Flüchtlinge im Nordirak:Bundeswehr-Hilfsflüge starten am Freitag

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Ein Soldat der Bundeswehr beobachtet im Mai 2014 bei einer Bundeswehr-Übung in Sachsen-Anhalt den Überflug zweier Transall-Transportflugzeuge. (Foto: picture alliance / dpa)

Vier deutsche Transall-Maschinen sollen am Freitag in den Nordirak aufbrechen - an Bord Lebensmittel und Sanitätsmaterial. Unterdessen konnte sich ein Großteil der Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge retten. Noch etwa 1000, vorrangig jesidische Vertriebene, harren weiter in den Bergen aus.

  • Die deutsche Hilfe für Flüchtlinge im Nordirak läuft an: Am Freitag sollen vier Transall-Maschinen in Richtung Erbil aufbrechen, um Sanitätsmaterial und Lebensmittel in die von der Terrormiliz IS bedrohte Region zu bringen.
  • UN: Nur noch etwa 1000 Flüchtlinge sitzen im Sindschar-Gebirge im Nordirak fest - Zehntausenden ist offenbar die Flucht vor den IS-Terroristen gelungen.
  • Da ihre Lage besser sei als angenommen, erklären die USA eine Rettungsaktion für die Flüchtlinge für "unwahrscheinlich".
  • Bundeskanzlerin Merkel sowie Außenminister Steinmeier schließen Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak nicht mehr aus.

Deutsche Hilfsflüge für den Nordirak starten am Freitag

Nach Informationen des Bundeswehr-Blogs "Augen geradeaus!" sowie der Nachrichtenagentur dpa sollen am morgigen Freitag vier Transall-Maschinen der Bundeswehr in Richtung Nordirak starten. Die Flugzeuge sollen vom Fliegerhorst Hohn in Schlewsig-Holstein in die Türkei und von dort aus weiter nach Erbil fliegen, die Hauptstadt der kurdischen Autonomieregion im Irak. Insbesondere Sanitätsmaterial und Lebensmittel sollen sich an Bord befinden. Im kurdischen Autonomiegebiet sollen die Hilfsgüter an UN-Organisationen übergeben werden, die sie unter der notleidenden Bevölkerung verteilen wollen.

Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Die Planungen und Vorbereitungen für Hilfstransporte liefen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der dpa. Zu Details wollte er sich nicht äußern.

Auch Merkel schließt Waffenlieferungen in den Nordirak nicht mehr aus

Angesichts der militärischen Erfolge der radikalislamischen IS-Milizen schließt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel Waffenlieferungen in den Irak nicht mehr aus. "Es gibt bei Rüstungsexporten für die Regierung immer einen politischen und rechtlichen Spielraum, und den werden wir, wenn nötig, ausschöpfen", kündigte die CDU-Chefin in einem am Donnerstag vorab veröffentlichten Interview der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" an. Es sei entsetzlich, was "Menschen im Nordirak, Jesiden, Christen und andere, durch die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) erleiden" würden.

Zuvor hatte sich auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier offen für Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak gezeigt. Er werde "zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass wir gegebenenfalls, wenn die Bedrohungslage so anhält, auch Waffen liefern müssen", sagte der SPD-Politiker dem "heute-journal" des ZDF.

Kritik kam hingegen von der Grünen Claudia Roth: Sie sprach sich bei einem Irak-Besuch gegen derartige Waffenlieferungen aus. Die Kämpfer der Kurden "kennen sich nicht mit deutschen Waffensystemen aus", sagte die ehemalige Grünen-Fraktionschefin im ARD-"Morgenmagazin".

Nur noch 1000 Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge - Zehntausende gerettet

Über Tage waren Zehntausende Flüchtlinge im kargen Sindschar-Gebirge im Nordirak eingeschlossen. Die meisten von ihnen gehörten der religiösen Minderheit der Jesiden an. In den Bergen wurden sie von Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bedroht. Nun ist bekannt geworden, dass sich die meisten von ihnen aus dem Höhenzug retten konnten. Das bestätigte eine Sprecherin der Mission der Vereinten Nationen für den Irak (Unami) Süddeutsche.de. Demnach sind nur noch etwa 1000 Menschen in dem Gebiet eingeschlossen.

Jesiden im Nordirak
:Ein Volk auf der Flucht

Zehntausende Jesiden fliehen vor den IS-Milizen ins Sindschar-Gebirge. Aber sind sie einmal dort angekommen, fehlen Lebensmittel und Wasser. Viele befürchten eine humanitäre Katastrophe.

Den UN-Angaben zufolge wurde ein Teil der Flüchtlinge gerettet, der Großteil konnte aber selbst entkommen. Etwa 50 000 von ihnen haben die Grenze zu Syrien erreicht, andere halten sich nun in der kurdischen Autonomieregion des Irak auf.

Eine UNHCR-Sprecherin sagte, die von dem Höhenzug entkommenen Menschen seien extrem erschöpft und litten unter Flüssigkeitsmangel. Viele hatten über Tage bei hohen Temperaturen mit wenig Wasser und Nahrung im Sindschar-Gebirge ausgeharrt.

Pentagon sieht offenbar von Rettungsaktion ab

Die US-Armee plant voraussichtlich keine Rettungsmission für die Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge im Nordirak. Noch vor der Bestätigung durch die UN hatte das US-Verteidigungsministerium am Mittwoch mitgeteilt, ein zunächst erwogener US-Militäreinsatz zur Rettung von Flüchtlingen aus dem Sindschar-Gebirge sei unwahrscheinlich geworden. US-Spezialeinheiten seien nach Erkundungen zu dem Schluss gekommen, dass sich dort wesentlich weniger Flüchtlinge aufhielten als zunächst angenommen. Nach US-Luftschlägen sei es vielen gelungen, mit Hilfe kurdischer Kämpfer der Belagerung durch die IS-Terrormiliz zu entkommen. Die USA und Großbritannien hatten zuvor angekündigt, eine Rettungsmission für die Flüchtlinge zu prüfen.

Wie die USA weiter im Irak vorgehen wollen

Die USA setzten unterdessen die Luftangriffe gegen Dschihadisten im Nordirak fort. Eine Kampfdrohne habe einen mit Waffen ausgerüsteten Lastwagen westlich des Sindschar-Gebirges angegriffen und zerstört, teilte das US-Militär mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Kürzlich hatte das Pentagon allerdings eingeräumt, die US-Luftangriffe hätten den Vormarsch der IS-Miliz zwar verlangsamt, aber bisher nicht gestoppt. Die USA fliegen seit vergangenen Freitag wieder Angriffe im Irak.

UN rufen höchste Notstandsstufe für Irak aus

Wegen der dramatischen Flüchtlingsentwicklung in den vergangenen Tagen rief die UN-Mission für den Irak (Unami) die höchste Notstandsstufe aus. Es gelte der Notstand der Stufe 3, teilte die Unami mit. Die dritte Stufe ermöglicht es den UN, zusätzliche Hilfsgüter und Gelder zu mobilisieren. Der Irak ist nach Syrien, dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktuell das vierte Land, in dem die UN einen Notstand der Stufe 3 erklärt haben.

© SZ.de/AFP/Reuters/dpa/fran/ipfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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