Ukraine-Konflikt:Merkel sichert baltischen Staaten Nato-Beistand zu

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Angela Merkel (r) beim Treffen mit mit der lettischen Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma (Foto: dpa)

Die Ukraine-Krise sorgt auch in Estland, Lettland und Litauen für Unruhe. Angesichts wachsender Spannungen mit Russland verspricht Kanzlerin Merkel eine größere Präsenz der Nato. Der Bündnisvertrag der Allianz müsse "im Zweifelsfall mit Leben gefüllt werden".

  • Verstärkte Luftraumüberwachung und Manövertätigkeit: Bundeskanzlerin Merkel sieht Nato bei der Unterstützung der baltischen Staaten in der Pflicht.
  • Beim Beschuss eines Flüchtlingskonvois in der Ostukraine sterben zahlreiche Menschen. Regierung und Separatisten machen sich gegenseitig verantwortlich.
  • Ein Gespräch der Außenminister aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine endete ergebnislos.
  • Der ukrainische Außenminister Klimkin bittet die Nato und die Europäische Union um militärische Unterstützung im Kampf gegen prorussische Separatisten.

Merkel sichert baltischen Staaten im Ernstfall Unterstützung der Nato zu

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den baltischen Staaten vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise den Beistand der Nato zugesagt. Bei einem Treffen mit der lettischen Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma in der Hauptstadt Riga sagte Merkel, die Beistandspflicht der Nato stehe nicht nur "auf dem Papier", sondern müsse "im Zweifelsfall natürlich auch mit Leben gefüllt werden".

Merkel versprach, das Militärbündnis werde in den östlichen Nato-Mitgliedstaaten "eine sehr viel stärkere Präsenz" zeigen als bisher. Als Beispiel nannte die Kanzlerin die verstärkte Luftraumüberwachung über dem Baltikum. Um im Ernstfall schnell reagieren zu können, sei zudem "eine verstärkte Manövertätigkeit" nötig, an der sich Deutschland ebenfalls aktiv beteiligen werde.

Das Vorgehen Russlands in der Ukraine und die Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel hatte in den baltischen Staaten Sorgen vor weiteren Übergriffen Moskaus ausgelöst. "Das Vertrauen ist dahin", sagte die lettische Ministerpräsidentin Straujuma. "Wir müssen ein klares Antwortsignal senden an Russland."

Deutschland sei bereit, "seinen Beitrag zu leisten, um das verständliche und berechtigte Schutzbedürfnis der Bevölkerung in Lettland und den anderen baltischen Staaten zu erfüllen", sagte Merkel. Die Forderung nach Nato-Truppenstützpunkten im östlichen Mitteleuropa lehnte sie aber erneut ab. "Wir haben nicht nur einen Nato-Grundlagenvertrag, sondern auch eine Nato-Russland-Akte, die ich im Moment nicht überschreiten möchte", sagte die Kanzlerin.

Tote bei Beschuss von Flüchtlingskonvoi

Bei einem Raketenangriff auf einen Flüchtlingskonvoi im Osten der Ukraine ist nach Angaben von Militär und Separatisten eine unbekannte Zahl von Menschen getötet worden. Armee und Aufständische wiesen sich gegenseitig die Schuld zu. "Die Wucht der Attacke war so groß, dass die Menschen bei lebendigem Leib in den Fahrzeugen verbrannten - sie konnten sich nicht selbst befreien", sagte Militärsprecher Anatoli Proschin dem ukrainischen Rundfunksender 112.ua. Die Busse hätten Flüchtlinge aus der Stadt Lugansk transportiert. Ein anderer Militärsprecher erklärte, die Separatisten hätten Grad-Raketen und Mörsergranaten auf die Wagenkolonne abgefeuert. Unter den Toten seien viele Frauen und Kinder.

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Von Hannah Beitzer

Die Aufständischen wiesen jede Schuld von sich. "Die Ukrainer selbst bombardieren die Straße dauernd mit Kampfjets und Grads", sagte der "Vize-Ministerpräsident" der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Andrej Purgin, der Nachrichtenagentur Reuters. Offenbar hätten die Soldaten dabei nun Zivilisten getötet. "Wir haben nicht die Fähigkeit, Grads in diese Region zu schießen", sagte Purgin in dem Telefonat.

Militärangaben zufolge wurde der Konvoi in der Gegend um die Orte Chriaschtschuwatje und Nowoswitliwka getroffen. Derzeit fliehen etwa 500 Menschen pro Tag aus Lugansk, der zweiten großen Stadt neben Donezk, die die Separatisten noch unter Kontrolle haben. Armee und Aufständische kämpfen seit Monaten um Lugansk, dessen Einwohner seit zwei Wochen weitgehend von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten sind. Die Regierungstruppen haben Luhansk weitgehend von der Außenwelt abgeriegelt und in der Stadt einige wichtige Stellungen wieder eingenommen.

Lange Krisengespräche in Berlin

Der jüngste internationale Vermittlungsversuch im Ukraine-Konflikt hat keine konkreten Ergebnisse gebracht. Von einem "schwierigen Gespräch" berichtete Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach dem mehrstündigen Treffen mit seinen Kollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine in Berlin. "Aber ich glaube und ich hoffe, dass wir in einzelnen Punkten durchaus Fortschritte erreicht haben."

Auch in französischen Diplomatenkreisen war anschließend von "Fortschritten" trotz eines "schwierigen" Gesprächsklimas die Rede. Das russische Außenministerium lobte das Treffen als fruchtbar. Bei der Suche nach einer politischen Lösung sei "ein bestimmter Fortschritt" erzielt worden, teilte das Außenamt in Moskau mit. Welcher Fortschritt das sein soll, ließen alle Seiten offen.

Gesprochen wurde laut Steinmeier über Wege zu einem möglichen Waffenstillstand, eine verbesserte Kontrolle der ukrainisch-russischen Grenze und die humanitäre Unterstützung von notleidenden Zivilisten im Krisengebiet. Sowohl er als auch sein französischer Kollege Laurent Fabius, der russische Außenminister Sergej Lawrow und Kiews Chefdiplomat Pawlo Klimkin würden nun ihren jeweiligen Staats- und Regierungschefs Bericht erstatten, sagte Steinmeier. Zu Beginn dieser Woche soll entschieden werden, ob die Gespräche fortgesetzt werden. Anschließend sei dann "möglicherweise" zu klären, "in welcher Form wir das Gespräch von heute fortsetzen", sagte Steinmeier.

Klimkin: Kampftaktik der ukrainischen Armee ist "mehr als verhältnismäßig"

Der ukrainische Außenminister hat die Nato und die Europäische Union um militärische Unterstützung im Kampf gegen prorussische Separatisten gebeten. "Wenn solche Hilfe kommt, dann wäre es für unsere Truppen leichter, vor Ort zu agieren", sagte Klimkin in einem "Deutschlandfunk"-Interview. Die Gefahr einer russischen Invasion sei allgegenwärtig. Fast täglich würden ukrainische Truppen von russischem Territorium aus beschossen. Zudem würden Söldner und Waffen von Russland aus ins Land gebracht.

Die Kampftaktik der ukrainischen Armee dagegen nannte Klimkin "mehr als verhältnismäßig". Wohngebiete in ukrainischen Städten seien mitnichten von Regierungstruppen mit Artilleriefeuer oder anderen schweren Waffen beschossen worden, sondern von verschiedenen Rebellengruppen, sagte er. Erst am Freitag hatte die ukrainische Regierung erklärt, eine Kolonne russischer Schützenpanzer angegriffen zu haben, die die Grenze passiert habe.

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