Schwimm-EM in Berlin:"Gefühlt wie ein junger Gott"

Schwimm-EM 2014

Persönliche Bestzeit bei der Heim-EM: Christian Diener.

(Foto: dpa)

Die Prominenz schwächelt, der Bundestrainer stellt die Staffeln gar nicht auf - und doch herrscht Zuversicht im deutschen Schwimm-Team bei der Heim-EM in Berlin. Einige freuen sich über persönliche Bestzeiten.

Von Saskia Aleythe, Berlin

Eine wie sie lässt man nicht einfach so gehen, das weiß auch der Deutsche Schwimm-Verband (DSV). Wäre Britta Steffen nur eine Durchschnittssportlerin gewesen, sie würde an diesem Montagabend nicht hier stehen in der Hotelbar, gleich neben dem Veranstaltungskomplex der Schwimm-EM in Berlin. Steffen lächelt, schüttelt Hände und darf berichten, wie sie - als frische Ex-Schwimmerin - dem DSV als Mentorin für die nachkommende Generation erhalten bleibt.

Auch um eine Einschätzung des ersten Wettkampftages wird die zweimalige Olympiasiegerin gebeten. Schön sei er gewesen, sagt die 30-Jährige, die Halle sei toll, kesselförmig mit guter Akustik für aufkommenden Jubel, auch das schummrige Licht habe es ihr angetan. Der Name ihres Freundes Paul Biedermann fällt in ihrer Bilanz kein einziges Mal.

Dabei hatte doch gerade Paul Biedermann diesen Auftakt der EM geprägt. Im Idealfall wäre er an diesen Abend ebenfalls im Hotel aufgetaucht, um sich von DSV-Präsidentin Christa Thiel für eine Medaille ehren zu lassen. Doch vom Idealfall war Biedermann so weit entfernt wie von seiner Bestform. Im Vorlauf über 400 Meter Freistil ausgeschieden - die EM hatte durch das Scheitern des Hallenser begonnen wie die WM 2013 und Olympia 2012 für das deutsche Team geendet hatten: mit einer ziemlich schwachen Leistung.

Nun ist es nicht so, als hätte sich Biedermann sonderlich große Hoffnungen gemacht, die 400 Meter Freistil hatte er in dieser Saison nur reduziert trainiert. Und doch ging von seinem Ergebnis eine Gefahr aus: Abwärtsspiralen in Stimmung und Leistung kennt man beim DSV allzu gut, wenn es bei den Routiniers nicht klappt. Wie gelähmt traten die Athleten in London auf, als einer nach dem anderen mit seiner Leistung enttäuschte. Doch dieses Mal ließen sich Biedermanns Kollegen nicht verunsichern. Und so stand am Ende des Tages tatsächlich Zufriedenheit in den Gesichtern.

Bronze für Wasserspringer

Clemens Rapp schwamm im Freistil-Finale ohne Biedermann nahe an seine Bestzeit heran und war "hochzufrieden mit dem fünften Platz". Die sechs Athleten, die sich für die Halbfinals qualifiziert hatten, erreichten zudem alle die Endläufe. Jenny Mensing und Lisa Graf erzielten über 200 Meter Rücken gute Ergebnisse, Steffen Deibler leistete über 50 Meter Schmetterling genug für die drittschnellste Zeit an diesem Montag. Über 100 Meter Rücken überzeugte Jan-Philip Glania mit einer starken Leistung, Platz drei beider Halbfinals. Christian Diener schwamm persönliche Bestzeit. "Ich habe mich gefühlt wie ein junger Gott", meinte der 21-Jährige im Anschluss.

Auch ein bisschen Glück war dabei gewesen, Hendrik Feldwehr kam an seinem 28. Geburtstag mit einer "Schrottzeit" ins Finale über 100 Meter Brust. Nur eine Hundertstelsekunde Vorsprung rettete ihn vor dem Aus.

Das deutsche Team hat sich am ersten Wettkampftag bewährt, das ist die gute Nachricht. Allerdings gilt das fast nur in Relation zum eigenen Leistungsvermögen und das ist die mittelprächtige Nachricht. Es heißt nämlich auch: Gut möglich, dass die Medaillen in den bisher erreichten Finalläufen kein einziges Mal um einen deutschen Hals gehängt werden.

Persönliche Bestzeiten sind schön formulierte Leistungssteigerungen, doch im internationalen Vergleich noch nicht der Sprung in neue, glorreiche Zeiten. Die hatte Chef-Bundestrainer Henning Lambertz ohnehin erst für die Olympischen Spiele 2020 anvisiert. Er verfolgt seine exzessive Nachwuchsarbeit und Neuausrichtung mitunter drastisch: Für die 4x100 Meter-Staffeln, immer ein Publikumsmagnet, meldete er weder ein Frauen- noch ein Männerteam. Was auch eine Chance für Wettkampfpraxis hätte sein können, interpretierte Lambertz als Gefahr. Er wollte seinen Verband unbedingt vor einer Blamage bewahren.

Am Montag vermochte er mehr lachende als traurige Gesichter in Berlin auszumachen, sagte Lambertz noch. Die neuen Freuden des DSV sind kleine Freuden. Viel gelacht haben um Britta Steffen herum vor allem zwei: Die Wasserspringer Tina Punzel und Sascha Klein hatten im Mixed-Wettbewerb Bronze geholt. Christa Thiel konnte an diesem Abend also doch noch jemanden ehren.

Alle Ergebnisse und Liveticker der Endläufe von der Schwimm-EM finden Sie hier.

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