#endlichfreitag zu Kollegen auf Facebook:Zunge am Kaffee verbrannt - Angry Face

Job-Kolumne #endlichfreitag

Wochenende bedeutet noch lange nicht Ruhe vor den Kollegen - zumindest wenn die in sozialen Medien aktiv sind.

(Foto: iStock)

Kollegin P. lässt sich bei Facebook über persönliche Befindlichkeiten aus. Und die ihrer Kinder und Haustiere. Kollege M.-A. mimt den Oberlehrer der Netz-Nation. Und dann ist da noch die Selfie-Schande von Kollege S. Geht's noch?

Von Johanna Bruckner

Job-Kolumne #endlichfreitag

Endlich Freitag. Hochgefühl! Ein letzter Gedanke an die verpatzte Präsentation am Montag, ein Erschauern im Rückblick auf das Get-together am Mittwochabend, schnell noch ein Papierkügelchen in Richtung des Kollegen im Polohemd geschnippt: Was Arbeitnehmer im Büro erleben und warum es immer wieder schön ist, wenn die Arbeitswoche rum ist - darum geht es in der Kolumne #endlichfreitag.

In der vergangenen Woche konnte, wer auf mehr oder weniger boulevardesken Schweizer Nachrichtenseiten unterwegs war, die Bundesangestellte A. kennenlernen. "Heiss [sic] im Bundeshaus: So wild treibts die Porno-Sekretärin!", lautete etwa der Artikel beim Blick. Damit ist die Geschichte (ausgegraben von der hochseriösen NZZ) eigentlich auch schon erzählt. Besagte A., hauptberuflich Sekretärin, nebenberuflich Amateur-Pornodarstellerin (A.ha!) twittert gerne "Nacktselfies" von sich. Als Fotokulisse diente mitunter ihr Schreibtisch im Berner Bundeshaus, dort sind Regierung und Parlament untergebracht.

Für Blick war die Porno-Posse ein potenzieller Kündigungsgrund, doch beim Leser wollte sich die intendierte Empörung nicht so richtig einstellen. Vielleicht ist man mittlerweile einfach zu abgestumpft in Sachen Social-Media-Freizügigkeit von Kollegen. Da wirkt im Vergleich ein im Büro aufgenommenes Nacktselfie als Akt ziviler Unartigkeit geradezu erfrischend!

Kollegin P. beispielsweise (steht für ihre innere Einstellung: "Privatsphäre? Ist das eine von diesen neuen Facebook-Anwendungen? Brauch' ich nicht!"): Im Büro trägt sie ihre Bluse bis zum letzten Knopf geschlossen, agiert geschäftsmäßig und pocht auf Regeln und Ordnung. Ganz anders im virtuellen Raum. Dort ist sie maximal offenherzig und ignoriert sämtliche Kniggeleitfäden für die Kommunikation auf Facebook und Co.

Hassliebe zum Aufreger

So informiert sie fast minutiös über persönliche Befindlichkeiten (und die ihrer Kinder und Haustiere), unter Zuhilfenahme sämtlicher verfügbarer Emoticons. "Toller Samstagmorgen, hab mir am heißen Kaffee die Zunge verbrannt." Angry Face. "Jetzt ist auch noch mein Lieblings-Yoga-Lehrer krank. Das wird wohl nichts mit der Bikini-Figur dieses Jahr." Sad Face. "Irgendjemand Lust auf nen Cappuccino in der Sonne? Hab meine Lektion gelernt: erst pusten, dann trinken. Haha." Smiley Face.

Ein paar Mal war man kurz davor, P. zu blocken, aber irgendetwas hält einen davon ab. Vielleicht ist es diese Hassliebe, die einen mit manchen Aufregern verbindet. Sie gehen einem auf die Nerven, aber ohne sie geht es auch nicht. Oder, viel simpler: Kollegin P. bietet sich so wunderbar als Thema für die nächste Mittagspause an.

Womit wir beim Kern des Problems wären. 16-Jährigen wird eingetrichtert, bloß vorsichtig zu sein, mit Party-Fotos und leichtfertigen Kommentaren in sozialen Medien: "Was soll dein künftiger Arbeitgeber denken?" Doch was Eltern und wohlmeinende Erwachsene vergessen: Auch Kollegen - denen man in der Regel sehr viel größere Einblicke in sein virtuelles Privatleben gewährt als Chefs - denken sich im Zweifelsfall ihren Teil.

"Habt ihr gesehen, was P. am Wochenende wieder gepostet hat? Total Banane! Auf ihren Cappuccino-Call hat auch niemand reagiert - das sagt ja schon alles ..." Wobei Lästereien in der Kantine noch nicht mal das schlimmste sind. Die wirkliche Gefahr ist, dass das Social-Media-Image einer Person irgendwann ihr professionelles überlagert.

Erbärmlich auf Facebook, erbärmlich im Job?

Die britische Autorin Zadie Smith fragt in ihrer Rezension zum Facebook-Film The Social Network: "Is it possible that what is communicated between people online eventually becomes their truth?" Wer auf Facebook ein erbärmliches Bild abgibt, dem ist auch im Beruf nicht viel zuzutrauen, oder?

Das stimmt so wohl nicht. Aber wenn der Kollege M.-A. dort den Möchtegern-Aufklärer gibt, unreflektiert Links zur Ukraine-Krise teilt oder Fotos unbekannter Quelle aus dem Gaza-Streifen postet - und Kollegin P. für ihre Banalitäten-Posts abstraft ("Seriously!? Es gibt ja wohl Wichtigeres!"): Wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass wir seiner Einschätzung irgendwann auch im Job nicht mehr ganz trauen?

Und wenn wir den Kollegen S. mal wieder im Flur, Handy über dem Kopf, auf der Suche nach dem besten Licht für sein neuestes Profilbild erwischen, dann lächeln wir in uns hinein, kehren in unser Büro zurück und berichten unseren Lieblingskollegen von der jüngsten Selfie-Schande. Via Facebook, natürlich. Denn, das räumt auch Zadie Smith ein, dem Netzwerk abzuschwören, ist nicht leicht: "Facebook remains the greatest distraction from work I've ever had, and I loved it for it."

Das Berner Bundeshaus ist übrigens um eine Ablenkung ärmer: Die Bundesangestellte A. wurde freigestellt. Irgendwie schade.

Zum Weiterlesen: Philippe Wampfler macht sich auf seinem Blog schulesocialmedia Gedanken über die Frage: Was ist öffentlich?

Was haben Sie in dieser Woche im Job erlebt - Skurriles, Schönes, Nachdenklich-Machendes? Schreiben Sie uns unter Hashtag #endlichfreitag!

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