gutknecht bei der Aktivierung von Mitarbeitern. Der DIB-Studie zufolge war 2013 die Vorschlagsquote in metallverarbeitenden Betrieben mit 780 Ideen pro 100 Mitarbeiter am höchsten, während beim Schlusslicht, der Banken- und Versicherungsbranche, gerade einmal 19 Ideen pro 100 Mitarbeiter eingereicht wurden. Um die Arbeitnehmer zu motivieren, schlagen Experten vor, Workshops oder Kampagnen zu bestimmten Themen zu veranstalten.

Wo sich das Ideenmanagement durchgesetzt hat, geht es aber auch darum, die Vorschläge effektiv zu prüfen und die guten Ideen schnellstmöglich umzusetzen. Insgesamt erhielten die 120 Unternehmen in der DIB-Studie im vergangenen Jahr knapp eine Million Vorschläge, von denen etwa die Hälfte umgesetzt wurde.

In der Praxis vergehen zwischen dem Einreichen des Vorschlags und der Umsetzung noch immer durchschnittlich 79 Tage, für die Experten zu viel Zeit. Und auch das Procedere ist nicht optimal geregelt: Oft können die Mitarbeiter ihre Ideen im Intranet des Unternehmens in ein Formular eintragen, das dann an den Vorgesetzten geht. "Aus unserer Sicht hat es Vorteile, wenn es eine neutrale Stelle wie den Ideenmanager gibt, weil Ideen sonst oft an mittleren Vorgesetzten scheitern", sagt Michael Stephan.

Der Vorgesetzte könne den Mitarbeiter mit seiner Spitzenidee schließlich auch als Konkurrenten ansehen und so Ideen von vornherein verhindern. Stephan rät: "Wenn es sich einrichten lässt, würde ich als Mitarbeiter versuchen, meinen unmittelbaren Vorgesetzten zu umgehen und meine Idee direkt bei der zuständigen Stelle abgeben."

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